Wir träumen mal …

Was tun mit einem warmen Geldregen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wagen wir einen Höhenflug nach „Wolkenkuckucksheim“: Die ABDA-Forderungen werden nicht vollumfänglich, aber doch weitgehend erfüllt, nachdem die Proteste mächtig Eindruck gemacht haben. Es gibt für alle 3,00 € mehr je Rx-Packung (statt geforderter 3,65 €). Ein Strukturfonds von 250 Mio. € jährlich steht für strukturschwache Apothekenregionen zur Verfügung, und die Bürokratie wird im Umfang von durchschnittlich 40.000 € p. a. je Apotheke abgebaut (real fallen mindestens 100.000 € an, wenn man Rezeptbürokratie und Finessen der Apothekenbetriebsordnung zusammenzählt). Und nun?

Rechnen wir. Eine durchschnittliche Apotheke (42.000 Rx-Packungen) nimmt so 126.000 € mehr Rx-Honorar ein. Die Personalkosten seien heute bei 350.000 €. Der Bürokratieabbau in Höhe von 40.000 € lässt sich zu gut 1.000 wegfallenden Arbeitsstunden im Jahr umrechnen (= etwa 0,6 Stellen, ein Mix in erster Linie aus PTA und Approbierten). Bundesweit hochgerechnet macht das um die 10.000 Vollzeitstellen; das sollte zu spürbarer Entlastung beitragen. Und mittels Strukturfonds ließen sich z. B. 2.500 Apotheken mit jeweils beachtlichen 100.000 € im Jahr fördern, was das Thema „versorgungsrelevante Landapotheken“ entschärfen sollte.

Betrachten wir zudem einen Filialverbund aus drei Apotheken: 10 Mio. € Gesamtumsatz, Personalkosten 1,2 Mio. €, 130.000 Rx-Packungen. Macht 390.000 € mehr Ertrag aus Rx, die Bürokratieentlastung beträgt ein bis zwei Vollzeitstellen. Das ist eine Ansage, zumal ein solcher Verbund, gut geführt, schon heute nicht gerade Armutseinkommen generieren dürfte.

Wohin mit dem Geld? Schneiden wir den Kuchen auf. Nach einer groben Faustregel verteilt sich der Rohertrag zu knapp 50 % auf die Personalkosten, 25 % sind sonstige Kosten, und das verbleibende Viertel ist der Vor-Steuer-Gewinn. Behalten wir diesen Verteilungsschlüssel bei, könnte die Durchschnittsapotheke 63.000 € mehr für Personal ausgeben, oder deutliche 18 %. Der Gewinn stiege um 31.500 € oder rund 19 %. Ein ähnlicher Betrag bliebe für zusätzliche, sonstige (Sach-)Kosten. Beim Filialverbund stünden 195.000 € (16 %) für Personal und 97.500 € mehr für sonstige Kosten sowie den Gewinn an. Ob die Kosten über alles hinweg tatsächlich so stark steigen, ist fraglich. So könnten die Gewinne eher noch stärker zulegen.

Würden Sie, je nach Ihrem jetzigen (übertariflichen) Lohnniveau, tatsächlich 15 % bis 20 % mehr für Personal ausgeben, insbesondere wenn eine spürbare bürokratische Entlastung erfolgt? Würden Sie nicht eher in die Prozessoptimierung und Rationalisierung investieren, nicht zuletzt, um sich künftig personell unabhängiger zu machen? Was wäre mit mehr Marketing und kundenwirksamen Serviceleistungen, um Marktanteile zu gewinnen und wettbewerbsstärker zu werden? Wären Übernahmen, gar Neugründungen wieder interessant? Natürlich könnten Sie auch mehr in die eigene Tasche stecken – um was damit zu machen? Die Qual der Wahl, je nach Standort und Zeitperspektive!

Kommen wir auf die Erde zurück. Was ist realistisch? Schauen wir dabei auch auf die anderen Gesundheitsberufe; was bekommen diese mehr? Eine Rohertragsaufbesserung um 10 % bis 12 % (zusätzlich zum Marktwachstum), vom noch akzeptablen Jahr 2022 ausgehend, würde über den inflationären Schub hinweghelfen, trägt aber nicht wieder über Jahre. Der Inflations-Höhepunkt sollte hinter uns liegen, aber wir haben noch Nachholeffekte u. a. bei den Löhnen. Nicht alles kann man dem Rx-Segment aufbürden (seine OTC-Preise hat jeder selbst in der Hand), sondern ertragsanteilig und stellvertretend für den Verordnungsbereich nur zu etwa 75 %. In der Durchschnitts-Apotheke müsste das Rx-Segment gut 60.000 € mehr abwerfen, oder rund 1,50 € netto je Packung. Bekäme man dann noch den Strukturfonds mit erwähnten 250 Mio. € obenauf, wäre das ein achtbares Ergebnis.

Eine Rückfalloption wäre, den Strukturfonds aus dem Erhöhungsvolumen zu finanzieren, und dafür das zusätzliche Rx-Honorar nach Packungszahl zu staffeln. Schön im Sinne einer Gerechtigkeitsdiskussion, im Detail jedoch streitanfällig und umgehungsgefährdet, gerade im Hinblick auf Filialen. Oder probieren wir es für den Anfang, vielleicht noch leichter vermittelbar, einfach mal mit der Abschaffung des „Kassenrabatts“?

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten des AWA zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber AWA-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren