Von der Probearbeit über die Probezeit bis hin zum Einarbeiten

Vorsicht bei der Wortwahl!


Dr. Uwe Schlegel

Bei Rechtsfragen kommt es meist auf die richtige Wortwahl an. So finden sich in der Dachzeile oben gleich drei ähnlich klingende Worte, die aber rechtlich ganz unterschiedlich einzuordnen sind. Wir erklären Ihnen, wie Sie den juristischen Fallstricken rund um Probearbeit & Co. entkommen.

Bitte keine Probearbeit!

Das Wort Probearbeit klingt harmlos. Und der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer die Gelegenheit geben möchte, den Betrieb im Rahmen einer Probearbeit näher kennenzulernen, denkt sich wahrscheinlich nichts Böses dabei. Aber aufgepasst! Probearbeit heißt häufig Arbeitsverhältnis und das bedeutet Tarif- bzw. Mindestlohn sowie die Anmeldung zur Sozialversicherung. Vom Nachweisgesetz, das seit dem 01.08.2022 zu beachten ist, ganz zu schweigen. Das ist zwar weder vom Arbeitgeber gewollt, noch wird es vom Arbeitnehmer erwartet. Denn regelhaft ist sich keiner der beiden seiner Rolle als Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer bewusst. Aber darauf kommt es nicht an.

Richtig schlimm wird es in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer juristisch besser ausgebildet ist als der ihn beschäftigende Betriebsinhaber bzw. Verantwortliche, denn dann beginnt oft ein grausames Spiel. Nachdem der Bewerber im Rahmen der Probezeit eindrucksvoll gezeigt hat, dass er keine ausreichenden Qualitäten für den angestrebten Job besitzt und deshalb ohne schriftlichen Arbeitsvertrag nach Hause geschickt wird, verweist der Bewerber auf die Existenz eines bereits mündlich zustande gekommenen Arbeitsvertrages. Und das zu Recht! Denn durch die verabredete Probearbeit wurde – wie bereits erwähnt – häufig ein Arbeitsverhältnis begründet. Zwar nur mündlich, und nicht schriftlich – aber das ist egal.

Wenn nun der von der bisherigen Arbeitsleistung des Jobanwärters enttäuschte Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer wieder loswerden möchte, muss er das bestehende Arbeitsverhältnis kündigen. Das geht in aller Regel nur über eine ordentliche, das heißt fristgemäße Kündigung. Und da eine Probezeit nicht verabredet war, beträgt die Kündigungsfrist nach dem Gesetz vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Findet die Probearbeit also beispielsweise am 20. und 21. eines Monats statt, bleibt nur eine Kündigung zum Ende des darauffolgenden Monats. Und wegen des einen vollen Monats, den das Arbeitsverhältnis bestanden hat, steht dem Arbeitnehmer letztendlich auch noch ein Urlaubsanspruch von 1/12 des Jahresurlaubs zu!

Alles keine guten Nachrichten für unseren Arbeitgeber, der gar keiner sein wollte. Lediglich dann, wenn sich der Bewerber trotz Arbeitspflicht nicht mehr beim Arbeitgeber meldet, kommt letzterer meistens um die Vergütungspflicht herum. Was also tun? Wie hätte man es besser machen können?

Einfühlen statt Probearbeit

Wer einen Bewerber darauf überprüfen möchte, ob er zum Unternehmen passt (und umgekehrt), der macht etwas, das sich vielleicht unanständig anhört, aber rechtlich ganz und gar einwandfrei ist: Das wechselseitige Kennenlernen als Vorstufe zu einem etwaig späteren Arbeitsverhältnis nennt der Jurist – genauer der Arbeitsrechtler – ein "Einfühlungsverhältnis". Die Aufgabe ist es also, ein solches Einfühlungsverhältnis zu verabreden. Die Vorteile eines solchen Vorgehens:

  • kein Arbeitsverhältnis,
  • kein Mindestlohn,
  • keine Anmeldung zur Sozialversicherung

Und wenn es nicht passt, dann schickt man den "Einfühler" einfach nach Hause. Aber aufgepasst: Einfühlen heißt kennenlernen und das geht nicht, wenn der Bewerber in einen Dienstplan eingetragen wird und reguläre Arbeit leisten muss. Denn dann haben wir es wieder mit einem Arbeitsverhältnis zu tun, und das ist – wie gezeigt – regelmäßig nicht gewollt.

Überschätzte Probezeit

Die Probezeit wird in ihrer rechtlichen Bedeutung regelmäßig kolossal überschätzt. Der einzige nennenswerte Vorteil einer Probezeit besteht in der Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb einer recht kurzen Frist beenden zu können. Nach dem Gesetz beträgt die Kündigungsfrist 14 Tage. Die Kündigung kann zum Ende eines jeden Tages ausgesprochen werden. Im Vergleich dazu beträgt die Kündigungsfrist für den Fall, dass keine Probezeit vereinbart wurde, wie gesagt, vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Monats. Also kein großer Unterschied. Und was ist mit dem Kündigungsschutz? Mit diesem hat die Probezeit rein gar nichts zu tun! Das weiß jeder, der einmal versucht hat, einer schwanger gewordenen Mitarbeiterin ggf. in der Probezeit zu kündigen. Oder einer Mitarbeiterin, die im bereits schwangeren Zustand ihren ersten Arbeitstag hatte. Einer Schwangeren kann man grundsätzlich nicht kündigen, Probezeit hin, Probezeit her.

Schwammige Formulierung

Achtung: Nach §15 Abs. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) muss bei einem befristeten Arbeitsverhältnis die Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Diese Bestimmung im TzBfG ist relativ neu – sie stammt aus diesem Jahr. Ob demnach bei einem "nur" auf sechs Monate angelegten, befristeten Arbeitsverhältnis eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart werden darf, ist noch nicht abschließend geklärt.

Genauso wenig klar ist, wie denn die mögliche Höchstdauer überhaupt berechnet werden soll. In jedem Fall gilt: Eine Probezeit von mehr als sechs Monaten ist in aller Regel nicht wirksam vereinbar.

Zum Schluss: Das Einarbeiten

Zum Schluss noch einige Sätze zum Einarbeiten eines neues Arbeitnehmers. Viele Arbeitgeber wissen es, manche aber nicht: Das Einarbeiten ist selbstverständlich nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich und rechtfertigt unter keinen Umständen eine Vergütung unterhalb des gesetzliche Mindestlohns bzw. Tarifentgelts.

Im Übrigen gilt auch hier das bereits erwähnte Nachweisgesetz in seiner ab 01.08.2022 maßgeblichen Fassung. Demnach sollte – etwas vereinfacht – bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung ein vollständiger, den Anforderungen des geänderten Nachweisgesetzes entsprechender Arbeitsvertrag in schriftlicher Form vorliegen. Schriftlich heißt, dass er zumindest vom Arbeitgeber unterschrieben sein muss. Ein Telefax, eine Mail mit Anhang, eine WhatsApp mit abfotografiertem Arbeitsvertrag reichen nicht aus. Das Arbeitsrecht ist leider (noch) nicht digitalisiert!

Achtung: Unternehmen Sie auf keinen Fall den Versuch, die Einarbeitung rechtlich als Praktikum auszugestalten! Das Einarbeiten in ein Arbeitsverhältnis und ein Praktikum sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Nützliche Praxistipps zur Probezeit

Praxistipp 1: Wer eine Probezeit vereinbaren möchte, nutzt dazu beispielsweise folgende Formulierung: "Das Arbeitsverhältnis wird auf unbestimmte Zeit eingegangen. Die ersten [meistens sechs] Monate gelten als Probezeit. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB) gekündigt werden."

Praxistipp 2: Bitte denken Sie einmal sorgfältig darüber nach, ob die Probezeit wirklich eine gute Idee ist, zumal deren rechtliche wie praktische Bedeutung gering ist und diese insbesondere mit dem Kündigungsschutz nichts zu tun hat. Warum also nicht einfach mal auf die Probezeit verzichten? Das muss ja nicht bei jedem Neuankömmling sein. Insbesondere dann, wenn Sie glauben, jemanden richtig Gutes gefunden zu haben, könnte die fehlende Probezeit ein erfolgreiches "Verkaufsargument" für die Arbeit bei Ihnen sein. Ihre Mitbewerber werden das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Angebot haben!

Service

Download Mustervereinbarung über ein Einfühlungsverhältnis (doc)

Dr. Uwe Schlegel, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der ETL Rechtsanwälte GmbH, 51107 Köln E-Mail: uwe.schlegel@etl.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(19):14-14