Umgang mit schlechten Online-Bewertungen

So gewinnen Sie den Krieg der Sterne


Simon Nattler

Bewertungen im Internet sind längst keine unwichtige Spielerei, sondern haben einen hohen Einfluss auf das Kaufverhalten der Menschen. Was aber tun, wenn Ihre Apotheke schlechte Rezensionen erhält, vielleicht sogar zu Unrecht? Wir geben Ihnen praxisnahe Tipps.

Um den Krieg der Sterne in Form schlechter Online-Bewertungen zu gewinnen, sollten Sie gut gerüstet sein... (© AdobeStock/nnerto)

"Weißt Du, wie viel Sternlein stehen?" Wenn Sie es nicht wissen – Ihre Kunden wissen es ganz genau. Seit Amazon 1995 das Sternesystem zur Bewertung von Produkten erfunden hat, hat sich diese Art der schnellen Meinungsäußerung weltweit durchgesetzt. Für Apotheken sind neben der Bewertung als Arbeitgeber auf kununu insbesondere die Kundenrezensionen bei Google entscheidend.

Der Erfolg der Sterne-Bewertungen liegt in unserer Natur begründet: Menschen glauben gerne anderen Menschen. Der Unterschied zur klassischen Mund-zu-Mund-Propaganda liegt allerdings auf der Hand: Redet ein Kunde am Gartenzaun schlecht über Ihre Apotheke, bekommen es nur wenige Menschen mit. Schreibt er jedoch eine Rezension im Internet, wird diese gespeichert und beeinflusst damit im schlimmsten Fall jahrelang tausende Interessenten. Studien zeigen: Schon eine einzelne 1-Sterne-Rezension kann Menschen von einer Bewerbung oder einem Einkauf in Ihrer Apotheke abhalten. Es geht also um nichts weniger als Ihren Ruf!

Dazu kommt gerade bei Google noch eine andere Dimension: Das Kundenfeedback fließt mit Anzahl und Bewertungsstufe direkt in die lokalen Suchergebnisse mit ein. Je mehr positive Rezensionen Ihre Apotheke erhält, desto prominenter wird Nutzern Ihre Apotheke in den Suchergebnissen angezeigt. Der genaue Algorithmus dabei ist geheim. Rein mathematisch betrachtet benötigen Sie für jede Bewertung mit nur einem Stern jedoch zehn 5-Sterne-Bewertungen, um wieder einen akzeptablen Gesamtdurchschnitt zu erhalten. Dieser sollte im besten Fall immer zwischen 4,3 und 4,8 liegen. Noch höhere Werte erscheinen kritischen Verbrauchern schnell manipuliert. Hin und wieder eine schlechte Bewertung zu erhalten ist daher nicht nur unvermeidbar, sondern erhöht auch die Glaubwürdigkeit. Dazu ist jede Beschwerde eine Chance, die Professionalität Ihrer Apotheke zu beweisen. Denken Sie daran: Auch potenzielle Bewerber lesen sich diese Bewertungen ganz genau durch!

Bleiben Sie diplomatisch

Panik ist insofern nicht angebracht, wenn Sie eine Online-Kritik entdecken, beantworten sollten Sie diese dennoch zügig. Um als Unternehmen überhaupt reagieren zu können, müssen Sie sich bei Google MyBusiness registrieren. Der Eintrag der Apotheke existiert dort meistens schon, sodass Sie dieses Profil nur "beanspruchen" und sich verifizieren müssen. Ist das erledigt, lautet Regel Nr. 1: Bleiben Sie cool und sachlich! Lassen Sie sich nicht spontan zu emotionalen Kontern hinreißen, denn diesen "Krieg der Sterne" können Sie nicht gewinnen. Atmen Sie gerade bei unverschämten Rezensionen zunächst durch und nehmen Sie es nicht persönlich. Prüfen Sie dann im Team, ob die Behauptung den Tatsachen entspricht. War die Situation unvermeidbar oder ist vielleicht tatsächlich etwas schiefgelaufen? Denken Sie daran: Die Rezension spiegelt immer (nur) das persönliche Empfinden des Kunden wider, und stellt den Sachverhalt nicht objektiv dar. Selbst der wunderschöne Eiffelturm erhält schlechte Bewertungen, weil es auf der Spitze windig ist.

Bei der Prüfung ist eine gute Fehlerkultur im Team hilfreich, um etwaige Schwachstellen schnell zu identifizieren. In den meisten Fällen liegt zumindest ein Mitverschulden der Apotheke vor, weil dem Kunden der Sachverhalt nicht klar genug erläutert wurde. Die Top-3-Google-Beschwerden für Apotheken handeln daher meist von

  • Medikamenten, die aktuell nicht lieferbar oder nicht vorrätig sind,
  • der Weigerung, ein verschreibungspflichtiges Medikament ausnahmsweise ohne Rezept herauszugeben (obwohl der Kunde seit Jahren Stammkunde ist …) sowie
  • der Unfreundlichkeit einzelner Mitarbeiter.

Für die ersten beiden Fälle sollten Sie vorbeugend einen Leitfaden in der Kommunikation etablieren, mit dem Ihr Team den Kunden noch in der Apotheke umfassend aufklärt. Zeigen Sie ihm, dass Sie die Dringlichkeit seines Anliegens gut verstehen, aber nicht der Schuldige sind. Wenn möglich, lassen Sie den Kunden in seiner (gefühlten) Notsituation jedoch nicht gänzlich ohne Lösung ziehen, indem Sie z.B. mit Ärzten telefonieren oder Alternativen heraussuchen. Dadurch schlägt die vorherige Wut nicht selten in Anerkennung um.

Kommt es doch zu einer negativen Rezension, sollten Sie nach einer kurzen Verschnaufpause zeitnah, sachlich und authentisch reagieren. Ein guter Start ist es, mit einem "Danke für Ihr Feedback" Ihre Wertschätzung dem Kunden gegenüber zu zeigen. Argumentieren Sie anschließend auf der Sachebene und gehen Sie dabei genau auf die Beschwerde ein. Entschuldigen Sie sich nur, wenn Sie oder ihr Team wirklich einen Fehler gemacht haben, und versprechen Sie interne Klärung. Nennen Sie betroffene Mitarbeiter allerdings niemals öffentlich beim Namen! Geht es dagegen um die aktuell angespannte Liefersituation, erklären Sie diese ohne Schuldeingeständnis. Fassen Sie sich kurz, verwenden Sie Worte, die der Kunde versteht, und untermauern Sie Ihre Argumentation möglichst mit Fakten.

Wenn Sie aus der Rezension oder dem Namen des Google-Profils erkennen können, um welchen Kunden es sich handelt, ist es häufig eine gute Idee, diesen zusätzlich telefonisch zu kontaktieren. Viele Kunden sind erstaunt, dass Sie sich die Zeit dazu nehmen. Nicht selten bewegt es sie dazu, ihre Rezension nochmal zu überdenken und sogar auf die Bestnote zu verschieben. Denken Sie daran: Es geht immer um die subjektive Empfindung. Wichtig bleibt, dass Sie auf eine parallele Antwort auf Google niemals verzichten sollten, damit auch die anderen Online-Besucher Ihr Engagement erkennen können.

Wenn Sie den Kunden nicht identifizieren können, bietet es sich an, ihn zum erneuten Kontakt aufzufordern, allerdings außerhalb des Bewertungssystems. Schreiben Sie bei kritischen Rezensionen daher Ihre E-Mail-Adresse und Telefonnummer dazu, und nennen Sie Ihren Namen und Ihre Position (Inhaber, Filialleiter …). Das zeigt dem Kunden, dass Beschwerden bei der richtigen Person angekommen sind.

Identifizieren Sie Schwachpunkte

Erhalten Sie regelmäßig schlechte Bewertungen, sollten Sie es sich nicht zu einfach machen und Google dafür verdammen. Sehen Sie es im Gegenteil als Chance! Während sich negative Mundpropaganda früher unbemerkt verbreiten konnte, machen die Bewertungen die Probleme Ihrer Kunden heute direkt sichtbar. Trotzdem versuchen einige Unternehmen, den früheren Zustand wiederherzustellen, indem sie ihren Google MyBusiness-Zugang löschen. Das sollten Sie lieber lassen! Für das Profil Ihrer Apotheke können in diesem Fall nämlich weiterhin Bewertungen abgegeben werden. Sie berauben sich nur der Möglichkeit, auf die Rezensionen zu antworten.

"Schon eine einzelne 1-Sterne-Rezension kann Menschen von einer Bewerbung oder einem Einkauf abhalten. Panik ist dennoch nicht angebracht. Denn selbst der wunderschöne Eiffelturm erhält schlechte Bewertungen, weil es auf der Spitze windig ist …"

Ein Sonderfall liegt vor, wenn die Bewertung nachweisbar unwahre oder sogar beleidigende Behauptungen enthält. Dazu besitzen alle Bewertungsportale eine Melden-Funktion, die jedoch häufig ins Leere läuft. Wirkungsvoller ist im Zweifel das Einschalten eines darauf spezialisierten Anwalts, der vorab auch schnell die Chancen für einen Einspruch bewerten kann.

Schlechte Bewertungen sind daher kein Weltuntergang und können Ihre Position als engagiertes, regionales Unternehmen sogar festigen. Eine gute Idee ist es, dass Sie Ihre zufriedenen Stammkunden in der Apotheke aktiv ansprechen und um eine 5-Sterne-Bewertung bitten. Im besten Fall verteilen Sie dazu Rezensionskarten mit direktem Link zur Bewertungsseite (als QR-Code). Vermeiden Sie dabei, eine Gegenleistung in Form von Gutscheinen oder anderen Boni in Aussicht zu stellen, da dies bei beinahe allen Bewertungsportalen gegen die Richtlinien verstößt. Ist Ihr Bewertungsprofil anschließend prall gefüllt, können Sie später einzelne schlechte Bewertungen mühelos wegstecken.

Simon Nattler, Apotheker, Berater und Gründer der apocollect Team-Software, 45896 Gelsenkirchen, E-Mail: inbox@apocollect.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(17):6-6