Prof. Dr. Reinhard Herzog
Alljährlich zur schönsten Blütenzeit kommen die offiziellen Apotheken-Wirtschaftszahlen heraus. Erwartungsgemäß waren 2022 erhebliche Rückgänge der Gewinne zu verzeichnen, man kann nach den Corona-Ausnahmejahren auch sagen, es trat eine Normalisierung ein. Mit gut 160.000 € durchschnittlichem Vor-Steuer-Gewinn fällt man, absolut betrachtet, noch nicht der Sozialfürsorge anheim, Inflation hin oder her. Die starke Spaltung der Apothekenlandschaft ist ebenfalls nicht neu, wie die Tatsache, dass gut 60 % der Betriebe nach Umsatz unterhalb des Durchschnitts liegen.
Beim Begriff Betriebe ist zu bemerken, dass die Gewinne einzelner Betriebsstätten ausgewiesen werden, und nicht der Inhaberinnen und Inhaber. Bei 18.068 Betriebsstätten Ende 2022 und 13.355 Hauptapotheken haben wir beträchtliche Summationseffekte. Bereits eine halbwegs durchschnittliche Hauptapotheke plus eine „typische“ Apotheke als Filiale sollten, einigermaßen geführt, einen Bruttogewinn von reichlich 250.000 € ergeben, freilich bei höherem Ressourceneinsatz. Dass es eine durchaus nennenswerte Zahl an Apotheken(verbünden) gibt, die es auf Gewinne jenseits einer halben Million, teils siebenstellig bringen, ist gleichfalls ein offenes Geheimnis. Andere erreichen nur noch mit Mühe die Sechsstelligkeit, wenn überhaupt.
Bedrohlicher ist, dass die prozentualen Renditen immer mehr schwinden. Nun sind wir im Schnitt bei gut 5 % einschließlich (kalkulatorischem) Unternehmerlohn angekommen. Das erreichen – oder übertreffen! – sogar manch Lebensmittler, insbesondere inhabergeführte (EDEKA, REWE). Das Problem solch geringer Renditen, mögen sie absolut noch für schöne Beträge stehen, ist ihre geringe Krisen-Resilienz. Es ist zu wenig Luft im System, schon geringe negative Veränderungen schlagen überproportional stark durch. Das gilt erst recht, wenn Margen schwinden und Kosten stark steigen. Da helfen schöne „Schaufenster-Umsätze“ nichts mehr.
Da die meisten Erträge jedoch durch Politik mitsamt Krankenkassen fremdbestimmt und dem freien unternehmerischen Handeln entzogen sind, müssen wir uns, anders als Lebensmittler und Co., ein Stück weit für unsere Gewinne rechtfertigen. Warum sonst werden sie überhaupt publiziert? Haben Sie das schon einmal von anderen Einzelhändlern so gehört? Bei jeder ernsthaften, strukturellen Honorardiskussion wird die Frage nach dem „angemessenen Gewinn“ gestellt werden. Besser, man ist darauf vorbereitet.
Hierzu trennt man sinnvollerweise die reine Arbeitsleistung der Inhaber von den ebenfalls notwendigen unternehmerischen Gewinnen – sonst macht Unternehmerdasein keinen Sinn. Für den Arbeitslohn kann man Filialleiter-Gehälter ansetzen, oder den öffentlichen Dienst heranziehen. Die Beamten-Besoldungsgruppe A 14 für kleinere Apotheken bis A 16 (typische Amtsleiter-, Schulrektorenbesoldung) für größere Betriebe steht Anfang 2023 für Brutto-Jahreseinkünfte in den Endstufen von gut 80.000 € bis etwas über 100.000 € (verheiratet, 2 Kinder), zuzüglich kalkulatorischer Arbeitgeberanteile von rund 15.000 € bis 20.000 €. Mit der jüngsten Lohnrunde bewegt sich der Range somit zwischen 105.000 € und 130.000 € als anzusetzender „Arbeitslohn“.
Zudem steckt Kapital im Betrieb. Gut verkäufliche Betriebe erzielen Marktwerte von einem bis eineinhalb Jahres-Roherträgen, ersatzweise ist der Sach- und Warenlagerwert anzusetzen. Darauf ist eine unternehmerisch-risikoadjustierte Verzinsung zu erheben, die im heutigen Kontext über 10 % bis 15 % brutto liegt („Gesamtkapitalrendite“). Bei gängigen Rohertragssätzen von 20 % bis 30 % sind das dann 2,5 % bis 3,75 % Umsatzrendite (Marktwert ein Jahresrohertrag, 12,5 % Zins) bzw. 3,75 % bis 5,63 % (Marktwert 1,5 Jahresroherträge, 12,5 % Zins) – zusätzlich zum fixen „Arbeitslohn“. Diese im Grunde reverse Ertragswertbetrachtung kann dem Thema „angemessenes Honorar“ wichtige Impulse geben, denn sie berücksichtigt sowohl die Arbeitsleistung als auch die Kapitalseite. Kleinere Apotheken brauchen höhere Umsatzrenditen, große kämen mit geringeren noch angemessen aus. Wie bei allem, lässt sich über die konkreten Werte – gerade die angemessene Kapitalverzinsung – diskutieren, zumal der Unternehmenswert ja wieder durch die Rendite bestimmt wird.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
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