Helmut Lehr
Wer in der Vergangenheit eine Photovoltaikanlage auf seinem Eigenheim installiert hat, wollte in aller Regel auch den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten geltend machen. Zu diesem Zweck musste die Anlage dem unternehmerischen Bereich zugeordnet und ggf. auf die sogenannte Kleinunternehmerregelung verzichtet werden. Als „Nachteil“ erwies sich in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass für den selbstverbrauchten Strom Umsatzsteuer zu Lasten des Anlagenbetreibers fällig wurde – schließlich zahlen die Netzbetreiber nur für den tatsächlich eingespeisten Strom.
Hinweis: Da seit diesem Jahr ein Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen gilt, besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, alte Anlagen für umsatzsteuerliche Zwecke zu einem Steuersatz von 0 % zu entnehmen – faktisch also ohne Umsatzsteuerbelastung.
Beispiel: Die Photovoltaikanlage von Frau Melchior wurde vor 3 Jahren installiert und erzeugt im Jahr 8.000 KWh Strom, den sie zu 75 % privat verwendet und zu 25 % gegen Vergütung in das Netz einspeist. Auch für den privat genutzten Strom („Eigenverbrauch“) muss Frau Melchior bislang Umsatzsteuer entrichten, die sich – vereinfacht dargestellt – nach dem eigenen Stromtarif bemisst. Beträgt dieser z. B. netto 40 Cent/KWh, ist Frau Melchior jährlich mit einer Umsatzsteuer in Höhe von 456 € (6.000 KWh x 0,40 € x 19 %) belastet, die ihr von ihrem Netzbetreiber (natürlich) nicht vergütet wird.
Die 90 %-Grenze der Finanzverwaltung
Könnte Frau Melchior die Anlage zum Nullsteuersatz entnehmen, entfiele künftig die Umsatzsteuerbelastung für den privat verbrauchten Strom. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll eine Entnahme in einem ersten Schritt allerdings nur möglich sein, wenn die Anlage zukünftig voraussichtlich zu mehr als 90 % für „private“ Zwecke verwendet wird. Aus Vereinfachungsgründen wird das Erreichen der 90 %-Grenze unterstellt, wenn ein Teil des erzeugten Stroms z. B. in einer Batterie gespeichert wird.
Diese Regelung hat das Bundesfinanzministerium mit seinem Schreiben vom 27.02.2023 (vgl. AWA 9/23, S. 16 f.) verfügt. Sie führte bislang allerdings dazu, dass Alt-Anlagenbetreiber ohne Batterie weitgehend in die Röhre schauten, weil sie in den allermeisten Fällen die 90 %-Grenze nicht erreichten und damit keine Möglichkeit hatten, ihre Anlage ohne Umsatzsteuerbelastung zu entnehmen.
Hinweis: Ob die 90 %-Grenze einer gerichtlichen Überprüfung standhält, ist mehr als fraglich. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsste es auch möglich sein, Gegenstände zu entnehmen, die zu einem geringeren Prozentsatz privat genutzt werden.
Aktualisierte FAQ
Zwischenzeitlich hat das Bundesfinanzministerium seine FAQ zu diesem Thema ergänzt (vergleiche www.bundesfinanzministerium.de, FAQ „Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen“).
Danach ist die Entnahme der Photovoltaikanlage auch möglich, wenn die Anlage zwar ohne Batteriespeicher betrieben wird, der erzeugte Strom allerdings für die Ladung eines privaten Elektrofahrzeugs oder für den Betrieb einer Wärmepumpe im privaten Haushalt genutzt wird. Damit wird der Kreis derjenigen Anlagenbetreiber, die ihre Anlage zum Nullsteuersatz entnehmen können und fortan keine Umsatzsteuer mehr auf den selbstverbrauchten Strom zahlen müssen, deutlich erweitert!
Hinweis: Nach der Entnahme der Photovoltaikanlage ist der Vorsteuerabzug für (z. B.) Reparaturen dann allerdings nur noch anteilig möglich – nämlich insoweit, wie der Strom entgeltlich an den Netzbetreiber geliefert wird.
Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(15):18-18