Steuerreform 2024 – ein Geduldsspiel in mehreren Akten

Was sich im neuen Jahr ändern soll …


Helmut Lehr

Zu Beginn des Jahres 2024 sollten zahlreiche steuerliche Änderungen sowohl für den betrieblichen als auch den privaten Bereich in Kraft treten. Das milliardenschwere Haushaltsloch infolge des Bundesverfassungsgerichts-Urteils hat diese Pläne allerdings durchkreuzt. Nachfolgend der aktuelle Status quo.

Was ändert sich für Sie als Apothekeninhaber oder Filialleiter  steuerlich im neuen Jahr? Wir geben Ihnen einen aktuellen Überblick. (© AdobeStock/MK-Photo)

In den letzten Jahren gehörte es schon fast zur Tradition, dass der Steuergesetzgeber kurz vor Weihnachten mehr oder weniger umfangreiche Änderungen „quer durch den Gemüsegarten“ beschloss. Auch zum Jahreswechsel 2023/2024 sollten im Rahmen des sogenannten Wachstumschancengesetzes eine Vielzahl von Steuerbegünstigungen zur Entlastung der Wirtschaft in Kraft treten. 

Bekanntlich bescherte jedoch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Regierung völlig überraschend ein beträchtliches Haushaltsloch, weshalb das bereits durch den Bundestag beschlossene Wachstumschancengesetz im Bundesrat zunächst blockiert wurde. Der Vermittlungsausschuss wird sich nun Anfang 2024 mit dem Gesetz beschäftigen und idealerweise schnellstmöglich eine Einigung erzielen.

Hinweis: Da die geplanten Änderungen für die Mehrzahl der Steuerbürger von erheblicher Bedeutung sind, werden sie in diesem Artikel bereits kurz skizziert. Nach der endgültigen Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes folgen weitergehende Hinweise.

Betrieblicher Bereich: Die wichtigsten Neuerungen

Geschenke: Wer Geschäftsfreunden Geschenke zuwendet, durfte die Aufwendungen bislang nicht als Betriebsausgaben geltend machen, wenn sie pro Empfänger 35 €/Jahr überstiegen haben. Diese Grenze soll nun auf 50 € angehoben werden.

Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG): Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgütern können sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sie nicht mehr als 800 betragen (Sofortabschreibung). Dieser Betrag soll sich auf 1.000 € erhöhen.

Hinweis: Über § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 7 Einkommensteuergesetz (EStG) müsste diese Änderung dann auch für den Werbungskostenabzug von Arbeitsmitteln gelten.

Sammelposten-Abschreibung: Bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens können derzeit in einen Sammelposten eingestellt werden, wenn die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten 250 € übersteigen und maximal 1.000 € betragen.

Der Sammelposten kann dann über fünf Jahre aufgelöst (sprich abgeschrieben) werden. Nun soll diese Betragsgrenze auf (immerhin) 5.000 € erhöht und die Auflösungsdauer auf 3 Jahre reduziert werden.

Hinweis: Außerdem müssen diese Wirtschaftsgüter dann nicht mehr in einem gesonderten Verzeichnis erfasst werden, der Zugang muss sich lediglich aus der Buchhaltung ergeben.

Degressive Abschreibung: Im Zuge des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes wurde die degressive Abschreibung mit Wirkung zum 01.01.2020 wieder (einmal) eingeführt und später bis zum 31.12.2022 verlängert. Nunmehr ist geplant, dass die degressive Abschreibung auch für solche beweglichen Wirtschaftsgüter beansprucht werden kann, die nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden. Sie beträgt grundsätzlich das 2,5-Fache der linearen Abschreibung, maximal 25 % (vom jeweiligen Restbuchwert).

Hinweis: Wird diese Regelung wie geplant umgesetzt, ergäbe sich eine „Förderlücke“ für solche Wirtschaftsgüter, die in der Zeit vom 01.01.2023 bis 30.09.2023 angeschafft wurden.

Sonderabschreibung: Kleine und mittlere Betriebe (mit einer Gewinngrenze von 200.000 €) können einen Investitionsabzugsbetrag von bis zu 50 % als vorweggenommene Abschreibungen für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens geltend machen. In diesem Zusammenhang konnte bislang auch eine 20 %ige Sonderabschreibung berücksichtigt werden. Diese soll jetzt auf 50 % angehoben werden.

Betriebliche Veranstaltungen: Die Vorteile/Zuwendungen, die Arbeitnehmern im Rahmen betrieblicher Veranstaltungen (Weihnachtsfeier & Co.) zugutekommen, bleiben lohnsteuerfrei, wenn sie pro Veranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht mehr als 110 € betragen. Diese Grenze soll auf 150 € erhöht werden.

Elektronische Rechnungen: Geschäfte zwischen Unternehmern sollen ab 2025 zwingend mittels elektronischer Rechnung abgewickelt werden. Es ist aber allgemein zu erwarten, dass dieser Zeitplan nicht gehalten werden kann. So sieht das Wachstumschancengesetz bereits eine erste Übergangsregelung vor, nach der ein zwischen dem 01.01.2025 und 31.12.2026 ausgeführter Umsatz (auch) noch mittels Papierrechnung fakturiert werden darf.

Außerdem sollen Unternehmen, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr maximal 800.000 € betragen hat, bis Ende 2027 Zeit bekommen, auf elektronische Rechnungen umzustellen.

Hinweis: Die Übergangsfristen betreffen bislang allerdings nur die Rechnungserstellung. Soll heißen: Inländische Unternehmer sind weiterhin ab 2025 verpflichtet, elektronische Rechnungen von anderen inländischen Unternehmen entgegenzunehmen und entsprechend zu verarbeiten.

Buchführungspflicht: Gewerbliche Unternehmer sind bislang nach den Steuergesetzen zur Buchführung verpflichtet, wenn ihr Gesamtumsatz (für den einzelnen Betrieb) mehr als 600.000 € beträgt. Außerdem gilt alternativ eine Gewinngrenze von 60.000 €. Diese Grenzen sollen sich auf 800.000 € bzw. 80.000 € erhöhen.

Hinweis: Davon unberührt bleibt die Buchführungspflicht nach dem Handelsgesetzbuch, die ggf. auch für steuerliche Zwecke zu beachten ist.

Unfallversicherung für Mitarbeiter: Bisher können Arbeitgeber die Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung mit einem pauschalen Steuersatz von 20 % erheben, wenn der durchschnittliche Beitrag (ohne Versicherungssteuer) pro Jahr und Mitarbeiter maximal 100 € beträgt. Diese betragsmäßige Begrenzung soll ab 2024 entfallen.

Ergänzende Hinweise

Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat noch dem sogenannten Mindeststeuergesetz zugestimmt, das mittlerweile im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Davon sind allerdings nur große Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von mindestens 750 Mio. € betroffen.

Die Regelungen sind im Einzelnen höchst komplex und sollen sicherstellen, dass Konzerne länderübergreifend zumindest einem Steuersatz von 15 % unterliegen.

Privater Bereich: Ausgewählte Änderungspläne

Vermietungseinnahmen: Der Steuergesetzgeber plant eine Freigrenze von 1.000 für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Diese Maßnahme soll offenbar von Bürokratie entlasten, wenn nur gelegentlich mal ein Zimmer vermietet wird.

Hinweis: Sollte sich unter Berücksichtigung der Werbungskosten allerdings ein Verlust ergeben, kann dieser auf Antrag steuerlich geltend gemacht werden.

Arbeitsmittel: Die Grenze für die Sofortabschreibung von Arbeitsmitteln soll von 800 € auf 1.000 € angehoben werden (siehe oben).

Abschreibung für Wohngebäude: Künftig soll es auch für Wohngebäude die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung in Höhe von 6 %/Jahr geben. Diese soll für Gebäude gelten, die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erworben wurden. Aktuell sehen die Planungen vor, dass die degressive Abschreibung beansprucht werden kann, wenn mit der Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wurde bzw. wird.

Hinweis: Wird das Objekt erworben, muss der obligatorische Vertrag nach dem 30.09.2023 (und vor dem 01.10.2029) abgeschlossen worden sein.

Mietwohnungsneubau: Die besondere Abschreibung für neue Mietwohnungen (§ 7b EStG) wird verlängert bzw. ergänzt. Während bislang die Anschaffungs- oder Herstellungskosten je Quadratmeter bei bestimmten Objekten 4.800 € nicht übersteigen durften, soll künftig eine Grenze von 5.200 € gelten. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung soll künftig maximal 4.000 €/qm betragen (bislang: 2.500 €/qm).

Verpflegungsmehraufwand: Für die Zeit einer Dienstreise können Arbeitnehmer Verpflegungsmehraufwendungen pauschal steuerlich geltend machen. Bei einer ganztägigen Abwesenheit (24 Stunden) beträgt die Pauschale bislang 28 €, bei einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden sind es noch 14 €. Diese Beträge sollen nun auf 32 € bzw. 16 € angehoben werden. Für den An- und Abreisetag sollen sich die Pauschalen von bislang 14 € auf 16 € erhöhen.

Hinweis: Die Erhöhungen gelten dann auch für Geschäftsreisen von Unternehmern.

Altersrenten: Seit dem Jahr 2005 wird die Besteuerung der Alterseinkünfte in Abhängigkeit vom Jahr des Renteneintritts sukzessive erhöht. Die volle Besteuerung sollte ursprünglich für ab dem Jahr 2040 beginnende Renten erreicht werden. Mit dem Wachstumschancengesetz soll nun der jährliche Anstieg des Besteuerungsanteils von 1 % auf 0,5 % vermindert werden.

Damit würde sich für die Kohorte 2023 ein maßgeblicher Besteuerungsanteil von 82,5 % (statt 83 %) ergeben. Eine 100 %-Besteuerung würde erst bei Renteneintritt im Jahr 2058 erfolgen.

Hinweis: Weil der Besteuerungsanteil für Renten weniger stark bzw. schnell ansteigen soll, ergeben sich auch (geringfügige) Änderungen bei der jährlichen Berechnung des Altersentlastungsbetrags.

Private Veräußerungsgeschäfte: Bislang müssen sogenannte Spekulationsgewinne nicht versteuert werden, wenn sie unterhalb der Jahres-Freigrenze von 600 € liegen. Der Gesetzgeber plant nun eine Erhöhung auf 1.000 €.

Energetische Sanierung: Seit dem Jahr 2020 fördert der Fiskus energetische Sanierungsmaßnahmen an selbstgenutztem Wohneigentum (§ 35c EStG). Der Steuerbonus beträgt bisher in den ersten beiden Jahren je 7 % (maximal je 14.000 €) und im dritten Jahr 6 % (maximal 12.000 €) der Aufwendungen. Für begünstigte Sanierungsmaßnahmen, die nach dem 31.12.2023 begonnen und die vor dem 01.01.2026 beendet werden, sollen die Fördersätze auf jeweils 10 % steigen.

„Dezemberhilfe 2022“: Gemäß den §§ 123 - 126 EStG mussten die Zuwendungen aufgrund der Gas-/Wärmepreisbremse eigentlich versteuert werden. Hier hatte der Gesetzgeber nun geplant, diese Regelungen ersatzlos zu streichen.

Hinweis: Erfreulicherweise wurde dieser Teil noch kurz vor Weihnachten aus dem Wachstumschancengesetz herausgelöst und im Rahmen des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes noch im alten Jahr definitiv beschlossen.

Weitergehende Hinweise: Wie eingangs bereits erwähnt, hängt das Wachstumschancengesetz bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch im Vermittlungsverfahren fest. Es wird allgemein erwartet, dass die dargestellten Änderungen letztlich auch so verabschiedet werden.

Natürlich ist nicht auszuschließen, dass einzelne der geplanten Entlastungen der Gegenfinanzierung des Haushaltslochs zum Opfer fallen. Außerdem könnten sich aufgrund der zeitlichen Verzögerung Änderungen beim Anwendungsbeginn einzelner Maßnahmen ergeben.

Achtung – Fondsbesteuerung!

Das Thüringer Finanzministerium hat kurz vor Weihnachten darüber informiert, dass sich zu Jahresbeginn 2024 eine (teils überraschende) Steuerlast für Investmentfonds ergeben kann. Zum Hintergrund: Zum 01.01.2018 hat sich die Besteuerung von Anlagen in Publikumsfonds entscheidend geändert. In diesem Zusammenhang wurde die Versteuerung einer „Vorabpauschale“ bei (teilweise) thesaurierenden Fonds eingeführt (vgl. AWA 23/2017, S. 18 und 21/2019, S. 18).

Die Höhe der Vorabpauschale hängt vom allgemeinen Zinsniveau ab. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus lag die Vorabpauschale in den Jahren 2021 und 2022 bei null. Dies hat sich für das Jahr 2023 geändert, sodass die Banken im Januar 2024 ggf. Steuerabzugsbeträge einbehalten werden.

Hinweis: Man rechnet hier mit einer Belastung von maximal 48 (ggf. zuzüglich Kirchensteuer) pro 10.000 Fondsvolumen.

Ausblick

Ein neues Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz soll Unternehmern Investitionen in neue, abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens schmackhaft machen, die die Energieeffizienz des Betriebs verbessern. Diese Voraussetzung ist durch ein gesondertes Energiesparkonzept nachzuweisen. Die Investitionsprämie soll für einen Zeitraum von sechs Jahren befristet eingeführt werden und 15 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten betragen. Außerdem soll die Förderung auf Wirtschaftsgüter beschränkt bleiben, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 5.000 € übersteigen.

 

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(02):6-6