Pechvögel der Corona-Saison

Wenn sich Impfskepsis gegen Apotheken richtet


Michael Jeinsen

Apotheken, die sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie engagieren, werden immer öfter Zielscheibe von Vandalismusangriffen. Wir haben etliche dieser Untaten zusammengetragen und liefern Ihnen zudem Tipps, wie Sie sich als Apothekeninhaber am besten dagegen schützen.

Die Auswüchse der Corona-Skepsis – von absurden Fragen bis hin zu offenen Beschimpfungen – sind in Apotheken mittlerweile leider an der Tagesordnung. Schon seit letztem Frühjahr, als die Apotheken pandemiebedingt neue Aufgaben übernommen haben, steigen die Schadenzahlen durch gezielte Angriffe auf neu geschaffene Pandemie-Infrastruktur an. Dass aber ganze Testzentren verwüstet, Apotheken mit Buttersäure attackiert, oder Testzelte über Nacht abgefackelt werden – alles Fälle aus den letzten Wochen – stellt eine neue Qualität von Aggression und Vandalismus dar.

So haben erst kürzlich – Mitte Januar – Unbekannte einen Anschlag wahrscheinlich mit Buttersäure auf die Vitalapotheke und Schwarzwald Vital Apotheke in Gaggenau verübt (Quelle: Badisches Tagblatt). Deren Inhaberin, Tatjana Zambo, vermutet hinter der Attacke Personen, die sie wegen gefälschter COVID-19-Impfzertifikate angezeigt hatte. Sie schaltete deshalb die Kriminalpolizei ein. Zambo ist zugleich Präsidentin des Landesapothekerverbands Baden-Württemberg. Das ist das jüngste Beispiel für die steigende Gewaltbereitschaft, die sich verstärkt gegen Apotheken richtet.

Ein ähnlich unerquicklicher Vorfall hat sich bereits im letzten April im nordrhein-westfälischen Kaarst ereignet: Da hatten Unbekannte das Testzelt von Apotheken-Inhaberin Nigar Akdeniz, die ein Corona-Testzentrum im Maubiszentrum betreibt, mit Nazi-Parolen beschmiert (Quelle: Neuß-Grevenbroicher Zeitung). Die Apothekerin ließ sich davon aber nicht beirren und das Zelt daraufhin morgens auf- und abends abbauen.

Auswahl "eigener" Fälle des Autors

Analog zu der sich aufschaukelnden gesellschaftspolitischen Debatte rund um eine Corona-Impfpflicht haben tätliche Übergriffe auf Apotheken in den letzten Wochen nochmal an Heftigkeit zugenommen. Das Spektrum reicht von schwerer Sachbeschädigung bis hin zu Einbrüchen und der völligen Verwüstung von Testzentren. So wurden allein dem Autor im vergangenen Frühjahr zehn über Nacht zerschnittene, verbogene und sogar abgebrannte Testzelte gemeldet. Bundesweit dürften es sicher einige hundert sein, die dieser neuen "Mode" zum Opfer gefallen sind. Da es sich meist um einfache Partyzelte handelte, hielt sich zumindest die Schadenssumme in Grenzen. Dennoch bedeutet es einen erheblichen Mehraufwand für die Apothekenteams, die Testzelte jeweils morgens auf- und abends wieder abzubauen. Zudem hätte das Feuer bei dem abgebrannten Zelt, wie Abbildung1 zeigt, unter ungünstigen Umständen leicht auf die Apotheke überspringen können.

Deutlich schlimmer traf es eine Apotheke in unmittelbarer Nähe zum Charlottenburger Schloss in Berlin. Dort versuchten Einbrecher zunächst ihr Glück an der Schleuse und richteten erheblichen Schaden an – konnten aber nicht in die Offizin eindringen. Obendrein hatte die Apotheke Pech, dass in unmittelbarer Nähe gerade Pflasterarbeiten stattfanden. Die Täter bedienten sich an den Pflastersteinen und warfen die Schaufensterscheiben ein – der Gesamtschaden beläuft sich auf 15.000€. Auch wenn die in diesem Artikel beschriebenen Übergriffe bisher nicht aufgeklärt wurden, so liegt auch bei der Charlottenburger Apotheke der Schluss nahe, dass die Vandalismusaktion im Zusammenhang mit der Apothekenwerbung für eine gezielte Corona-Testkampagne steht.

Purer Akt von Vandalismus

Der bisher gravierendste Fall von Vandalismus ereignete sich in Hannover-Langenhagen. Dort hatte Apotheker Jan Waldhecker im letzten August ein leerstehendes Ladenlokal als Testzentrum für die Kunden seiner Oliven Apotheken angemietet. Nur einen Monat später fand er sein Testzentrum eines Morgens vollkommen verwüstet vor. Einbrecher hatten sich unter Einsatz roher Gewalt – alle Türen waren aufgebrochen und die Fenster eingeschlagen – Zutritt verschafft. Später stellte sich heraus, dass absolut nichts fehlte, dafür aber alle Gerätschaften und sämtliche Technik zerstört wurde, inklusive Test-Kits oder einem fast neuen Laptop. Die im aufgebrochenen Schrank gelagerten 1.200€ Bargeld wurden nicht entwendet. Nicht nur für Schadenprofis ein klarer Fall von purem Vandalismus.

Um der Technik den Garaus zu machen, hatten sich die Täter des Feuerlöschers bedient: Mit dem Löschpulver zerstörten sie die für das Testzentrum neu angeschaffte Klimaanlage sowie den Raumluftfilter. Solche Pulverlöscher sind im Labor vorgeschrieben, weil sie auch Gasflammen löschen – überall sonst verschlimmern sie den Schaden erheblich. Das mikrofeine Pulver zerstört aber auch Server, Kommissionerantriebe und sonstige Apotheken-Technik. Doch das Ganze schien den Tätern nicht schnell genug zu gehen, weshalb sie gezielt in die Geräte hineinuriniert haben. Der erfahrene Gutachter war darüber fassungslos und gab zu Protokoll:

"Sehr geehrter Herr Waldhecker,

die uns zur Begutachtung überlassenen Geräte weisen eine Vielzahl von Fremdkörpern innenliegend auf. Unter Betrachtung der Arbeitsschutzbestimmungen sowie des Qualitätsmanagements der Apotheke bzw. des Testzentrums ist die Nutzung eines derart kontaminierten Geräts gesundheitsgefährdend. Aus technischer Betrachtung ist eine Reparatur nicht möglich."

Neben solchen Fällen von Vandalismus gibt es im Zusammenhang mit Corona-Testangeboten auch typische Haftpflicht-Fälle: Ein Proband im Raum Celle etwa verletzte sich z.B. leicht an einem etwas unglücklich befestigten Schild – er erhielt 100€ für die zerrissene Hose und weitere 100€ als Schmerzensgeld. Stärkere Körperverletzungen durch Tests hat es wohl noch keine gegeben, und auch fehlerhaft ausgestellte Impfzertifikate haben (zumindest bislang) noch keine nennenswerten Folgen verursacht. Was nicht heißt, dass das auch in Zukunft beim Impfen so bleiben muss.

Boostert Impfen auch die Schadenquote?

Vor dem Hintergrund sich häufender Vandalismusangriffe und dem gerade anlaufenden Impfstart in den Offizinen stellt sich die entscheidende Frage: Werden vandalistische Angriffe auf Apotheken weiter zunehmen, und was kann man als Apothekeninhaber im Zweifel dagegen tun?

Wir haben die wichtigsten Tipps um diese brisante Frage für Sie kompakt zusammengefasst:

  • Stichwort Haftung: Beachten Sie dazu die Hinweise aus dem AWA 24/2021
  • Stichwort Werte: Informieren Sie Ihre Apothekenversicherung vorab, dass und wo Sie testen oder impfen – zwingend immer dann, wenn dieses außerhalb der Apothekenräume stattfindet.
  • Fragen Sie bei Ihrem Versicherer nach, ob Vandalismus auch ohne Einbruch mitversichert ist und klären Sie, ob Mehrfachschäden Ihren Versicherungsschutz gefährden könnten.
  • Zur Schadensbegrenzung empfiehlt es sich, Testzelte und dergleichen immer etwas von der Apotheke entfernt aufzubauen, damit kein Feuer überspringen kann.
  • Werbeständer etc. im Freien sollten immer gesichert sein, um es potenziellen Tätern nicht zu leicht zu machen.
  • Schützen Sie externe Test- und Impfzentren mit soliden Schlössern, Riegeln und Gittern. Das ist eine lohnenswerte Investition.
  • Verbannen Sie Pulver-Feuerlöscher aus Ihren Apotheken, denn diese sind eher Gefahrenherde als nützlich; setzen Sie stattdessen CO2-Löscher ein (Ausnahme: Labor).

Michael Jeinsen, Diplom-Politologe und -Pädagoge, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), IHK-Dozent für Maklerfortbildung, 12209 Berlin, E-Mail: berlin@die-apothekerhelfer.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(03):8-8