Nicht mehr so lustig …

Karl der Schreckliche


Prof. Dr. Reinhard Herzog

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Sie erinnern sich: Wir hatten im letzten Heft den denkwürdigen Online-Auftritt unseres Gesundheitsministers auf dem Apothekertag in Düsseldorf noch einmal zurückgespult und fiktiv neu aufgenommen, nicht ohne eine Schippe Ironie und Satire. Aber so einfach macht es sich der Regisseur nicht. „Wir nehmen noch eine ganz andere Szenerie auf – Karl der Schreckliche. Tausch der Textvorlage. Klappe – die zweite!“

Also zurück zum 27.09.2023, 14.00 Uhr. Zwar nach wie vor online zugeschaltet, nehmen die scharfen Gesichtszüge unseres Gesundheitsministers nun adlerartige Konturen an. Was jetzt folgt, wird wohl wirklich Apothekertag-Geschichte schreiben:

 

Liebe Apothekerinnen und Apotheker, halten wir uns nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf. Wir stehen vor historischen Herausforderungen. Die Welt um uns herum steht in Flammen des Krieges. Wir führen zudem noch quasi Krieg gegen die Natur, Sie wissen schon, Klimawandel und so. Eine ökologische Gesellschafts- und Wirtschaftstransformation muss unter schwierigsten demografischen und weltpolitischen Randbedingungen stattfinden. Die weiter zunehmende Migrationskrise verlangt uns enorme Ressourcen und Anstrengungen ab. Technologisch müssen wir massiv aufholen, um unsere wirtschaftliche Basis erhalten und auch Sie finanzieren zu können. Das sind Billionen-Euro-Aufgaben, die Opfer von jedem einzelnen einfordern, von den Stärkeren mehr als von den Schwächeren. Angesichts von 166.000 Euro Durchschnittsgewinn, viele Apotheken und gerade Filialverbünde mit weit mehr, andere mit weniger, gehören Sie nach unserer und landläufiger Ansicht im Volk mehrheitlich zu den Stärkeren. Lassen Sie Ihre Taschenspielertricks mal stecken, wir wissen Bescheid. Statistisches Bundesamt, Finanzamts-Abfrage und so. Bezahlt wird dies nicht zuletzt aus Zwangsbeiträgen unter anderem vom Paketboten zu Mindestlohn oder der Altenpflegerin, ohne dass diese gefragt würden. Allein Ihr gefordertes Packungshonorar entspricht dem Stundenlohn eines bedeutenden Teils der Beschäftigten. Auch das muss ich im Blick haben.

Long story short: Sie werden morgen mehr leisten (und nicht nur arbeiten) müssen als heute – für das gleiche oder gar weniger Geld, je nachdem, wie sich die Wirtschafts- und Weltlage zuspitzt. So ist das, wenn man die Wohlstandsdividenden vieler Jahre verfrühstückt hat. Nun müssen erst einmal wieder welche verdient werden. Ich sage es ganz klar: Seien Sie froh, mitspielen zu dürfen – denn es ginge auch anders! Wetten? Das ist keine leere Worthülse. Wir werden ein erneutes Gutachten bei einer Top-Consultingagentur beauftragen, auch mit der Maßgabe, die Möglichkeiten der Automation, des Einsatzes von künstlicher Intelligenz und der Verzahnung aller heutigen Logistikmöglichkeiten auszuloten und die Apothekenbürokratie mit ihren teils kafkaesken Eigenheiten grundlegend zu entrümpeln. Aber auch, um spannende, zukunftsgerichtete und neue Aufgaben für Sie in einer evidenzbasiert optimierten Patientenversorgung zu finden, die unter Kosten-Nutzen-Aspekten bestehen.

Die Zeit des allzu leicht durchschaubaren Lobbyismus ist vorbei. Mir sind weniger, dafür hoch wertschöpfende Arbeitsplätze und Apotheken lieber als viele, welche sich mit Aufgaben beschäftigen müssen, die weder besonders einträglich sind noch einen angemessenen Gesundheits-Outcome generieren. Ich hätte Ihnen gern leichter verdauliche Botschaften mitgebracht – aber so ist die Sachlage. Sie alle wissen das insgeheim. Nun pfeifen, schreien und protestieren Sie! Und lassen Sie uns dann den Strukturwandel gestalten, hin zu einem zukunftsfähigen System mit vielen neuen Betätigungsmöglichkeiten. Sehen Sie die Chancen in einem fantastischen Life-Science-Markt, und nicht nur die Risiken für Strukturen und Abläufe von gestern – auch in fraglos harten Zeiten!“ 

 

Klappe. Der zweite Dreh ist im Kasten. Erschütterung und Fassungslosigkeit im Saal, blanke Existenzängste kriechen hoch. Klar, der erste Streifen muss auf Sendung gehen, oder? Aber mal ehrlich: Welchen der beiden würden Sie als Beitragszahler im Land wählen, dem ein Politiker ebenso verpflichtet ist? Würde der zweite Film nicht eher in die heutige Zeit passen? Und wie ist nun die tatsächlich gehaltene Rede von Herrn Lauterbach im Kontext dieser beiden Pole zu sehen? Die wurde ja bereits als Zumutung empfunden. Schwierige Zeiten stehen bevor.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(21):19-19