Ist mehr Geld die einzige Lösung?

Apothekengehälter auf dem Prüfstand


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Angestellte in den Offizin-Apotheken gelten als vergleichsweise schlecht bezahlt. Doch hält dies einer objektiven Nachprüfung stand? Womit vergleichen wir die Löhne in den Apotheken am sinnvollsten? Welche Auswege gibt es aus der „Lohnkosten-Falle“? Wir liefern Ihnen  einen systematischen Vergleich der PTA- und Approbierten-Gehälter in der Offizin mit vergleichbaren Positionen im öffentlichen Dienst sowie der Pharmaindustrie. Und wir ordnen die Vergütung in Apotheken im direkten Wettbewerbsumfeld ein.

Wie steht es tatsächlich um die Wettbewerbsfähigkeit der Gehälter von Approbierten und PTAs in deutschen  Apotheken? (© AdobeStock/zest_marina)

Betrachten wir die Tarifgehälter in den Apotheken, wobei wir uns hier auf den größten Teil des Bundesgebietes beschränken und die Tarife der Regionen Sachsen und Nordrhein außen vor lassen. Wir legen 13 Gehälter zugrunde. Damit ergeben sich 2023 folgende Jahres-Grundgehälter je nach Berufsjahren (Not- und Nachtdienste außen vor):

PKA: 28.028 € bis 33.631 €

PTA: 31.447 € bis 39.936 €

Approbierte: 50.635 € bis 60.827 €

Löhne etwa 15 % bis 25 % über Tarif sind jedoch üblich, in „Engpassregionen“ teils noch deutlich darüber. Bei PTA reden wir über eine typische Spannbreite von etwa 36.000 € bis gut 50.000 € p. a. (in Einzelfällen bis gegen 60.000 €), bei Approbierten knapp 60.000 € bis gut 75.000 €.

Für Filialleiter oder herausgehobene Positionen (Chefvertretung, Leitungsfunktionen in größeren Apotheken) reicht der Range von 70.000 € bis in den sechsstelligen Bereich, meist jedoch zwischen ebenjenen 70.000 € und 90.000 €. Sonderleistungen können das „Netto“ weiter aufbessern, dazu unten mehr.

Doch womit wollen wir die Gehälter vergleichen? Einen Anhaltspunkt gibt der öffentliche Dienst mit Krankenhaus-Apotheken. Hier kommt oft der TV-L (für die Bundesländer) zur Anwendung, er gilt z. B. an Unikliniken. Abbildung 1 zeigt eine Gegenüberstellung.

Abb. 1: Gehälter in Apotheke, öffentlichem Dienst und Industrie im Vergleich. Quelle: Eigene Darstellung für 2023, Gesamt-Jahresgehälter brutto u. a. nach Tabellen von ADEXA, www.oeffentlicher-dienst.info

Für PTA gilt E 6 als Eingangsgruppe. Je nach Qualifikation und Aufgaben kann der Aufstieg in E 8, vielleicht E 9a/b führen. Innerhalb der einzelnen Entgeltgruppen haben wir noch die horizontale Entwicklung nach Berufsjahren bzw. Bewährung (Stufen 1 bis 6). Das Ende in Stufe E 9a ist bei knapp 52.000 € nach üblicherweise 15 Jahren erreicht (leistungsabhängig auch früher).

Für Approbierte beträgt die Einstiegsgruppe typischerweise E 13. Beförderungen enden, wenn überhaupt, gern mit E 15 (in dann bereits leitender Funktion), allenfalls in der höchsten Tarifgruppe E 15Ü. Nur herausgehobene Cheffunktionen werden übertariflich in eigenen Verträgen entlohnt, wie z. B. verantwortliche Leiter einer (größeren) Krankenhausapotheke.

E 13 beginnt mit rund 56.000 € und endet nach 15 Jahren mit 75.254 €, E 15 erreicht mit knapp 87.000 € sein Maximum, E 15Ü bei gut 98.000 €. Am alten Beamten-Spruch: „Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Oberrat“, ist also etwas dran. Das Senioritätsprinzip und das „Ersitzen“ von Gehältern sind noch deutlich ausgeprägt. In Apotheken müssen sich jedoch die Gehälter marktgerecht finanzieren.

Ein beamteter Lehrer startet z. B. in der Berufsschule mit A 13 und mindestens 56.600 € als Ledigen-Grundgehalt (landesabhängig, hier Baden-Württemberg). Gern endet man als Oberstudienrat A 14, in der End-Dienstaltersstufe mit 77.400 €. Verheirateten- und Kinderzuschläge (Zwei-Kinder-Familie: um 6.700 € im Jahr) und ggf. andere, eher geringe Zuschläge kommen obenauf. Die niedrigeren Lohnabzüge (die Beiträge zur Renten- bzw. Arbeitslosenversicherung entfallen) sind ebenfalls erwähnenswert. Die Verbeamtung lohnt sich gegenüber vergleichbaren Angestellten im öffentlichen Dienst!

Bei der AOK steigen Hochschulabsolventen gern in die dortige Vergütungsgruppe E 11 (auch hier gibt es 16 Gruppen) ein – mit Jahresgehältern, die bei 58.500 € beginnen und nach rund 20 Jahren Berufserfahrung bei 82.200 € enden, was also etwa E 14 des TV-L entspricht. Die höchste Stufe E 16 reicht bei der AOK von 84.155 € bis 128.600 € und ist Spitzenpositionen (wie z. B. Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern) unterhalb des Vorstands vorbehalten. PTA können je nach Position in E 5/E 6 anfangen (38.350 € bis 45.990 € bzw. 40.510 € bis 50.800 €) und vielleicht bis E 8 vordringen (46.040 € bis 60.730 €).

Traumziel Pharmaindustrie?

Und die Industrie? Das bekannte Bewertungsportal Kununu zeigt näherungsweise, was die Pharmaindustrie zu bieten hat.

Chemikanten, den PTA nahekommend, liegen bei durchschnittlich 55.000 € bis 60.000 €, mit großen Streuungen. Akademiker als Laborleiter kommen im Schnitt auf 90.000 € bis 105.000 €, ebenfalls mit deutlichen Ausschlägen in beiden Richtungen. Höhere Leitungspositionen bewegen sich durchwegs im sechsstelligen Segment, wobei es ab etwa 200.000 € schon sehr dünn wird. Hier schlägt immer noch die Stunde der erfolgreichen Selbstständigen, die in guter Lage diese Grenze nach wie vor überwinden können, erst recht mit Filialen.

Fazit

Die Apotheken-Tarifgehälter sind – zumindest in den meisten, nicht allzu strukturschwachen Teilen der Republik – kaum konkurrenzfähig. Mit etwa 15 % bis 25 % Aufschlag relativiert sich das bereits. Ein Problem sind die Ballungszentren. Die Wohnungsfrage ist hier oft der Dreh- und Angelpunkt.

Apotheken punkten mit Ortsnähe und persönlichen Strukturen. Die Qualifikationsanforderungen sind geringer als bei Top-Pharmafirmen. Die Industrie verlangt zudem ein hohes Maß an Internationalität und räumlicher Flexibilität, zumindest auf „Karrierepfaden“. Wirklich sicher sind die Jobs in der hochdynamischen, von Fusionen und Übernahmen geprägten Pharmaindustrie übrigens auch nicht. Die Öffnungszeiten der Apotheken sind zwar eine Bürde. Klug geplant, lassen sich aber attraktive, flexible Arbeitszeitmodelle stricken. Und: Geld ist bei der heutigen Abgabenquote nicht alles (siehe „Instrumentenkasten“)! Die Lage ist schwierig, hoffnungslos abgehängt ist der Arbeitsplatz Apotheke aber nicht – wenn man ihn clever mit Leben und nicht nur Geld füllt.

Personal gewinnen und halten: Den „großen Instrumentenkasten“ nutzen!

Die inhabergeführte Apotheke hat einen enormen Vorteil gegenüber großen, starren Organisationen: Sie kann viel flexibler und zielgerichteter agieren und die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden feinfühliger „auf dem Schirm“ behalten. Der Instrumentenkasten ist groß, idealerweise kommen die Zusatzleistungen sogar „netto“ ohne Abzüge an:

  • Tankgutschein, diverse Zuschüsse bzw. Kostenübernahmen (Jobticket, bald 49 €-Ticket, Kita-Zuschuss, Gesundheitsangebote, Fort-/Weiterbildungsmaßnahmen),
  • aktuell: die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie (max. 3.000 € bis Ende 2024),
  • ansonsten wirklich attraktive, unbürokratisch-transparente (Leistungs-)Prämien,
  • betriebliche Zusatzversicherungen (Rente, Krankenversicherung u. a.),
  • Verpflegung in der Apotheke – von Getränken, Obst etc. bis „Vollpension“,
  • attraktive Gerätschaften wie Smartphone, Tablet, Jobrad oder gar ein Dienstwagen,
  • viele Dinge für Gemüt und „Teambuilding“: Events in- und outdoor, Exkursionen, Kulturveranstaltungen, soziales Engagement, Spiel und Spaß …

Sie haben es selbst in der Hand – jeder ist die Klimaanlage seines Umfelds! Aber machen Sie es nicht zu kompliziert und verwaltungsintensiv: „Keep it simple and stupid“! Behalten Sie im Auge, ob Sie Leistungen ggf. wieder ohne Probleme abschaffen, kürzen oder anpassen könnten, oder ob es quasi „Ewigkeitsleistungen“ sind – deren Motivationswirkung abstumpft.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(07):4-4