Geld sparen mit der Warenwirtschaft (Teil 4)

Warum die Kundendatei so wichtig ist


Florian Giermann

Alle, die fundiert pharmazeutisch beraten wollen, benötigen nicht nur das entsprechende Fachwissen, sondern müssen auch die Patienten identifizieren, die gerade vor ihnen stehen. Hier kann die Kundendatei Wunder wirken. Aber wie?

Ohne Frage gilt: Je besser Sie Ihre Patienten kennen, umso besser können Sie sie beraten! Viele wichtige Informationen, die Ihnen helfen, die Patienten besser kennenzulernen, können Sie der Kundendatenbank Ihres Warenwirtschaftssystems entnehmen – vorausgesetzt natürlich, dass Sie die datenschutzrechtlichen Vorgaben immer einhalten.

Nur: Wie viele Apotheken erfassen tatsächlich jeden Patienten und legen ein Kundenkonto für ihn an? Und: Wie viele Apotheken erfassen alle Einkäufe derjenigen Patienten, die bereits in der Kundendatei gespeichert sind? Erfahrungsgemäß liegt diese Quote kaum höher als bei 50%. Damit fehlt aber dem hochqualifizierten Fachpersonal – seien es Approbierte oder PTA – oftmals die wichtigste Information für ein korrektes Medikationsmanagement mit Interaktions- und Wechselwirkungsprüfung: Nämlich die, wer da gerade vor einem steht.

Wege finden

Dennoch sind selbst in Apotheken, die schon 25 Jahre und länger mit Kundenkarten arbeiten, nicht annähernd alle Verkaufsvorgänge mit einem Kundenkonto verknüpft. Häufig wird als Grund dafür der vermeintlich hohe Aufwand angegeben, der durch das Erfassen von Kundenstammdaten entsteht.

Allerdings muss dieser Aufwand gar nicht so hoch sein, gerade wenn der Patient ein Rezept dabei hat (was mehrheitlich bei Apothekenbesuchen der Fall ist). Denn die meisten Warenwirtschaftssysteme bieten Scanlösungen mit einer optischen Zeichenerkennung (Neudeutsch: Optical Character Recognition, OCR) an. Solch eine Software kann Schrift bzw. Text erkennen und erspart es Ihnen, die Kundenstammdaten mühsam manuell anzulegen.

Zudem haben die meisten Warenwirtschaftsanbieter inzwischen Apps im Programm, mit denen die Patienten ihre Rezepte datenschutzkonform vorab in die Apotheke schicken können, um ihre Arzneimittel später abzuholen. Dafür allerdings müssen die Patienten selbst ein Konto anlegen. Sofern sich die Daten anschließend automatisch in die Warenwirtschaft übernehmen lassen, kommt das Apothekenteam ebenfalls um das manuelle Einpflegen herum.

Als weiteres Argument gegen das Erfassen von Kundenstammdaten wird häufig der Datenschutz ins Feld geführt. Dieser Einwand ist nur zu berechtigt, denn gesundheitsbezogene Daten sind besonders schützenswert.

Allerdings zeigt sich bei den Versandapotheken, dass die Patienten bereit sind, ihre Daten preiszugeben: Da die Versender die Ware an die Haustür liefern, muss sich jeder Käufer bei jeder Bestellung identifizieren. Diese Identifikation wird somit zu einem Teil des Geschäftsmodells. Wenn der Kunde nicht zustimmt, dass seine personenbezogenen Daten gespeichert werden, kann er schlicht und einfach nicht bestellen. Denn die Lieferung wäre in diesem Fall ja gar nicht möglich. Die Versender haben somit gerade von ihren Stammkunden Konten, die sich über Jahre hinweg prall mit sämtlichen Informationen aus allen getätigten Bestellungen gefüllt haben, inklusive den bezogenen Arzneimitteln. Und das ist ein enormer Vorteil!

Adhärenz und Absatz

Wer einem Patienten ein Arzneimittel verkauft hat, kann über die Packungsgröße und die Dosierung ermitteln, wie lange die Packung hält. Sofern der Patient dann auch noch ein Kundenkonto hat, in dem tatsächlich alles gespeichert wird, kann die Apotheke ihn rechtzeitig an fällig werdende Folgeverordnungen erinnern. Dass Wechselwirkungschecks mit der möglichst vollständig gespeicherten Medikationshistorie deutlich einfacher werden, erklärt sich von selbst.

Insgesamt lässt sich so die Beratungsqualität erhöhen, was außerdem zu einer verbesserten Adhärenz führt (vgl. dazu den Exkurs). Sie können also auch mithilfe Ihrer Kundendatei zeigen, dass Sie stets ein verlässlicher Partner in Gesundheitsfragen sind – und damit die Kundenbindung steigern.

Die Daten aus dem Konto lassen sich natürlich ebenfalls dazu nutzen, Kunden mit Vorlieben für bestimmte Freiwahl- oder Kosmetik-Produkte gezielt auf passende Aktionen hinzuweisen. So bietet es sich etwa an, Kunden, die im letzten halben Jahr Kosmetik eines bestimmten Herstellers gekauft haben, zu Promotions genau dieses Herstellers in die Apotheke einzuladen.

Tipp: Falls die Kunden eingewilligt haben, dass Sie sie per E-Mail kontaktieren dürfen, sollten Sie diese Möglichkeit unbedingt nutzen. Praktisch daran: Über entsprechende Filter in der Kundendatei können Sie genau Ihre Zielgruppe für eine bestimmte Aktion ganz einfach per Serien-Mail anschreiben – ohne Portokosten und (fast) klimaneutral.

Der Blick über den Tellerrand

Woran Sie vermutlich beim Thema Kundenkonto zunächst nicht denken, ist die Pharmaindustrie. Und das ist auch gut so! Denn über ihre sensiblen Daten müssen die Kunden selbst bestimmen. Die Zustimmung der Kunden aber vorausgesetzt, können diese Daten dazu beitragen, die Forschung weiterzubringen. Inwiefern?

Pharmaunternehmen rekrutieren ihre Patienten für Studien zwar zumeist über Arztpraxen, stoßen dabei aber manchmal an ihre Grenzen. Dazu ein reales Beispiel: Ein internationaler Pharmakonzern suchte für die Neueinführung eines Kontrazeptivums Patientinnen, die mindestens drei Monate lang keine Antikoagulanzien eingenommen hatten. Ob das auf ihre Patientinnen zutraf, hätten die Gynäkologen aber allein durch ihre eigenen Verschreibungen nicht herausfinden können, sondern konkret nach der Einnahme entsprechender Präparate fragen müssen.

Deswegen hat das Unternehmen gezielt Apotheken mit der Akquise von Patientinnen beauftragt: Wenn eine Kundin, die während der letzten drei Monate kein Antikoagulans über die Apotheke bezogen hatte, ein Kontrazeptivum kaufen wollte, erschien während des laufenden Verkaufsvorgangs eine entsprechende Nachricht an der Kasse. Der Mitarbeiter konnte die Patientin dann gezielt ansprechen (musste sie aber sicherheitshalber noch einmal fragen, ob sie gegebenenfalls auf anderem Weg weitere Medikamente bezogen hatte). Die Apotheke erhielt pro erfolgreicher Akquise eine Aufwandsentschädigung im zweistelligen Bereich – und spielte aktiv in der Pharmaforschung mit.

Tipp: Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Sie im Zweifel mit Ihrem rechtlichen Berater abklären, inwieweit eine angedachte Kooperation mit der Pharmaindustrie juristisch zulässig ist.

Auch im Zusammenhang mit den Maßnahmen gegen das Coronavirus können sich Apotheken als hilfreiche und kompetente Partner sowohl ihrer Kunden als auch der Gesundheitsämter positionieren. Aus der Kundendatei lassen sich nämlich relevante Kriterien einfach ermitteln. So können Sie beispielsweise in den Risiko-Altersgruppen nach Patienten suchen, die regelmäßig Arzneimittel zur Behandlung einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) kaufen, und diese direkt auf FFP2-Masken oder Impfungen ansprechen.

Fazit

Pflegen Sie Ihre Kundendatei stets akribisch. Je mehr Informationen Ihnen vorliegen, umso individueller können Sie auf Ihre Patienten eingehen.

Zur akribischen Pflege gehört übrigens auch, dass Sie die Todesanzeigen aus der Lokalzeitung regelmäßig mit Ihrer Kundendatei abgleichen, um Verstorbene zunächst zumindest auf "inaktiv" zu setzen bzw. nach einer gewissen Zeit zu löschen. Das spart sowohl Ihnen bzw. als auch den Hinterbliebenen Unannehmlichkeiten.

Exkurs: Die gesundheitspolitische Dimension

Wir wissen alle, dass medizinisch nicht gewünschte Therapieabbrüche mit hohen Folgekosten für das gesamte Gesundheitssystem verbunden sind, wenn sie zu Komplikationen, Krankenhauseinweisungen oder einer (verfrühten) Pflegebedürftigkeit führen. Sofern Sie also datenbasiert nachweisen können, dass Sie durch Adhärenzprogramme aktiv dazu beitragen, derartige Therapieabbrüche zu reduzieren, tun Sie damit gleichzeitig etwas Gutes für den ganzen Berufsstand. Denn entsprechende Zahlen stoßen auch bei Gesundheitspolitikern auf ein offenes Ohr.


Ein reales Beispiel für die Effektivität eines solchen Programms: Innerhalb von 18 Monaten gelang es einer Apotheke, die Adhärenz der teilnehmenden Patienten um 20 % zu steigern und die Drop-Out-Rate um 50 % zu reduzieren.

Florian Giermann, Client Liaison Manager, Noventi Health SE, 81673 München, E-Mail: florian.giermann@noventi.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2021; 46(05):8-8