Esther Stollenwerk
Die Rechtsgrundlage für das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz ist das Arbeitsschutzgesetz. Hiernach sind Arbeitsbedingungen und -tätigkeiten so zu gestalten, dass "eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird" (ArbSchG §4 Abs. 1). Seit 2013 nennt das Gesetz explizit auch psychische Belastungen als mögliche bzw. zu prüfende Gefährdungen (ArbSchG §5 Abs. 6).
Kurzum: Als Apothekenleiter sind Sie gesetzlich dazu verpflichtet, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz Ihrer Beschäftigten zu gewährleisten und zu verbessern. Und damit auch die psychischen Gefährdungen zu erfassen, zu bewerten und mögliche Belastungen zu reduzieren.
Was im ersten Moment vielleicht sehr reglementiert und nach viel Arbeitsaufwand klingt, muss es in der Praxis aber tatsächlich gar nicht sein. Denn das Gute bei der Umsetzung in einer kleinen Einrichtung wie der Apotheke ist: Sie haben bereits einen guten Überblick über die betrieblichen Abläufe und können in den direkten Austausch mit Ihren Mitarbeitern gehen. Hinzu kommt: Als Apothekeninhaber oder -leiter haben Sie den nötigen Freiraum, ihr konkretes Vorgehen bei der Gefährdungsbeurteilung an die Anforderungen der eigenen Apotheke anzupassen.
Und Sie können mit der Umsetzung der psychischen Gefährdungsbeurteilung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Denn: Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist – richtig genutzt – sehr viel mehr als nur eine gesetzliche Verpflichtung. Es ist für Sie als Arbeitgeber vor allem eine Chance, gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern positive Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen, -prozessen und dem Miteinander herbeizuführen. Damit sorgen Sie letztlich dafür, dass alle langfristig gut, gesund und gerne in Ihrer Apotheke arbeiten.
Doch wie können Sie diese Chance richtig nutzen? Und was sind eigentlich psychische Belastungen?
Was sind psychische Belastungen?
Es gibt eine Vielzahl von psychischen Belastungen, denen wir tagtäglich privat und beruflich ausgesetzt sind. Bezogen auf die Arbeit sind das z.B. ein hoher Zeitdruck, Lärm, emotional belastende Situationen mit Kunden, Konflikte innerhalb des Teams oder mit dem Vorgesetzten usw. Wichtig dabei ist, dass eine psychische Belastung zunächst neutral ist.
Tatsächlicher Handlungsbedarf besteht erst dann, wenn die psychische Belastung eine negative Auswirkung auf die Gesundheit hat, sprich zur Beanspruchung wird. Wann eine psychische Belastung tatsächlich zu einer Beanspruchung wird, kann von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich ausfallen und hängt von verschiedenen persönlichen Voraussetzungen ab.
So geht's – die Gefährdungsbeurteilung als Prozess
Die Gefährdungsbeurteilung ist keine einmalige "Hauruck-Aktion", sondern als kontinuierlicher Verbesserungsprozess angelegt. Es geht darum, sich gemeinsam mit Ihren Beschäftigten zu den möglichen Belastungsfaktoren in Ihrer Apotheke systematisch auseinanderzusetzen – um dann zielgerichtet Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, welche diese Gefährdungen reduzieren bzw. beseitigen. Erst durch den Prozess wird aus dem Ermitteln von psychischen Belastungen eine Gefährdungsbeurteilung.
Es gibt zahlreiche gute Gründe für die Beteiligung Ihrer Mitarbeiter in diesem Prozess. Denn die wissen am besten, was im Arbeitsalltag gut läuft und welche psychischen Belastungen der Job mit sich bringt. Und: Sie signalisieren Ihrem Team, dass Sie dessen Meinung ernst nehmen und zeigen damit Wertschätzung. Zudem erreichen Sie eine höhere Veränderungsbereitschaft. Ihre Beschäftigten werden eher bereit sein, sich an Maßnahmen zu beteiligen, die sie selbst vorgeschlagen haben, als an Maßnahmen, die ihnen vom Chef vorgesetzt wurden.
Wie lassen sich psychische Gefährdungen ermitteln?
Hierfür gibt es grundsätzlich drei Methoden: Schriftliche Befragungen, Beobachtungen und moderierte Workshops. Insbesondere für kleinere Einrichtungen wie Apotheken sind Analyseworkshops eine gut geeignete Methode zur Ermittlung psychischer Gefährdungen.
Die sog. Arbeitssituations-Analyse ermöglicht eine umfassende Erhebung der Ressourcen und Belastungen aus Sicht des jeweiligen Teams in nur zwei bis drei Stunden. Möglich sind dabei – je nach Teamgröße – auch apothekenübergreifende Kleingruppen. Den Workshop können Sie selbst oder ein Externer leiten. Die Erfahrung aus der Praxis zeigt aber, dass Mitarbeiter teilweise gehemmt sind, wenn der direkte Vorgesetzte an dem Workshop teilnimmt. Dies kann an sozialer Unsicherheit oder der Befürchtung vor negativen Konsequenzen liegen. Insofern empfiehlt sich die Einbeziehung einer neutralen, dritten Person.
Auf Grundlage der im Workshop erarbeiteten Maßnahmen prüfen Sie dann, welche davon wie durch wen umgesetzt werden können und wo großer, mittlerer bzw. geringer Handlungsbedarf besteht. Setzen Sie sich bei der Planung realistische Ziele. Sie müssen nicht mit dem großen Ganzen beginnen. Fangen Sie mit einer ersten kleinen, schnell umsetzbaren Maßnahme an. Ratsam ist, dass dies zeitnah nach dem Workshop geschieht. Denn für die Motivation Ihrer Mitarbeiter ist es wichtig, dass die dort getroffenen Vereinbarungen rasch und sichtbar umgesetzt werden. Dies stärkt zudem das Vertrauen in Sie als Arbeitgeber und in den gesamten Prozess. Und: Kommunizieren Sie, wenn sich die Umsetzung einzelner Aktivitäten verzögert bzw. warum bestimmte Punkte nicht umgesetzt werden.
Abschließend ist es natürlich noch wichtig zu überprüfen, ob die durchgeführten Maßnahmen auch zu der gewünschten Veränderung geführt haben. Für die Wirksamkeitskontrolle bietet sich an, die Beschäftigten zu befragen, inwiefern sich die psychische Belastung verbessert hat.
Hinweis: Manche Maßnahmen wirken sich erst mittel- oder langfristig aus. Berücksichtigen Sie dies, wenn Sie den Zeitpunkt der Kontrolle festlegen.
Nun ist es fast geschafft! Um den gesetzlichen Anspruch zu erfüllen, muss die Gefährdungsbeurteilung noch dokumentiert werden (ArbSchG §6). Nicht zuletzt, damit auch Sie selbst den Überblick behalten.
Die Dokumentation sollte die Beurteilung der Gefährdungen ebenso beinhalten wie die Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Terminen und Verantwortlichen sowie die Durchführung und Überprüfung der Wirksamkeit.
Gefährdungsbeurteilung in der Offizin: Die ersten Schritte
- … Sie Ihre Mitarbeiter über das Vorhaben informieren möchten,
- … die psychischen Gefährdungen ermittelt werden,
- … geeignete Maßnahmen ausgewählt und umgesetzt werden,
- … die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft wird.
Nützliche Links
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(22):10-10