Prof. Dr. Reinhard Herzog
Im Film „In Time – Deine Zeit läuft ab“ (2011) rechnet eine künftige Gesellschaft nicht mehr in Euro oder Dollar ab, sondern in Minuten, Stunden und Jahren. Zeit ist die neue Währung, in welcher alles bezahlt und mit der gehandelt wird. Kredit gibt es insoweit nicht. Ist das Zeitkonto ausgereizt, endet automatisch das Leben, was den dystopischen Teil der Erzählung markiert. Massive Vermögensungleichheiten gibt es auch dort: Die meisten leben von Tag zu Tag, andere verfügen über Zeitguthaben in erdgeschichtlichen Dimensionen. Da Zeit eine für alle gleichermaßen geltende Einheit und nicht vermehr- oder beleihbar ist, haben wir in dieser filmischen Gesellschaft insoweit eine interessante Spielart einer Realgeld-Wirtschaft – im Gegensatz zu unserem schuldbasierten Papiergeldsystem („Fiatgeld“), welches gerade wieder vor existenziellen Problemen und abenteuerlichen Rettungsaktionen steht.
Auch ohne menschengemachte, lebenslimitierende Zeitkonten nimmt der Wert der Zeit in dem Maße zu, in welchem sich das Gebrauchsgeld entwertet. Dies sehen wir bei den Jüngeren, deren vielzitierte Work-Life-Balance ist dafür symptomatisch. Dass hierzulande nur noch 1.350 Stunden je Erwerbstätigen jährlich gearbeitet wird, im OECD-Schnitt dagegen gut 1.700 Stunden – so what?
Würde man Geld so handhaben wie Naturwissenschaftler die Energie, blieben der Gesellschaft viele, immer wiederkehrende Verwerfungen erspart. Energie kann nicht einfach so aus dem Nichts entstehen oder verschwinden, sondern nur in andere Energieformen umgewandelt werden.
Geld als Tauschmittel repräsentiert insoweit stets eine Form der Energie in Form von materiellen Gegenwerten, oder eben (Arbeits-)Zeit, die aber am Ende ebenfalls ein materielles Korrelat hat. Aber Geld ist mit einer Glaubenskomponente versehen: Der Geldschein ist an sich nichts wert. Man glaubt daran, dass er als Symbol eines bestimmten Wertes Bestand hat. Die meisten Mitmenschen bekommen gar nicht mit, wenn immer mehr davon gedruckt wird, Hauptsache, es stecken noch genügend Scheine im eigenen Portemonnaie.
Konkret bedeutet das: Führen Sie für sich schon heute „Parallelwährungen“ ein. Mit der eigenen Zeit bewusster umgehen, ist dabei eine Übung. Jeder Tag wird dabei umso wertvoller, je weniger man mit voranschreitendem Alter noch vor sich hat. Deshalb ist es eine Idee, den aktuellen Wert Ihrer individuellen Zeit an der eigenen Lebensuhr festzumachen. Dazu nehmen Sie die Lebensmitte (z. B. 40 oder 45 Jahre), und multiplizieren den durchschnittlich angenommenen Wert jeder Stunde mit Ihrem Lebensalter, geteilt durch die Zahl, welche die Lebensmitte markiert. Mit 80 verdoppelt sich damit etwa der Wert jeder Stunde. Noch mehr können Sie das zuspitzen, wenn Sie Ihre Restlebenserwartung zugrundelegen. 20 Restlebensjahre mit 65, auf ein Gesamtleben von 80 Jahren bezogen, vervierfachen somit den Wert jeder Stunde. Je näher das Ende kommt, umso mehr explodiert der Zeitwert, irgendwann wird es dann abenteuerlich. Doch der prinzipielle Ansatz sollte klar sein: Mit schwindender Restlebenszeit sollte man besonders sorgsam umgehen, erst recht, wenn man noch den Gesundheitszustand berücksichtigt.
Da wird es im Laufe der Jahre immer attraktiver, die Zeit anderer für sich arbeiten zu lassen: Weniger selbst in der Bütt stehen, dafür mehr nachdenken und zudem lieber das eigene Geld für sich werkeln lassen. Leider wird dies schwieriger, wenn immer mehr Mitbürger ebenfalls mit ihrer Arbeitszeit knausern.
Was machen wir mit der „Währung“ Energie? Wie wäre es mit Lebensenergie? Dass Energie zudem ein Handelsgut und kritischer Wirtschaftsfaktor ist, mit welchem sich in einer energetischen Transformationsgesellschaft u. a. an der Börse beste Geschäfte machen lassen, sei der Vollständigkeit halber angefügt. Doch für die alltägliche Bilanz zählt eigenes Befinden und Leistungsfähigkeit. Das ist keine Konstante, sondern leidet naturgemäß mit den Lebensjahren. Wie stark, haben Sie zum Teil selbst in der Hand, ein Teil ist Schicksal. Und so schließt sich ganz nahtlos der Kreis zum Faktor Zeit. Die beiden neuen „Parallelwährungen“ ergänzen sich insoweit fast perfekt.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
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