Joachim Ullrich
In punkto Innovationsfreudigkeit sind deutsche Apotheken eher zurückhaltend: Man hält sich an bewährte Abläufe und scheut größere Veränderungen. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel. Besonders augenscheinlich wird dies, wenn man einen genaueren Blick darauf wirft, wie stark andere Handelskanäle ihre Verkaufs- und Marketingkonzepte im Zuge des digitalen Umbruchs umgekrempelt haben: Vom bargeldlosen Bezahlen via Smartphone über das Self-Scanning an der Baumarktkasse bis hin zur Bestellung eines Hamburger Royal TS am McDonalds-Terminal (siehe auch Kasten unten).
Hüffenhardt 2.0? Die rechtliche Seite
Solange ein Terminal wie das von QuEp in den Räumen einer Apotheke steht, um auf knapper Fläche zusätzliche Kunden „durchzuschleusen“, die keine persönliche Beratung brauchen, ist das Ganze rechtlich nicht angreifbar.
Anders ist die Lage, wenn das Terminal außerhalb der Apotheke z. B. in einem Supermarkt, Rathaus etc. platziert wird. Dann klingt es ein wenig nach „Hüffenhardt 2.0“ – wir erinnern uns an den Arzneimittel-Abgabeautomaten von DocMorris mit Video-Beratung im baden-württembergischen Hüffenhardt, der seinerzeit (2017) gerichtlich gestoppt wurde. Doch ist zwischenzeitlich ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ergangen (AZ: 3C 16.18 vom 23.04.2023): Demnach darf eine Präsenzapotheke mit Versandhandelserlaubnis in ihrem örtlichen Einzugsbereich eine Rezeptsammelstelle außerhalb der Apothekenräume betreiben und die bestellten Medikamente durch eigene Boten ausliefern.
Ist dieses Urteil insoweit der „rechtliche Freibrief“ für den Rollout solcher Rezeptsammelstellen mit Anbindung an lokale Apotheken in strukturschwachen Regionen? Die nächsten Monate werden es zeigen.
Bequemer geht es nicht
Insbesondere die Bestellterminals der Fastfood-Anbieter haben sich auf breiter Front durchgesetzt. Ihr großer Vorteil aus Sicht der Kunden: Sie können am Display in aller Ruhe ihre Auswahl treffen, bezahlen bargeldlos und können sich das Essen direkt an den Platz bringen lassen. Mehr Convenience geht nicht. Aber auch das Fastfood-Restaurant selbst hat deutliche Vorteile: Es spart Platz, teure Arbeitszeit der Mitarbeiter für die Annahme der Bestellungen und erhöht den Umsatz durch Cross-Selling.
Auch wenn das Zubereiten von Burgern und die Abgabe von Arzneimitteln auf den ersten Blick wenig Gemeinsamkeiten haben, so gibt es auf den zweiten Blick doch einige Parallelen: Die Kunden wollen schnell und unkompliziert an ihr „Produkt“ kommen, nicht lange anstehen und sich so informieren und bezahlen, wie ihnen das am bequemsten erscheint. Die einen möchten per Apple Pay am Terminal bezahlen und sich dort auch gleich informieren, die anderen zahlen lieber bar und stellen ihre Frage persönlich. Noch deutlicher treten die Gemeinsamkeiten bei einer kaufmännischen Betrachtung zutage: Die Personal- und Raumkosten sind die mit Abstand größten Kostenblöcke, zudem sind Fachkräfte Mangelware – das gilt für die Gastronomie und Apotheken gleichermaßen.
Kompakt und polyglott
Diese Überlegungen waren der Leitgedanke bei der Entwicklung des „Better Apo“ Apothekenterminals durch die in Ludwigshafen ansässige Firme QuEp GmbH, die 2019 ihren Anfang nahm. Beteiligt an der Entwicklung waren verschiedene externe Dienstleister sowie die Fraunhofer Gesellschaft. Der Prototyp befindet sich seit Mitte 2023 testweise in einer Apotheke in Bad Dürkheim im Einsatz. 2024 soll der Rollout erfolgen.
Das kompakte Terminal hat eine Grundfläche von 80 x 80 cm und ist etwa 180 cm hoch. Das erlaubt den Einsatz auch auf einer sehr kleinen Fläche. Die Bedienung des Touch-Screen-Bildschirms orientiert sich an modernen Smartphones und Tablets. Der Kunde kann mit dem Terminal seine Produkte aus der Freiwahl selbst scannen und bargeldlos bezahlen. OTC-Produkte kann er in den Warenkorb legen, gleich bezahlen und sie dann an der Ausgabestelle abholen.
Darüber hinaus verfügt das Terminal über einen Rezepteinzug. Dieser scannt die Muster 16-Vordrucke, kann aber auch E-Rezepte verarbeiten und überträgt die Daten ins Backoffice, wo ein Mitarbeiter den Vorgang prüft und anschließend den Warenkorb freigibt. Ist der Artikel auf Lager, kann der Kunde jetzt seine eventuelle Zuzahlung bargeldlos leisten und das Medikament direkt an der Ausgabe abholen. Er kann aber auch die Option Botendienst wählen und sich sein Medikament nach Hause liefern lassen. Das Terminal akzeptiert alle gängigen bargeldlosen Zahlungsmittel (inklusive Apple Pay und Google Pay) – eine Barzahlung ist jedoch nicht möglich.
Hat der Kunde noch Fragen und möchte er eine Beratung, so kann er über die (optionale) Audio/Videoeinheit direkt Kontakt mit einem Apothekenmitarbeiter aufnehmen. Die Einheit ist so konzipiert, dass die Diskretion des Gespräches gewahrt bleibt (siehe auch Kasten "Durch die Brille des Kunden betrachtet").
Durch die Brille des Kunden betrachtet
Weil letzten Endes die Kunden entscheiden, welche Technologien sich im Markt durchsetzen und welche wieder in der Versenkung verschwinden, hier ein Blick auf das Terminal aus Kundensicht:
Zunächst bekommt der Kunde die Möglichkeit, sich niederschwellig über Produkte aus dem Apothekensortiment zu informieren, ohne dass er lange warten und einen Mitarbeiter persönlich ansprechen muss. Er kann seine ausgewählten Freiwahl- und OTC-Produkte direkt am Terminal bezahlen und anschließend an einer Abholstelle in Empfang nehmen, ohne längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Der Kunde kann aber auch seine Rezepte am Terminal einlösen und die Zuzahlung ggf. sofort leisten. Möchte er eine Beratung, so kann er über die Audio/Videoeinheit direkt Kontakt mit einem Apothekenmitarbeiter aufnehmen. Es besteht aber ebenso die Möglichkeit einer persönlichen Beratung bei der Abgabe des Arzneimittels. Ist ein bestimmter Artikel gerade nicht vorrätig, kann er sich diesen per Botendienst direkt nach Hause liefern lassen und muss kein zweites Mal in die Apotheke kommen.
Weiterhin kann sich der Kunde niedrigschwellig über aktuelle Aktionen, Angebote und Preise der Apotheke informieren, ohne dass dadurch Wartezeiten für andere Kunden entstehen. Ebenso kann er angebotene Zusatzverkäufe ohne Zeitdruck prüfen. Aus seiner Wahrnehmung entscheidet er selbst und wird keinem (auch nur subtilen) Kaufzwang ausgesetzt. Insofern verknüpft das Terminal die bewährten Vorteile von Online-Kauf und bargeldloser Zahlung mit den Vorteilen der Präsenz-Apotheke.
Das Terminal ist mit einer Sprachauswahl für zahlreiche Fremdsprachen ausgestattet. Wenn das Personal der Apotheke bei ausländischen Kunden nicht über die entsprechenden Fremdsprachenkenntnisse verfügt, kann sich der Kunde in der Sprache seiner Wahl am Terminal selbst informieren und bedienen.
Den Erfolg von Zusatzverkäufen messen
Da das Terminal über eine Schnittstelle an die Warenwirtschaft angebunden ist, kann es alle dort hinterlegten Informationen nutzen. Das betrifft die Daten aus der Kundenkartei ebenso wie Rabattverträge oder Zusatzempfehlungen für OTC-Produkte, soweit diese in der Warenwirtschaft angelegt wurden. Insofern lassen sich Zusatzverkäufe darüber effizient steuern und sogar deren Erfolg messen. Die bisherigen Auswertungen des Prototypen zeigen, dass dessen visuelle Empfehlungen bei den Kunden stärker verfangen, als Empfehlungen des Apothekenpersonals. Das dürfte daran liegen, dass der Kunde das Gefühl hat, den Artikel selbst ausgesucht zu haben und nicht zum Kauf überredet worden zu sein. Auch die Information zum Verhalten anderer Kunden („Kunden, die diesen Artikel kauften, wählten auch …“) tut ihre Wirkung. Hier setzt das System auf bewährte Elemente aus dem Online-Handel. Unterm Strich zeigen die bis jetzt vorliegenden Daten einen deutlichen Anstieg bei den Zusatzverkäufen.
Schließlich ermöglicht das Terminal auch Couponing sowie Self-Scanning in der Apotheke. Beide Trends sind im Handel längst schon alltäglich, für die allermeisten Apotheken allerdings noch Neuland.
Personal- und flächenschonend
Aus Sicht der Apotheken bietet das Terminal eine Erweiterung des bestehenden Serviceangebots um moderne digitale Optionen, wie sie in vielen Handelskanälen längst Standard sind. Das beginnt bei der bargeldlosen Bezahlung und geht über das automatisierte Einspielen von Zusatzangeboten und besonderen Aktionen bis hin zu Couponing und einer integrierten mehrsprachigen Kommunikation mit ausländischen Kunden. Noch schwerer wiegt jedoch, dass mit dieser Lösung auf kleinster Fläche ein zusätzlicher Kassen- und Beratungsplatz angeboten werden kann.
Das erhöht die Flächenproduktivität und schont die Personalressourcen – gerade dieser letzte Punkt kann angesichts des akuten Fachkräftemangels kaum hoch genug bewertet werden.
Joachim Ullrich, Apothekenberatung und -entwicklung, 61381 Friedrichsdorf, E-Mail: info@apothekenberatung-ullrich.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(01):6-6