Künstliche Intelligenz in der Vermögensverwaltung

Robo Advisor oder Mensch: Wer ist besser?


Thomas Hammer

Robo Advisors, bei denen ein Indexfonds-Portfolio mithilfe von Computeralgorithmen gemanagt wird, konnten zuletzt viel Zuspruch verzeichnen. Die digitale Vermögensverwaltung punktet insbesondere bei Mindestanlage und Kosten, hat jedoch auch ihre Tücken.

Die digitale Vermögensverwaltung, bei der die Wertpapierauswahl auf Basis von statistischen Daten und Prognosemodellen getroffen wird, zählt zu den am schnellsten wachsenden Segmenten in der Finanztechnologie. So genannte "Robo Advisors", bei denen die Entscheidung über Kauf und Verkauf von Wertpapieren nicht mehr von Investmentmanagern, sondern vom Computer getroffen wird, verwalten laut dem Statistikportal Statista in Deutschland inzwischen gut 20 Mrd. € an Anlegerkapital. Damit hat sich das Marktvolumen im Lauf der letzten drei Jahre mehr als verfünffacht.

Anlageentscheidung per Algorithmus

Beim Robo Advisor handelt es sich um eine automatisierte Form der Vermögensverwaltung auf der Basis von Wertpapieren. Möglich gemacht wurde die neue Technologie durch den rasanten Anstieg der IT-Kapazitäten bei Prozessorleistung und Datenvolumen. Denn: Voraussetzung für eine fundierte digitale Kapitalmarktprognose ist, dass die Software zuvor mit einer großen Menge an Wirtschafts- und Finanzdaten gefüttert wurde und diese in komplexen Algorithmen bewerten und interpretieren kann. Auf Basis historischer Erfahrungswerte errechnet der Robo Advisor, ob Umschichtungen erforderlich sind, oder ob die einzelnen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe neu gewichtet werden sollen. Die Kauf- und Verkaufssignale werden dann entweder direkt vom System oder von einem Investmentteam in Form von Börsenorders umgesetzt.

Um die Komplexität so gering wie möglich zu halten, setzen Robo Advisors auf passive Indexfonds (ETFs), die auf eine aktive Einzeltitelauswahl verzichten und lediglich einen bestimmten Aktien- oder Anleihenindex abbilden. Außerdem bieten sie nur eine begrenzte Anzahl an vordefinierten Anlagestrategien an. Diese unterscheiden sich in der Regel durch das Anlagerisiko: Konservative Strategien enthalten hohe Anteile an Anleihen-ETFs, während risikoorientierte Strategien vorrangig auf Aktien setzen. Darüber hinaus lassen sich bei einigen Anbietern auch Anlagestrategien mit nachhaltigen ETF-Mischungen einrichten. Entwickeln sich die Renditen der einzelnen Anlageklassen unterschiedlich, erfolgt ein "Rebalancing", um durch Umschichtungen das ursprüngliche Verhältnis von Aktien und Anleihen wieder herzustellen.

Neben den Robo Advisors von Bankkonzernen wie Cominvest (Commerzbank) oder Visualvest (Genossenschaftsbanken) agieren am Markt auch eigenständige Anbieter wie Scalable Capital, die von Risikokapitalgebern finanziert werden. Insgesamt sind in Deutschland derzeit gut 20 Robo Advisors aktiv. Die größten davon sind mit einem verwalteten Anlagevolumen von jeweils mehr als 1 Mrd. € Visualvest, Scalable Capital, Raisin Invest und Cominvest. Da die Einsparung von Personalkosten bei Anlagemanagement und Analyse für die Anbieter eine vergleichsweise günstige Kostenstruktur mit sich bringt, konkurrieren sie vor allem im Einstiegssegment mit den bisherigen Standardangeboten der fondsbasierten Vermögensverwaltung.

Mindestanlage und Kosten

Interessant für Einsteiger sind die oft sehr niedrigen Mindestanlagesummen, die etwa bei Visualvest nur 500 € oder bei Scalable 1.000 € für die Einmalanlage betragen. Auch monatliche Sparpläne mit kleinen Beträgen sind bei vielen Anbietern möglich. Das bietet Anlegern die Möglichkeit, mit einem begrenzten Budget erst einmal auszuprobieren, ob die digitale Vermögensverwaltung zu ihnen passt.

Schlank sind auch die Kosten, die von den digitalen Vermögensverwaltern aufgerufen werden. Scalable berechnet 0,75% des angelegten Betrags für Verwaltung und Handel, bei Cominvest sind es 0,95%. Hinzu kommen noch die Verwaltungsgebühren der ETFs, die mit durchschnittlich rund 0,2% sehr moderat ausfallen. Zum Vergleich: Die HypoVereinsbank verlangt für die klassische Vermögensverwaltung auf Fondsbasis eine Mindestanlage von 25.000 € und berechnet pro Jahr 1,44%, mindestens jedoch 348 € als Verwaltungsgebühr. Hinzu kommen noch die internen Kosten der Zielfonds.

Wer in die digitale Vermögensverwaltung einsteigt, verzichtet auf individuelle Beratung und muss die Chancen und Risiken selbst einschätzen. Weil der Finanzdienstleister in solchen Fällen über die Risiken einer Kapitalanlage aufklären muss, müssen private Anleger vor der Eröffnung eines Depots bei einem Robo Advisor umfangreiche Fragebögen zu ihrer Risikobereitschaft, ihren finanziellen Verhältnissen und ihren Kenntnissen über Wertpapieranlagen ausfüllen.

Wenn die Eröffnung des Wertpapierdepots samt dazugehörigem Verrechnungs-Tagesgeldkonto über das Internet erfolgt, muss sich der neue Kunde zunächst legitimieren. Dies erfolgt entweder über das PostIdent-Verfahren oder über VideoIdent.

Vor- und Nachteile digitaler Vermögensverwaltung

Die Vorteile des ETF-basierten Robo Advisors liegen ganz klar auf der Kostenseite, denn die jährlichen Gesamtkosten sind in Bezug auf das Anlagevermögen häufig um rund einen Prozentpunkt günstiger als bei der klassischen Vermögensverwaltung auf Basis aktiv gemangter Investmentfonds. Das erscheint zunächst wenig, kann aber auf lange Sicht zum entscheidenden Renditefaktor werden. Denn: Für Vermögensverwalter und Fondsmanager ist es äußerst schwierig, bei der Rendite über einen längeren Zeitraum um einen Prozentpunkt besser als der Marktdurchschnitt abzuschneiden.

Der zweite Vorteil liegt in den niedrigen Einstiegshürden, da die Anlage bereits mit vierstelligen Beträgen oder kleinen monatlichen Sparraten möglich ist. Davon profitieren weniger betuchte Anleger, Berufseinsteiger oder diejenigen, die mit einem kleinen Teil ihres Gesamtvermögens das neuartige Anlageinstrument einfach mal ausprobieren wollen.

Ein Nachteil ist hingegen, dass sich die Vermögensverwaltung lediglich auf den Wertpapieranteil des Gesamtvermögens beschränkt und eine ganzheitliche Beratung fehlt. Wichtige Fragen in der Finanzplanung – etwa die Berücksichtigung des Immobilienvermögens, die Liquiditätsplanung oder grundlegende Vorsorgestrategie – lässt der digitale Wertpapiermanager unbeantwortet. Für diese Bereiche müssen Anleger entweder einen zusätzlichen Berater einschalten, oder sich selbst schlau machen.

Bei den Renditezahlen zeichnet sich in den ersten Jahren nach dem Markteintritt ein differenziertes Bild ab: Je nach Anbieter und Marktsituation können selbst bei vergleichbarer Anlagestrategie die Wertentwicklungen stark schwanken – offenbar interpretieren die Algorithmen die Marktdaten auf recht unterschiedliche Weise (siehe Tabelle 1).

Angesichts der niedrigen Mindestanlagen erscheint es somit sinnvoll, gleich bei der Erstanlage das Anlagekapital auf mehrere Anbieter aufzuteilen und somit auch das Interpretationsrisiko der Algorithmen zu diversifizieren.

Thomas Hammer, Freier Wirtschaftsjournalist, 75443 Ötisheim, E-Mail: th@hammertext.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(19):12-12