Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheken sind vom Gesetzgeber einerseits "privilegierte" und geschützte, aber auch besonders streng regulierte Betriebe im Sinne einer sicheren Arzneimittelversorgung. Festgelegte Preise bzw. Honorare sowie weitere Vorschriften (wie das Fremdbesitzverbot, die Apothekenpflicht u.a.) sollen die marktwirtschaftlichen Nachteile hoher Regulierung ausgleichen. Tun sie das (noch)? Tabelle 1 unternimmt den Versuch, den Apothekenbetrieb unter Bürokratieaspekten einigermaßen vollständig abzubilden; es wird wiederum auf eine in etwa durchschnittliche Apotheke abgestellt.
Bei der Betrachtung der Einzelsummen fällt auf, dass abseits des großen Brockens GKV-Rezeptbürokratie, welchen wir im letzten AWA 02/2023 ausführlich untersucht hatten, sich der Aufwand auf viele kleinere bis mittlere Positionen aufteilt. Deshalb würde die Abschaffung nur einzelner Detailauflagen gar nicht mal eine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage bewirken. Dennoch lohnt der Blick auf die Detailpunkte, die allerdings einzelfallbezogen (z.B. Umfang des QMS, Raumkosten, Personalkosten) ein gutes Stück von unseren Annahmen abweichen können.
Das Vorhalten eines Labors in jeder Apotheke (selbst in Filialverbünden) steht gern mal in der Kritik, wobei man heute sogar Aspekte des Umweltschutzes und der Brandlast einbringen könnte. Typische Raumkosten und realistische Kosten für die Instandhaltung der Laborgerätschaften lassen sich durchschnittlich auf etwa 8.000 € bis 10.000 € jährlich beziffern.
Das Rezepturhonorar (Beratungsgebühr, Arbeitspreis und 90%-Aufschlag auf die eingesetzten Materialien) deckt, trotz eines Rohertrags für eine typische klassische Rezeptur in der Gegend von 20 €, allenfalls den tatsächlichen operativen Aufwand ab und erwirtschaftet regelhaft keinen Deckungsbeitrag zum Erhalt der Labor-Infrastruktur oder gar zum Betriebsergebnis. Bei Defekturen mag es bisweilen anders aussehen.
Viele ärgerliche Zeitfresser schlagen im niedrigeren, vierstelligen Bereich zu Buche, aber die Summe macht es und schlägt auf die Arbeitszufriedenheit. Mit der Betäubungsmittelgebühr und dem Nacht- und Notdienstfonds findet nur an einzelnen Stellen eine (Teil-)Kompensation statt.
Hochsensible Besonderheiten
Hochgradig strategisch wird es bei folgenden Punkten. Die strenge Anwesenheitspflicht von Approbierten während der Betriebszeit wird immer wieder infrage gestellt: Könnten nicht besonders qualifizierte PTA zumindest die ein oder andere (Rand-)Stunde abdecken? Abseits der politischen Dimension: Über welche Beträge reden wir? Dazu nehmen wir die Differenz von Approbierten- und PTA-Stundenkosten (mit 18 € angenommen), und multiplizieren mit der Zahl der betroffenen Stunden pro Jahr.
Gönnen wir der Chefin oder dem Chef rund 10 Stunden in der Woche, mithin 500 Stunden im Jahr, dann reden wir über eine Lohnersparnis von 9.000 €; wenn überhaupt, je nachdem, welchen Lohnzuschlag solche Vertretungs-PTA einfordern könnten. Der Betrag ist insoweit überschaubar. Das Thema trifft zudem vor allem kleinere oder abgelegene Apotheken mit sehr schwieriger Personallage. Größere, zentral gelegene Apotheken beschäftigen gern mehrere Approbierte und sind weniger betroffen.
Kaum bezifferbar und ein extrem sensibles Politikum sind die Einschränkungen, aber eben auch der Schutz durch den limitierten Mehrbesitz, das Fremdbesitzverbot sowie die Rx-Preisbindung und zahlreiche Erstattungsregeln.
Gerade starken Apotheken(-verbünden) entgehen insoweit Expansionschancen. Umgekehrt unterbleiben aber auch Bedrohungen durch noch stärkere externe Player. Das alleinige Haftungsrisiko ist gleichfalls schwer quantifizierbar, entpuppt sich jedoch als ein immer größerer Hemmschuh u.a. bei der Suche von Nachfolgern. Die Lösung könnte in anderen Formen der kollegialen Zusammenschlüsse mitsamt Haftungsbeschränkung liegen (z.B. Partnerschaftsgesellschaften).
Fazit
Apotheken tragen seit jeher manch (Sonder-)Päckchen auf ihren Schultern, die über die Jahre zu einer hohen Gesamtlast herangewachsen sind. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die Stück für Stück aufgesattelt wurden, und ein Ende ist nicht absehbar. Der apothekenspezifische (Bürokratie-)Aufwand, abschließend einmal auf jeden Apotheken-Bonkunden umgerechnet, beträgt heute durchschnittlich zwischen etwa 1,70 € und 1,80 €. Ohne das Sonderthema Rezeptbürokratie sind es immer noch gut 0,80 € pro Kunde, die effektiv nach Erstattungen an den Apotheken hängenbleiben. Auf den Apotheken-Gesamtrohertrag bezogen, fressen die bezifferbaren Apothekenspezifika jeden siebten bis achten Euro.
Dieses Korsett ist nur erträglich, wenn der Gesetzgeber wenigstens die Honorierung regelmäßig auf den Prüfstand stellt. Ungeachtet der Honorarfrage ist eine kritische Generalrevision so mancher ins Kraut geschossener oder historisch verfestigter Regulierungen und Auflagen dringend nötig. Unsere Übersicht, wohl nicht einmal ganz vollständig, sollte die Augen öffnen.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(03):4-4