André Welke
Die Analyse der Zahlen ergibt: Der wirtschaftliche Schaden der Apothekenproteste fällt gering aus. (© AdobeStock/Danomyte).
Solvena führt speziell zur Tagesanalyse ein gesondertes Subpanel basierend auf dem Apothekenpanel von Insight Health, das für den bundesweiten Gesamtdurchschnitt eine repräsentative Stichprobe darstellt. Darin werden wichtige Parameter wie Absatz und Umsatz der beteiligten Apotheken erhoben. Dabei fließen nur Daten ein, für die vollständige Meldungen vorliegen. Die Anzahl der meldenden Apotheken schwankt also von Tag zu Tag, insofern lassen sich Aussagen über die Anzahl geöffneter Apotheken treffen – z. B. auch die prozentuale Veränderung geöffneter Apotheken an bestimmten Tagen.
Die Wochentagsverteilung
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Verteilung der Arzneimittelabgabe: An welchen Wochentagen werden besonders viele, an welchen besonders wenige Rx-Medikamente abgegeben?
Entsprechend den Daten des Solvena-Apothekenpanels ist Donnerstag der Tag mit den meisten Verkäufen, bei denen auch verschreibungspflichtige Medikamente abgegeben werden. Der zweitstärkste Tag ist Dienstag. Mittwoch ist der Tag mit den wenigsten Abgaben unter der Woche, und naturgemäß sind die Wochenendtage – aufgrund geschlossener Arztpraxen – insgesamt deutlich absatzschwächer (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Verteilung der Kassenbons* in Apotheken auf die Wochentage
* Berücksichtig wurden nur Bons mit mindestens einer Verschreibung (Quelle Apothekenpanel Insight Health).
Der durchschnittliche Donnerstag umfasste 2023 im Schnitt 166 Bons pro Apotheke mit mindestens einer Verschreibung. Dicht gefolgt von Dienstag mit 165. Der entsprechende Durchschnittsarbeitstag lag bei 152 Bons (ohne Samstag und Sonntag).
Protesttag am 14. Juni wird kompensiert
Die Schwäche der Mittwoche ist sicherlich mit ein Grund, warum gerade dieser Wochentag für Protest-Schließungen geeignet scheint. Insofern verwundert es auch nicht, dass die von der ABDA zur Durchsetzung ihrer Honorarforderungen ausgewählten Protesttage ausnahmslos mittwochs stattfanden.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den bundesweiten Apothekenprotesttag am 14. Juni sowie die Tage davor und danach. In der ersten Juniwoche wurden im Vergleich zu den Vorjahren knapp 20 % mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel abgegeben. Das korrelierte mit dem ARE-Konsultationsindex (ARE = akute respiratorische Erkrankungen) des Robert Koch Instituts (RKI) – in dieser Woche hatten im Vergleich auch mehr Arztbesuche aufgrund respiratorischer Erkrankungen stattgefunden (vgl. Abb. 3). Die zweite Juniwoche startete ebenfalls absatzstark. Der Montag vor dem Protesttag am 14. Juni lag knapp 20 % über dem Montagsdurchschnitt des Jahres, obwohl die Arztbesuche in dieser Woche insgesamt wieder auf Normalniveau fielen. Am Dienstag, den 13. Juni, lag der Absatz mit Rx-Arzneimitteln bereits 20 % über dem Dienstagsschnitt, was nicht mit erhöhten Arztbesuchen erklärt werden kann.
Am Mittwoch, dem 14. Juni, lag die Zahl der meldenden Apotheken dann knapp 40 % unter den beiden umliegenden Tagen, es ist also anzunehmen, dass dieser Wert auch dem der bundesweit geschlossenen Apotheken entsprach. Der Rx-Absatz brach an diesem Tag um satte 76 % gegenüber einem Durchschnittsmittwoch des Jahres ein!
Donnerstag, der 15. Juni, brach dann alle Rekorde: An keinem anderen Tag des Jahres wurden so viele Verschreibungen eingelöst wie an diesem Tag! Patienten hatten sich also entweder auf den Streik eingestellt und ihr Rezept bereits am Vortag eingelöst, oder lösten es am Streikfolgetag ein.
Im Ergebnis brachte das Konzept der Streikmittwoche keine wirtschaftlichen Nachteile für die Vor-Ort-Apotheken: Die Rx-Umsätze wurden weitestgehend kompensiert, und die OTC-Umsätze wanderten nicht nennenswert in den Onlinehandel ab. Die Patienten stellten sich offensichtlich auf die Streiks ein – sogar, wenn diese gar nicht in ihrem Bundesland stattfanden.
Keine Verlagerung von OTC-Umsätzen auf Versender
Das galt allerdings nicht im selben Maße für OTC- und Freiwahlprodukte. In diesen Kategorien waren der Streikvortag sowie der Tag danach zwar ebenfalls überdurchschnittlich absatzstark – aber bei weitem nicht die absatzstärksten Tage des Jahres. Kam es also in diesen Segmenten zu einer Verschiebung in den Online-Handel? Laut Datamed IQ stieg der Online-Umsatz am 14. Juni – verglichen mit den drei Mittwochen zuvor – lediglich um + 0,4 % (auf knapp 10 Mio. Euro) und der Absatz „nur“ um + 1,8 %. Damit fand am bundesweiten Protesttag am 14. Juni keine nennenswerte Verlagerung von OTC- und Freiwahlumsätzen zu den Online-Versendern statt.
Der Streiktag wurde also fast vollständig von den umliegenden Tagen kompensiert. Zwar lag die Gesamtwoche des Streiks nur 1 % über den Vergleichswochen der Vorjahre (wohingegen alle anderen Juniwochen 2023 knapp 20 % darüber lagen) aber insgesamt waren keine echten Einbußen zu verzeichnen.
Vergleicht man den Streikmittwoch übrigens mit einem bundesdurchschnittlichen Samstag, so wurden immer noch doppelt so viele Rezepteinlösungen gezählt.
Auch der November-Protest wird kompensiert
Der zweite bundesweite Protesttag am 27. September anlässlich Karl Lauterbachs Rede vor den Delegierten des Deutschen Apothekertags führte nur zu einem leichten Rückgang: Die Rx-Absätze lagen 7 % unter dem Mittwochsdurchschnitt, die OTC-Absätze büßten 10 % ein.
Interessant zu beobachten ist, dass der in vier Bundesländern ausgerufene Halbtagsstreik am Nachmittag des 18. Oktober ein im Bundesdurchschnitt absatzstarker Mittwoch war. Offenbar hatte der Streik die Medien erreicht und darüber dann die Verbraucher, die dann schnell noch in der (vermeintlich geschlossenen) Apotheke ihr Rezept einlösten oder ein OTC Präparat kauften.
Die regionalen Protestmittwoche im November zeigten dann wieder ähnliche Kompensationseffekte wie der Streik im Juni, jedoch nicht im selben Ausmaß. An den Novembermittwochen lag der Absatz mit Rx der (geöffneten) Apotheken knapp 34 % unter dem Wochendurchschnitt und damit 20 % unter einem Durchschnittsmittwoch (siehe Abb. 2).
Abb. 2: Rx-Absätze an den Streiktagen und angrenzenden Tagen
(Quelle: Apothekenpanel Insight Health)
Am Mittwoch, den 14. Juni brach der Rx-Absatz um satte 76 % gegenüber einem Durchschnittsmittwoch des Jahres ein. Donnerstag, der 15. Juni, brach dann alle Rekorde: An keinem anderen Tag des Jahres wurden so viele Verschreibungen eingelöst wie an dem Tag nach dem bundesweiten Apothekenprotesttag!
Im Ergebnis brachte das Konzept der Streikmittwoche also keine wirtschaftlichen Nachteile für die Vor-Ort-Apotheken: Die Rx-Umsätze wurden weitestgehend kompensiert, und die OTC-Umsätze wanderten nicht in den Onlinehandel ab. Positiv formuliert funktioniert die Kommunikation, und die Patienten stellen sich auf Streiks ein – sogar, wenn diese in ihrem Bundesland gar nicht stattfinden.
Der Dienstag nach Aschermittwoch hat es in sich
Ein aus völlig anderen Gründen absatzstarker Tag war Dienstag, der 28. Februar – und zwar sowohl in Bezug auf abgegebene Rx- als auch OTC-Arzneimittel und freiverkäufliche Sortimente. Was war die Ursache? Es herrschten fast frühlingshafte Temperaturen. Für die Christen hatte die Fastenzeit begonnen. Und der Verkehrsminister hat das EU-Abkommen zu E-Fuels gekippt – alles in allem ein normaler Tag also.
Aber eben auch der erste Dienstag nach Aschermittwoch. Und dieser zeichnet sich – 2020 / 2021 coronabedingt ausgenommen – durch besonders hohe Absätze aus. Das gilt besonders dann, wenn die Karnevalszeit bereits im Februar endet. 2024 sollte man sich also schon mal den 20. Februar vormerken und vielleicht am Tag danach streiken – dann wird der Februar bombastisch ...
Die neunte Kalenderwoche, in welche der 28. Februar fiel, war auch laut ARE-Konsultationsindex die Woche mit den meisten Arztbesuchen (siehe Abb. 3). Daten für die sonst ebenfalls sehr hochfrequenten Vorweihnachtswochen lagen zum Redaktionsschluss noch nicht vor.
Abb. 3: Der ARE-Konsultationsindex des RKI von KW 1 bis 40/2023
(Quelle: Robert Koch Institut)
30. April: Auch ein Notdienst kann sich lohnen
Während die Umsätze von Notdienst-Apotheken an Sonn- und Feiertagen gewöhnlich nicht überragend sind, gab es 2023 einen außergewöhnlichen Sonntag, nämlich den 30. April. Einen Tag vor dem „Tag der Arbeit“ gab es im Notdienst besonders gute Umsätze. Die meldenden Apotheken – etwas mehr als sonst an einem Sonntag – erlebten wirtschaftlich einen richtig guten Tag. Es wurden fast viermal so viele Rezepte eingelöst wie an einem Durchschnittssonntag, und auch der OTC-Umsatz war fast doppelt so hoch wie im Schnitt. Es passte einfach alles, sogar der Bonwert mit OTC-Präparaten lag mit 72,73 € weit über dem Sonntagsdurchschnitt von 14,21 €. Aus Infektions- und Verschreibungssicht waren weder Wochenende noch die Woche danach außergewöhnlich. Es dürfte also am Feiertag gelegen haben. Ein solcher „Vorfeiertags-Sonntagseffekt“ scheint jedoch nur bei beweglichen Feiertagen an einem Montag aufzutreten. Rosenmontag, Ostermontag und Pfingstmontag hatten keine entsprechenden Ausschläge.
Da 2024 zwar arbeitnehmerfreundlich viele Wochentage als Feiertage hat, aber keinen beweglichen an einem Montag, lohnt es insofern nicht, auch im nächsten Jahr auf einen außergewöhnlichen Notdienstsonntag zu spekulieren.
André Welke, Kommunikationswirt, Creative Consultant, 50668 Köln, E-Mail: mail@andrewelke.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2023; 48(24):6-6