Drohende Energie- und Dunkelflaute

Sinnvolle Öffnungszeiten in der Krise


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Droht ein historischer Energienotstand? Allerlei Varianten werden durchgespielt, bis hin zu staatlichen Eingriffen in die Energieverteilung. Nicht nur die Heizung könnte temporär kälter oder gar kalt bleiben, auch die Ladenzeiten an sich werden zur Disposition stehen.

Der Autor erinnert sich noch gut an Zeiten strikter Ladenschlussgesetze. Unter der Woche war um 18.30 Uhr "Schicht im Schacht". Erste Liberalisierungsbestrebungen waren Ende 1989 der gern verächtlich "Schlado" genannte "lange Donnerstag" bis 20.30 Uhr. Das Aufkommen hunderter Einkaufscenter mit expandierenden Ladenflächen in den 1990er und frühen 2000er Jahren half, die Ladenschlusszeiten bis auf die Feiertage im Wesentlichen zu schleifen. Faktisch haben aber Kaufkraft, Umsätze und erst recht die Erträge nicht so stark zugenommen wie die Flächenstunden (= Quadratmeter Ladenfläche mal Öffnungsstunden). Die Rentabilität geriet durch immer mehr "Kunden-Convenience" und Angebotsausweitung unter Druck, seit den 2000er Jahren auch durch den Online-Handel – übrigens Gründe, warum die Löhne im Einzelhandel denen in der Industrie hinterherhinken.

Betriebswirtschaftlich ist die Sache klar: Auslastungs- und Flächenoptimierung! Man ermittelt die maximal noch gut durchsetzbare Kundenfrequenz und passt die Öffnungszeiten daran an, begrenzt also das Angebot. In Mangellagen und bei geringer Wettbewerbsintensität ist dies machbar. Die Energiekrise (plus Corona?) kann ganz neue Lockdown-Szenarien auf den Plan rufen. Wir erleben zudem, dass Kunden ihre Ansprüche zurückschrauben, ja zufrieden sind, überhaupt noch das Nötigste zu bekommen. Im Moment vollzieht sich tatsächlich eine Zeitenwende, vielleicht nur eng begrenzt, womöglich langfristig, wenn die akuten Verwerfungen in einen (Klima- und Öko-)Dauerkrisenmodus übergehen. Einige sehnen das herbei. Deswegen gilt es, diese Zeitenwende zumindest auf Planebene zu antizipieren: Nicht immer mehr, sondern weniger Angebot! "Reduce to the Max", also Fokussierung auf das versorgungspolitisch Wesentliche. Hierfür brauchen Sie eine Entscheidungsbasis, sprich Daten.

Bestandsaufnahme Kundenfluss

Eine Frequenzanalyse nach Öffnungsstunden und Wochentagen zeigt die Spitzen- und Schwachlastzeiten. Idealerweise sehen Sie, welche Roherträge in welcher Stunde anfallen (Kassensysteme können das). Sie sollten wissen, wie viele Kunden Sie maximal ohne Probleme durchschleusen können; das hängt neben der Personalverfügbarkeit maßgeblich von der Zahl der Kassenplätze ab: Wie viele Kunden schaffen Sie da? Im Einkaufscenter erheblich mehr als im Ärztehaus!

Damit ergibt sich ihre Vollauslastung. Dass Corona massiv hineinfunken kann, sei jetzt außen vor – dann heißt es wieder Warten vor der Tür. Auch hier sollten Sie den Maximaldurchsatz kennen.

Nun das Entscheidende: Wie viele Stunden benötigen Sie für Ihre jetzige Tageskundenzahl bei Vollauslastung? Und wie lange haben Sie dagegen offen? Die Differenz markiert das maximale Zeitsparpotenzial. Die Gretchenfrage: Gelänge es, mindestens 95% der Kunden (etwas Schwund ist immer) auf solche reduzierten Öffnungszeiten zu konzentrieren?

Energie- und Sachkosten

Unterteilen Sie nun Ihren Energiebedarf in einen beeinflussbaren, von den Öffnungszeiten abhängigen Teil (Beleuchtung, überwiegende Teile der IT, Kommissionierautomat, Warmwasserverbrauch) und eher unabhängige Teile.

Die Klimatisierung z.B. hängt erstaunlich wenig von den Betriebszeiten ab. Zwar können Sie im Winter über Nacht bzw. das Wochenende die Temperaturen etwas absenken (spart einige Prozent), aber mit Augenmaß, denn ein zu starkes Auskühlen bedeutet nur wieder einen hohen Aufheizaufwand am nächsten Morgen. Zudem müssen Sie winters auf Bildung von Kondenswasser mit allen Folgen achten bis hin zu Schimmel - in der Apotheke fatal (Stichwort Taupunkt, mit günstigen Feuchte-Messgeräten lassen sich kritische Bereiche analysieren). Im Sommer müssen maximal 25°C jederzeit eingehalten werden.

Am Ende sollten Sie grob beziffern, wie viele Kilowattstunden welches Energieträgers zu welchem Preis mit jeder entfallenden Öffnungsstunde gespart werden könnten. Meist sind das, zu Vor-Krisen-Tarifen, Beträge deutlich unter 5 € je Stunde, bisweilen nur um 2 €, demnächst aber mehr.

Sachkosten fallen gern kundenabhängig an, verändern sich also bei reduzierten Öffnungszeiten und ähnlichen Kundenzahlen kaum. Geräte und die IT unterliegen einer betriebsstundenabhängigen Abnutzung. So kann man eine Gesamtnutzungsdauer definieren (gern 10.000 bis 25.000 Stunden) und die Anschaffungskosten darauf verteilen. Typischerweise sind das in der Apotheke einige wenige Euro je Stunde.

Personalkosten

Am bedeutsamsten ist der Personaleinsatz. Wie hoch sind Ihre Personalkosten je Betriebsstunde bei üblicher Besetzung? Zusammen mit den Energie-/Sachkosten (siehe oben) erhalten Sie die Kosten je Öffnungsstunde. Dividiert durch den erwirtschafteten Ertrag je Kunde (der je nach Tageszeit streut, Rezepte werden zu gewissen Zeiten mehr eingelöst) ergibt sich die nötige Kundenzahl. Besonderes Augenmerk gilt den Randstunden; gewisse Kosten (Mindestbesetzung!) können eben nicht unterschritten werden. Erreichen Sie die nötige Kundenzahl regelhaft nicht, legen Sie drauf. Das lässt sich quantifizieren und aufs Jahr hochrechnen. Simulationen zeigen, dass schnell sehr deutlich fünfstellige Beträge an Ertrag im Raum stehen.

Grundsätzlich immer stellt sich die Frage nach der Auslastung: Passt der Personaleinsatz zur Kundenfrequenz? Hier winkt ebenfalls beträchtliches Potenzial. Abbildung 1 fasst das Vorgehen zusammen.

Strategisches

Es macht keinen Sinn, wenn Sie Ihre Öffnungszeiten reduzieren, die Konkurrenz aber nicht, sondern im Gegenteil diese vermeintliche Schwäche ausnutzt und das Marketing ausbaut. Hier ist Kollegialität vor Ort gefragt! Womöglich ist es aber der Gesetzgeber, der allen Einschränkungen auferlegen könnte.

Für Center-Apotheken ist die meist im Mietvertrag auferlegte Betreiberpflicht mit Kernzeiten einschlägig – schauen Sie nach bzw. suchen Sie das Gespräch mit dem Vermieter. Kommen Sie zu dem Schluss, die Öffnungszeiten zu kappen, kommunizieren Sie das frühzeitig. Achten Sie unbedingt auf diesbezüglich aktuelle Internet-Daten! Machen Sie es zudem den Kunden durch Vorbestelloptionen, diverse Abholvarianten (Abholfächer?) und Botendienste möglichst leicht, Ihnen die Treue zu halten.

Zu guter Letzt: Vieles hat sich kostenträchtig in den Alltag eingeschlichen und kann auf den Prüfstand. Muss ein Zugaben-Overkill jetzt noch sein? Kann man das nicht intelligent (ohne die Kunden zu sehr zu vergraulen) reduzieren bzw. fokussieren auf wirklich Interessierte, Bedürftige und Menschen, die eine Aufmunterung nötig haben?

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(17):4-4