Dr. Hubert Ortner
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist Realsatire vom Allerfeinsten: Allen PR-Jubelarien zum Trotz dürfte auch der 1. September als Starttermin für das E-Rezept platzen. Der Grund: Die Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein hat massive Sicherheitsbedenken gegen die Übertragung des E-Rezept-Tokens per Mail – die in der Praxis gängigste Form der Datenübermittlung. Daraufhin hat die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein die Reißleine gezogen, um ihre Ärzte für den Fall eines Datenmissbrauchs aus der Haftung zu nehmen. Bislang waren die Patienten eigenverantwortlich für den Schutz ihrer Muster-16-Vordrucke: Haben sie diese versehentlich verschluckt oder die Toilette hinuntergespült, war das ihr Pech. Damit ist jetzt Schluss: Dank deutschem Datenschutz werden dieselben Bürger, die ihre persönlichen Daten millionenfach Google & Co überlassen, davor geschützt, dass ihr böser Nachbar ihnen den QR-Code für den Beta-Blocker klaut und dem KGB übermittelt. Wie beruhigend: Selbst wenn alle anderen Wertschöpfungs-Verhinderungsinstanzen wie Beamte, Gematik oder Gewerbeaufsichtsamt versagen – auf die Datenschützer ist Verlass!
Besonders peinlich an dem Ganzen ist, dass es auch noch andere digitale Wege einer sicheren Übertragung der E-Rezept-Token gibt bzw. geben würde – nämlich die Gematik-App, die elektronische Patientenakte (ePA) sowie den TI-Maildienst KIM. Aber – man traut es sich kaum auszusprechen – keiner dieser Wege funktioniert bislang! Das bedeutet, dass bis auf Weiteres wahrscheinlich 99% der E-Rezepte ausgedruckt und per pedes zur nächsten Offizin getragen werden. Was für ein gewaltiger Innovationsschub: Digitalisierung at it’s best! Oder doch eher Realsatire – wenn es nur nicht so traurig wäre ...
Es grüßt Sie herzlichst
Ihr
Dr. Hubert Ortner
Ihre Zugangsdaten
Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AWA-Abonnent?
Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.