Eine nüchterne Außensicht

Was müssen Sie ehrlicherweise verdienen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Selbst wenn die absoluten Gewinne vieler Apotheken gar nicht so schlecht aussehen – es ist nur die halbe Wahrheit. Denn zum einen müssen Sie Ihren Arbeitslohn berücksichtigen, zum anderen das gebundene Kapital und die Wertentwicklung, denn sonst stehen Sie schlechter als Angestellte.

Ein seriös kalkulierter Unternehmerlohn für einen Apothekeninhaber sollte nicht unter 100.000 € p.a. liegen 
(© AdobeStock/katyspichal).

Absolut mögen Apothekengewinne noch ganz achtbar aussehen, und nur die wenigsten Apothekeninhaberinnen bzw. -inhaber werden selbst in schwierigeren Zeiten der Sozialfürsorge anheimfallen. Rein durch die Investorenbrille betrachtet, relativieren sich diese Gewinne sehr schnell. Ein Apothekengewinn sollte nämlich mindestens Folgendes abdecken:

  • einen adäquaten kalkulatorischen Unternehmerlohn,
  • eine Kapitalverzinsung auf das gebundene Kapital (Unternehmenswert mit Warenlager),
  • die Abschreibungen auf dieses Kapital (jedenfalls auf den abschreibefähigen Teil in Form der Sach- und Firmenwerte).

Unternehmerlohn

Schon hier scheiden sich die Geister, gerade bei der Apotheken-Wertermittlung mit dem bekannten Ertragswertverfahren. Hohe Unternehmerlöhne drücken den kapitalisierbaren Gewinn und damit den Wert. Deshalb finden sich hier aus Verkäufersicht gern niedrige Ansätze im Bereich von 75.000 € bis 90.000 €.

Aus Investorensicht muss man ein Geschäftsführergehalt (Filialleiter-Salär) zugrunde legen, wie es tatsächlich vor Ort bezahlt wird. Weiterhin geht die Betriebsgröße mit ein. Der beste Anhaltspunkt dafür ist die Zahl der Mitarbeitenden in Vollzeitäquivalenten. Unser Ansatz (Tabelle 1) geht von einem Basissalär für kleinere Betriebe bis etwa 5 Vollzeitkräften aus. Hier werden 5.000 € Gehalt (höchste Tarifstufe für 2024, erwartet) mit 20 % übertariflichem Zuschlag sowie 25 % Nebenkosten bei 13 Gehältern zugrunde gelegt – macht in Summe 97.500 € p. a. Bei mehr Mitarbeitern wird ein Zuschlag für die Mehrverantwortung gewährt, der im Bereich von 2.000 € bis 3.000 € pro Kopf liegen kann. Ein Vollzeit-Mitarbeiter steht für 400.000 € bis 500.000 € Umsatz und um die 100.000 € Rohertrag. Der Unternehmerlohn sollte allerdings gedeckelt werden, heute sinnvollerweise bei rund 130.000 € jährlich zu Vollkosten.

Tab. 1: Modellberechnung kalkulatorischer Unternehmerlohn

Grundgehalt

% über Tarif

% Nebenkosten

Summe p. a.

Basislohn:

5.000 € x 13

20 %

25 %

97.500

gültig für:

kleinere Apotheken bis z. B. 5 Vollzeitstellen

Zuschlag:

2.500 € je weitere Vollzeit-Stelle (2.000 € bis 3.000 €)

Maximum:

sinnvoll z. B. bei etwa 130.000 € Unternehmerlohn p. a.

Beispiel:

10 Vollzeit-MA (erwarteter Umsatz > 4 Mio. € ): Unternehmerlohn = 110.000


Kapitalverzinsung

Wer investiert bzw. Kapital im Betrieb „angelegt“ hat, sollte eine Verzinsung darauf erwarten dürfen, welche das unternehmerische Risiko abbildet. Vergleichsmaßstab waren gern „risikolose“ länger laufende Anleihen plus „Risiko-Zuschlägen“. In den Jahren der Niedrigzinsen waren die Erträge aber nahe Null. Inzwischen sind es vielleicht 2,5 % bis 4 %, bei einer weit höheren Inflation.

Real sind die Zinsen negativ. Ein besserer Maßstab sind gute Immobilien, die erfahrungsgemäß ihren Wert real mindestens erhalten und zudem eine – inzwischen schmalere – Mietrendite im Bereich von 3 % bis 5 % erbringen. Bei der heutigen Inflation (6 % bis 7 %) bedeutet das somit Nominalzuwächse vor Steuern von beachtlichen 10 % bis 12 % p. a. Auch am Aktienmarkt (Sachwerte!) sind mit soliden Dauerläufern („Champions-Aktien“, „Dividenden-Aristokraten“) einschließlich Dividenden Renditen um die 10 % und mehr pro Jahr über längere Zeit realistisch. Mit weniger sollte man sich demzufolge als Unternehmer nicht zufrieden geben.

Es bedarf nun einer Wertermittlung, um das gebundene Kapital beziffern zu können. Hier sind wir in der Problematik der Kaufpreisermittlung angekommen.

Zum einen gilt das Ertragswertverfahren als gesetzt: Der aus Käufersicht bereinigte und um den Unternehmerlohn geminderte Vor-Steuer-Gewinn wird mit einem „Kalkulationsszinssatz“ von oft um 12 % (teils bis 15 %) vor Steuern abgezinst. Heute rechnet man gerne auch mit „Nettowerten“; am Ende kommt das aber aufs Gleiche heraus, wenn man im Zähler wie im Nenner die Beträge und den Zinssatz um einen konstanten Steuerabschlag reduziert.

Weiterhin kann man den Rohertrag als Grundlage nehmen (sofern dieser mehr als einen angemessenen Unternehmerlohn zulässt), und hier etwa das 0,75- bis maximal 1,5-Fache davon ansetzen, oft um etwa einen Jahres-Rohertrag. Und zum Dritten kann man das EBITDA (Rohertrag minus alle in Geld anfallenden Kosten, aber ohne Zinsen und ohne Abschreibungen) als unmittelbarste Erfolgsgröße heranziehen, und dieses mit einem Faktor bis maximal etwa 3,5 (= langsam kritische Verschuldungsgrenze) multiplizieren. Akzeptable Bewertungen – bei einem guten, zukunftsfähigen Standort und neuzeitlicher Einrichtung – lauten auf etwa 3 x EBITDA.

Diese Investitionssumme wird, vom Warenlager abgesehen, abgeschrieben – als Sachwerte und in Form des immateriellen Anteils bzw. „Good wills“. Auch diese Abschreibungen muss der Gewinn hergeben. Der Abschreibesatz kann durchschnittlich etwa 8 % jährlich auf den Wert ohne Warenlager ausmachen.

Praxisbeispiel

Eine Apotheke erwirtschafte 1,0 Mio. € Rohertrag mit 10 Vollzeitstellen bei einem EBITDA von 290.000 € (Tabelle 2). Ausgehend vom Basis-Unternehmerlohn von 97.500 € zuzüglich 2.500 € pro Kopf, über die fünf Stellen hinaus, ergeben sich 110.000 €.

Tab. 2: Zielgewinne (auf Basis EBITDA) einer Modellapotheke

Ausgangslage:

1,0 Mio. € Rohertrag, 290.000 € EBITDA, 150.000 € Ware

Ertragswertverfahren

(290.000 € EBITDA – 53.000 € AfA – 24.500 € Zinsen – 110.000 € Unternehmerlohn) / 12,5 % x 100 % = 820.000

Ziel-Kapitalrendite auf Firmenwert

10 %

15 %

20 %

= absolut:

82.000 €

123.000 €

164.000 €

+ Unternehmerlohn und AfA

163.000 €

163.000 €

163.000 €

= Ziel-EBITDA:

245.000

286.000

327.000

Rohertrags-Multiple

0,75

1,00

1,25

= Unternehmenswert:

750.000

1.000.000

1.250.000

AfA ~ 8 % (ohne Warenlager)

47.500 €

67.000 €

87.000 €

Unternehmerlohn UL

110.000 €

110.000 €

110.000 €

Ziel-EBITDA bei 10 % Kap.-Rendite

232.500

277.000

322.000

Ziel-EBITDA bei 15 % Kap.-Rendite

270.000

327.000

384.500

Ziel-EBITDA bei 20 % Kap.-Rendite

307.500

377.000

447.000

EBITDA-Methode

3 x EBITDA = 870.000 € Unternehmenswert

Unternehmerlohn und AfA

110.000 € + 57.000 € = 167.000 €

Ziel-EBITDA (10 % / 15 % / 20 % KR)

254.000

297.500

341.000

 

Nach dem Ertragswertverfahren – mit 12,5 % Kapitalisierungszinssatz – resultieren 820.000 € Unternehmenswert mit Warenlager i. H. von 150.000 €, wenn man noch 77.500 € Kapitalkosten vom EBITDA abzieht (~ 3 % Zinsen bzw. 24.500 € auf alles und knapp 8 % Abschreibung entsprechend etwa 53.000 € auf 670.000 € ohne Warenlager).

Darauf lassen sich die erwünschten Kapitalrenditen, hier 10 %, 15 % und 20 %, ermitteln, aus denen ggf. noch die Bankzinsen zu bestreiten sind. Die Summe aus dieser Kapitalrendite, Abschreibungen und Unternehmerlohn ergibt die Zielgewinne, wieder als EBITDA, i. H. von 245.000 €, 286.000 € und 327.000 €. Die im Modell erwirtschafteten 290.000 € EBITDA entsprechen etwa 15,5 % Kapitalrendite – nicht schlecht. Top-Firmen erzielen aber teils über 20 %.

Die gleiche Prozedur kann man für den Firmenwert auf Basis der Rohertrags- und EBITDA-Multiplen vornehmen. Hier ergeben sich höhere Summen – nämlich ein Jahresrohertrag aufwärts oder 3 x EBITDA = 870.000 € (vertretbare Grenze bei 3,5 x EBITDA = gut 1 Mio. €).

Zusammengefasst ergibt sich eine Faustformel, gültig für gut verkaufbare Betriebe:

Ziel-EBITDA = kalkulator. Unternehmerlohn + etwa 20 % des Jahres-Rohertrages

Hohen Einfluss auf die Endbilanz hat schließlich die Wertentwicklung des Betriebs (sowie der ggf. daran hängenden Immobilien, das macht es noch diffiziler). Das kann alles überschatten. Immerhin haben wir deshalb die Abschreibungen berücksichtigt. Ein Teil davon wird tatsächlich wieder für Reinvestitionen benötigt. Ein Verkaufserlös mit einem hohen immateriellen Anteil („Geschäftswert“) kann aber insoweit die Gesamtbilanz am Ende nur aufbessern.

Als Fazit bleibt: Mit weniger als den genannten Gewinnen sollte man sich kaufmännisch zumindest nicht auf Dauer zufriedengeben – und vor allem keine neuen Engagements tätigen, welche diese Renditen nicht erzielen können.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(18):4-4