Editorial

Krisengedanken


Dr. Michael Brysch

Liebe Leserinnen und Leser,

"ich glaube, das Wichtigste im Leben ist: Leben. Warum leben wir nicht einfach mal? Warum fällt uns das schwer? Ist es die Zeit, die uns fehlt? Oder der Spaß? [...] Alles ist irgendwie kompliziert, umständlich, anstrengend."

Keine Sorge, Sie sind nicht in einem Psychoratgeber gelandet! Denn der anschließend vorgeschlagene Weg aus der geschilderten Lebenskrise ist nicht psychologischer Natur: "Dabei gibt es so viele Tools, die das Leben einfacher machen. Warum nicht dafür, worauf es wirklich ankommt? Nichts gegen online Pizza-Bestellen. Aber warum kann ich nicht meine Gesundheit genauso einfach managen?"

Sie ahnen es schon: Wir sind mittendrin in einem Werbespot aus der neuen DocMorris-Kampagne. Darin geht es aber längst nicht mehr "nur" um den Apothekensektor. Den verlässt der Versender nämlich gerade, "um eine neue Ära der Gesundheit einzuleiten", die sich vor allem auf branchenübergreifenden Plattformen abspielt. Kein Wunder also, dass nun auch die Vor-Ort-Ärzte in die Schusslinie geraten und man auf Werbeplakaten z.B. liest: "Warum heißt er Hausarzt, wenn ich für ihn das Haus verlassen muss?" Umso praktischer, dass die DocMorris-Homepage einen Link bereithält, über den "Sie sich Ihren Arzt per Video-Call nach Hause" holen können.

Um bei solchen Alles-aus-einer-Hand-Angeboten am Ball zu bleiben, kommt es heute mehr denn je darauf an, dass Vor-Ort-Apotheker und -Ärzte an einem Strang ziehen. Nur so werden sie die anstehenden großen Umwälzungen im Gesundheitsmarkt meistern können – zumal dann, wenn die wirklich Großen wie Amazon, Google oder Alibaba stärker mitmischen, alles noch viel komplizierter, umständlicher und anstrengender werden dürfte.

Es grüßt Sie herzlichst

Ihr

Dr. Michael Brysch

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(05):2-2