Erbschaft- und Schenkungsteuer

Höhere Immobilienwerte ab 2023


Helmut Lehr

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 wurden u. a. die Vorschriften zur Bewertung von Grundvermögen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer modifiziert. Damit geht im Allgemeinen eine höhere Steuerbelastung einher. Wir verraten Ihnen, was Sie jetzt noch tun können.

Mit Wirkung zu Beginn dieses Jahres hat der Gesetzgeber insbesondere die Vorschriften zur steuerlichen Bewertung des Grundvermögens im Ertrags- und Sachwertverfahren an die neu gefasste Immobilienwertermittlungsverordnung 2021 angepasst. Zumindest nach offizieller Lesart war damit keine allgemeine Steuererhöhung beabsichtigt.

Welche konkreten Auswirkungen die gesetzlichen Anpassungen für die jeweilige Bewertungs-/Berechnungsmethode haben, wurde zwischenzeitlich durch „Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder“ vom 20.03.2023 (Bundessteuerblatt 2023 Teil I, S. 738 ff.) verfügt.

Die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann grundsätzlich nach folgenden drei Methoden erfolgen:

  • Das Vergleichswertverfahren gilt für Wohnungs- und Teileigentum sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser. Dabei wird der Marktwert eines Grundstücks aus Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet.
  • Das Ertragswertverfahren gilt für Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt.
  • Das Sachwertverfahren gilt u. a. für Ein- und Zweifamilienhäuser, für die kein Vergleichswert vorliegt, für bestimmte Geschäftsgrundstücke und für sonstige bebaute Grundstücke.

 

Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass die geänderten Bewertungsvorschriften größtenteils zu (mitunter deutlich) höheren Steuerwerten führen und damit auch die Steuerbelastung bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen und in Erbschaftsfällen steigt. Die Änderungen sind im Einzelnen recht komplex und betreffen u. a. die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes, Werteinflüsse bei Außenanlagen, die Bewirtschaftungskosten, die Liegenschaftszinssätze und den sogenannten Regionalfaktor im Sachwertverfahren.

Außerdem wurde der Wohnungsbegriff geändert, der jetzt bereits ab einer Fläche von 20 qm erfüllt sein kann (vorher: 23 qm). Dies kann wiederum für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhäuser zu den Mietwohngrundstücken von Bedeutung sein.

Beispiel aus der Praxis

In einer Straße befinden sich zwei gleich große Häuser nebeneinander, d. h., sie haben jeweils die gleiche Grundfläche. Das erste Haus hat zwei Wohnungen – eine auf jeder Etage –, weshalb das (bebaute) Grundstück zum Zweck der steuerlichen Bewertung als Zweifamilienhaus einzustufen ist. Im zweiten Haus befinden sich eine Wohnung im Erdgeschoss und zwei kleinere Wohnungen im Obergeschoss, das Objekt gilt daher als Mietwohngrundstück (> zwei Wohnungen).

Während für das erste Haus das Vergleichswertverfahren (oder mangels Vergleichswert das Sachwertverfahren) anzuwenden ist, wird das zweite Haus als Mietwohngrundstück im Ertragswertverfahren bewertet.

Hinweis: Allein durch diese Einstufung können sich erhebliche Unterschiede bei den Steuerwerten ergeben, insbesondere in Abhängigkeit vom Liegenschaftszinssatz, obwohl Lage und Grundfläche „identisch“ sind.

Geplante Übertragungen nochmals genau prüfen

Aufgrund dieser Gemengelage sollten insbesondere solche unentgeltlichen Immobilienübertragungen (sprich Schenkungen) ggf. nochmals „neu kalkuliert“ werden, die bereits längerfristig geplant waren. Andernfalls könnten sich womöglich unerwartete Mehrbelastungen durch Schenkungsteuer ergeben.

Auch bei neu anstehenden Schenkungen sollten sich alle Beteiligten möglichst frühzeitig im Klaren sein, welche Belastungen anfallen (können).

Hinweis: An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass wohl in absehbarer Zeit auch das Bundesverfassungsgericht ein Wörtchen mitreden wird, weil das Land Bayern mit einem Normenkontrollverfahren erreichen möchte, dass (zumindest) Einfamilienhäuser steuerfrei vererbt werden können – insbesondere durch Erhöhung der persönlichen Freibeträge (vgl. AWA 12/2023, S. 18).

Gegen die Vorschriften zur Grundstücksbewertung als solche werden Rechtsmittel aber wahrscheinlich keinen Erfolg haben, schließlich hat ja das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2006 festgestellt, dass für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer künftig eine verkehrswertnahe Wertermittlung erfolgen müsse (vgl. AWA 4/2007, S. 19).

Allerdings haben Sie auch weiterhin die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen niedrigeren Grundstückswert als den errechneten Grundbesitzwert nachzuweisen (vgl. § 198 Bewertungsgesetz). Hierfür müssen Sie (auf eigene Kosten) ein Sachverständigengutachten vorlegen. Denken Sie aber daran, dass die Finanzverwaltung vor nicht allzu langer Zeit die Voraussetzungen dafür „verschärft“ hat (vgl. ausführlich AWA 3/2023, S. 18). Sie sollten daher besonders darauf achten, dass Sie kein „0815-Gutachten“ einreichen, das womöglich methodische Mängel und fehlerhafte Wertansätze enthält.

Hinweis: Ggf. können Sie das Finanzamt auch ohne ein (teures) Gutachten zu einem niedrigeren Wertansatz bewegen – so z. B. bei einem zeitnahen Verkauf des Objekts. Veräußern Sie das geerbte oder geschenkte Grundstück innerhalb eines Jahres und erzielen Sie dabei einen geringeren Preis, kann dieser als Nachweis eines geringeren gemeinen Werts im Zeitpunkt des Erbfalls bzw. der Schenkung herangezogen werden.

 

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(18):16-16