Erbschaftsteuer

Das Familienheim steuerfrei erben


Helmut Lehr

Werden Immobilien vererbt, kommt der Steuerbefreiung für das Familienheim oft große Bedeutung zu. Steuerfrei bleibt das Objekt, wenn es innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod des Erblassers zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Es gibt allerdings Ausnahmen.

Kinder können das bisherige Familienheim der Eltern unter besonderen Voraussetzungen erbschaftsteuerfrei erhalten (vgl. zuletzt AWA 19/2022, S. 16 f.). Entsprechend dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz) muss das Kind allerdings unverzüglich nach dem Erbfall einziehen. Unverzüglich bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten.

Hinweis: Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung vergleichsweise streng an und lässt Ausnahmen faktisch nur zu, wenn entsprechende Fälle bereits durch die Gerichte entschieden wurden.

Fall aus der Praxis

Apothekerin Meißner ist Alleinerbin ihrer im Sommer 2020 verstorbenen Mutter. Diese musste im Jahr 2018 krankheitsbedingt in eine Pflegeeinrichtung umziehen. Zur Finanzierung der Pflegekosten hatte die Mutter ihr bis zu diesem Zeitpunkt selbstgenutztes Einfamilienhaus befristet für einen Zeitraum von vier Jahren vermietet. Eine ordentliche Kündigung, mithin auch eine Kündigung wegen Eigenbedarfs, war für diese Zeit ausgeschlossen. Als der Mieter im Jahr 2022 ausgezogen war, renovierte Frau Meißner das Haus drei Monate lang und zog anschließend selbst ein.

Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung für das Familienheim (erwartungsgemäß) ab, weil Frau Meißner nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall das Haus ihrer Mutter zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

Klage erfolgreich

Das Finanzgericht München hat sich mit Urteil vom 26.10.2022 (AZ: 4 K 2183/21) in einem vergleichbaren Fall auf die Seite der Klägerin gestellt und die Steuerbefreiung gewährt. Demnach gilt: Kann der Erbe die Immobilie nicht innerhalb von sechs Monaten zu eigenen Wohnzwecken nutzen, muss er glaubhaft darlegen,

  • zu welchem Zeitpunkt er sich zur Selbstnutzung entschieden hat,
  • aus welchen Gründen ein tatsächlicher Einzug nicht früher möglich war und
  • warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat.

Das Gericht konnte im Klageverfahren davon überzeugt werden, dass die Erbin schon bei Abschluss des Mietvertrags (zur Finanzierung der Pflegeeinrichtung) die Absicht hatte, nach Beendigung des Mietverhältnisses selbst in das Familienheim einzuziehen – sie hatte am Vertragsabschluss bereits als Vertreterin für ihre Mutter mitgewirkt.

Da ein Zeitmietvertrag nach § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine ordentliche Kündigung während der Mietzeit ausschließt, konnte der Erbin der späte Einzug nicht angelastet werden.

Hinweis: Dass die Mutter das Haus unmittelbar vor ihrem Tod nicht mehr selbst genutzt hatte, war ihrer Pflegebedürftigkeit geschuldet und steht der Steuerbefreiung nicht entgegen.

Ursprünglich hatte das Finanzamt beim Bundesfinanzhof Revision gegen die Entscheidung des Finanzgerichts eingelegt. Zwischenzeitlich wurde diese allerdings „still und heimlich“ zurückgenommen (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.02.2023, AZ: II R 48/22 – nicht dokumentiert). Ein solche Vorgehensweise wird gerne gewählt, wenn man schlussendlich befürchtet, dass der BFH zugunsten der Steuerpflichtigen entscheidet und die daraus resultierende Breitenwirkung vermeiden möchte.

Hinweis: Da nicht jeder Sachverhalt vollkommen gleich gelagert ist, könnte man in ähnlichen Ausgangssituationen die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung in den Mietvertrag aufnehmen, um so eine unverzügliche Selbstnutzung nach einem etwaigen Erbfall zu ermöglichen.

 

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(23):18-18