Prof. Dr. Reinhard Herzog
Optimisten hatten auf eine halbwegs gesichtswahrende Anpassung der Vergütung gehofft, stattdessen bleibt unter dem Strich kaum etwas! (Quelle: AdobeStock/Denis)
Die sicher am stärksten ins Auge stechenden monetären Aspekte des Eckpunktepapiers vom 20. Dezember 2023 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Vornean steht die teilweise Umschichtung des prozentualen 3 %-Rx-Aufschlags „eins zu eins“ in den Festaufschlag. 0,5 %-Punkte sollen so 2025 umverteilt werden (eine Summe von voraussichtlich rund 250 Mio. €), dann noch einmal 0,5 %-Punkte in 2026 (eine dem Marktwachstum folgende, etwas höhere Summe). Ab 2027 beträgt der prozentuale Aufschlag dann weitere 2 %. Somit werden fortan gut 500 Mio. € jährlich derart umgeschichtet.
Die Notdienstvergütung soll um etwa 150 € je Volldienst steigen. Hierzu werden nunmehr 0,28 € statt bisher 0,21 € je Rx-Packung an den Not- und Nachtdienstfonds NNF abgeführt – ein Plus von 55 Mio. € oder gut 3.000 € je Apotheke. Notdienste werden gesamthaft dann mit rund 215 bis 220 Mio. € netto (gut 255 Mio. € brutto für die Kostenträger) honoriert.
Im Grunde nicht der Reform zuzuordnen, da sowieso geplant: Die Senkung des Kassenabschlags von 2,00 € brutto auf 1,77 € brutto, oder 0,19 € netto je Rx-Packung, ab Februar 2025. Die Entlastung gegenüber 2024 beträgt gesamthaft etwa 110 Mio. € in 2025 und 120 Mio. € in 2026, also rund 7.000 € je Apotheke.
Ab 2027 sollen die Vergütungen dann im Rahmen der Selbstverwaltung (also die Berufsvertretung mit den Vertretern der Kostenträger) verhandelbar sein – Chance und Risiko zugleich.
Von direkter monetärer Bedeutung könnten die sehr offen gehaltenen Formulierungen zu flexibleren Öffnungszeiten, zur Entbürokratisierung, dem Entfall von Dokumentationspflichten und nur noch digital vorzuhaltenden Pflichtmedien sein.
Erster Zahlenumriss
Wir rechnen mit einem Vor-Ort-Apothekenumsatz von etwa 74 Mrd. € netto in 2025 und 77 Mrd. € in 2026. Abzüglich Non-Rx-Produkten (11 Mrd. €), (Spezial-)Rezepturen, Impfstoffen u. a. (gut 8 Mrd. €) und abzüglich des gesetzlichen Rohertrages (um 7 Mrd. €) errechnen sich daraus um die 50 Mrd. € zum Netto-Apothekeneinkaufspreis (AEP) als Bemessungsgrundlage für die Apothekenzuschläge. In 2025 sollte das etwas darunter, in 2026 in etwa da liegen. Überschlägig kann man von runden 50 Mrd. € AEP ausgehen. Angesichts der geringen prozentualen Aufschlagsätze (2 % bis 3 %) sind die absoluten Abweichungen gering, wenn sich der Einkaufswert um nur wenige Milliarden Euro davon entfernen sollte.
Tabelle 1 zeigt nun eine erste Abrechnung. Wenn tatsächlich Wort gehalten wird, die Datenbasis unstrittig ist und sauber gerechnet wird, dann müsste der Festzuschlag in 2025 gegenüber 2024 um etwa 0,31 € erhöht werden, in 2026 betrüge das Plus bereits 0,65 €.
Das wird jedoch „oben“ beim prozentualen Zuschlag wieder einkassiert. Der Rohertrag der (zahlenmäßig geringeren) teuren Packungen leidet, billigere profitieren etwas in der Masse. Unter dem Strich sollte es aber auf null herauslaufen, doch nicht für jeden gleichermaßen, dazu gleich mehr. Übrigens: Die in der Presse anfangs kolportierte Erhöhung des Festzuschlags um lediglich zweimal 0,19 € erfüllt die „1 : 1-Kompensation“ nicht und würde unter dem Strich zu Verlusten führen.
Diese neue Austarierung der Rx-Vergütung zeigt Abbildung 1 in Abhängigkeit des Herstellerpreises (ApU). Vor allem bei teuren Medikamenten würde der Ertrag spürbar sinken (rote gegenüber grüner Kurve). Kurioses Detail am Rande: Erstmals würde der Großhandel in einem Segment von etwa 625 € bis gut 1.500 € zum ApU unter o. a. Modellprämissen einen höheren Rohertrag haben als die Apotheke im GKV-Segment. Das können bis zu gut 5 € sein – Rabatte sollten das freilich kompensieren. Bei Privatverordnungen verschiebt es sich marginal.
Abb. 1: Roherträge je Rx-Packung 2026 (GKV), mögliches Reformmodell
Rx-Zuschlag GKV 2024 ohne NNF und pDL: 3,0 % auf AEP + 6,67 € fest (8,35 € – 1,68 € Kassenrabatt); 2026: 2,0 % + 7,51 € fest
(8,35 € + 0,65 € – 1,49 € Kassenrabatt); GH 2024/2026: 3,15 % auf ApU + 0,73 €, max. 38,53 € (Grafik: © R. Herzog)
Gewinner und Verlierer?
Der durchschnittliche Rx-Packungswert über alle Rx-Packungen (mit Hochpreisern) ist die entscheidende Größe für einen Gewinn oder Verlust aus der Reform. Heute beträgt dieser zum Netto-Apothekeneinkaufswert AEP etwa 55 € bis 60 €. Nur Apotheken mit schlechter Ärzteanbindung (u. a. Centerlagen) liegen heute noch unter 40 €. Andererseits sind Werte über 80 € auch wieder selten, aber sie kommen in Fachärztehäusern vor. 2025 bzw. 2026 werden diese Werte weiter gestiegen sein.
Tabelle 2 zeigt einige Fallkonstellationen. Sehr Rx-hochpreisig aufgestellten Apotheken drohen tatsächlich (leichte) Verluste, bei den meisten bleibt es bei einem überschaubaren Plus, welches vor allem aus der Kassenrabattsenkung und der Notdienstvergütung herrührt. Wer Rx-niedrigpreisig unterwegs ist (Center), profitiert in diesem Modell – aber auch eher marginal.
Fazit
Der Titel sagt es bereits: „Gewogen und für zu leicht befunden“ (siehe auch meine „letzte Seite“). Aus monetärer Sicht werden die Apotheken im Wesentlichen auf dem Ist-Zustand eingefroren. Die Befreiung daraus wird dann auf das Verhandlungsglück ab 2027 verschoben – eine vage Aussicht. Rhetorische Frage: Muss man das haben?
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(02):4-4