Sinkende Margen

Mysterium Handelsspanne


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Warum eine Apotheke noch fast 30 % Rohertragsmarge bzw. Netto-Handelsspanne erwirtschaftet, eine andere dagegen nicht einmal 20 %, ist für viele Inhaber ein Buch mit sieben Siegeln. Die Durchdringung dieser Frage ist aber für eine erfolgreiche Betriebsführung essenziell.

Die „Marge“ oder erzielte Handelsspanne, stets auf den Nettoumsatz bezogen, ist die zentrale Erfolgsgröße ganz am Anfang der Betrachtung. Der daraus erwirtschaftete Rohertrag ist der Kuchen, aus dem sich Ihre Betriebskosten und Ihr Gewinn speist. Absolut sind das im Schnitt gut 700.000 € bis 750.000 € nach den offiziellen Zahlen, oder prozentual um 20 % bis 22 %. Einige Apotheken erzielen allerdings noch Spannen an die 30 %, andere landen deutlich unter der 20 %-Marke. Absolut hohe Gewinne können alle erwirtschaften oder auch floppen – das ist eine Frage der dahinter stehenden Beträge in Euro und Cent.

Doch wie kommen die Margendifferenzen zustande? Die Absatzstruktur ist der entscheidende Faktor. Je nach Warengattung werden sehr unterschiedliche Stückerträge und Spannen erzielt. Von kaum über Null bis mehrere hundert Euro Ertrag je Packung ist alles dabei. Damit lässt sich die Spannenabschätzung vereinfacht auf folgende Warengruppen eingrenzen:

Rx-Präparate: Der Durchschnitts-Stückertrag ergibt sich in Abhängigkeit vom mittleren Packungswert (zu effektiven Netto-Verkaufspreisen AVP), und daraus leitet sich die Rx-Spanne ab.

Non-Rx-Produkte: Diese gliedern wir vereinfacht in OTC-Arzneimittel (ein Teil davon wird auch verordnet), das Freiwahlsortiment sowie die verordneten Hilfsmittel mit recht niedriger Marge auf.

Rx-Spannen

In den Stückertrag der verschreibungspflichtigen Präparate fließt an erster Stelle der Festaufschlag ein. Er mittelt sich aus dem ungekürzten Aufschlag von 8,35 € und dem durch den Kassenabschlag verminderten Wert von zurzeit 6,67 €. Wir gehen modellhaft von 16 % Privatumsatzanteil aus, was zu einem mittleren Fixaufschlag von rund 6,95 € führt.

Auf den Apothekeneinkaufswert werden zudem 3 % gesetzlicher Aufschlag fällig, und es werden noch Einkaufsrabatte erzielt. Wir gehen von einem effektiven Rx-Rabatt von 3,0 % aus. Bei 35 % bis 40 % Hochpreiser-Umsatzanteil, welcher mit etwa 1 % rabattiert wird (der Festrabatt des Großhandels und die Skonti beim Direktbezug mitteln sich etwa dahingehend), sowie etwa 4,0 % bis 4,5 % effektiver Rabatt auf den Rest, ergeben sich diese rund 3,0%.

Für die meisten Apotheken dürfte es sich realistisch betrachtet, einige Zehntelprozentpunkte herauf oder herunter, in diesem Bereich abspielen (was nebenbei das Skontourteil für die meisten insoweit ein wenig entschärfen könnte).

Ermittlung der Gesamtspanne

Um die gesamte Marge errechnen zu können, benötigen wir noch das Non-Rx-Segment. Hier nehmen wir einen Rohgewinnsatz von 40 % an, den wir weiter unten noch separat aufschlüsseln werden.

Mit diesen Annahmen wurde nun die Abbildung 1 erstellt, um die prinzipielle Spannensituation eindrücklich zu illustrieren. Aufgetragen wird der Rx-Packungswert zu Netto-Verkaufspreisen (alle Rx-Fertigpackungen inklusive Hochpreiser), auf der y-Achse lässt sich die resultierende Spanne ablesen – je nachdem, wie hoch weiterhin der Non-Rx-Umsatzanteil ist. Diese Non-Rx-Anteile (von 10 % bis 50 % am Gesamtumsatz) werden durch die einzelnen Kurven repräsentiert.

Abb. 1: Rohgewinnsatz („Spanne“) vs. Rx-Packungswert und Non-Rx-Anteil

Notabene: Wir ermitteln so die Spanne aus dem reinen Warenverkauf. Die heutigen Dienstleistungs- und Rezepturhonorare kommen noch als Ertrag dazu. Diese verbessern die Spanne am Ende erfahrungsgemäß um etwa 0,5 %-Punkte bis allenfalls 1 %-Punkt, von Spezialfällen abgesehen.

Die Grafiken zeigen, wie hohe Rx-Packungswerte die Gesamtspanne drücken. Werden dann zudem nur niedrige OTC-Anteile erzielt (wie oft in Landapotheken, vor allem in den neuen Bundesländern), verwundern Spannen um oder deutlich unter 20 % nicht mehr. Andererseits können hohe OTC-Anteile plus eher niedrige Rx-Packungswerte (die Situation gerade in Center- und etlichen Lauflagen) die Spannen noch gegen 30 % treiben.

Es sei aber auch hier nochmals darauf hingewiesen, dass die Prozente das eine sind, die absoluten Beträge das andere. Letztlich zählen Stückerträge und die Kosten, welche in Euro pro Stück (oder Kunde) anfallen – und was dann letztlich übrig bleibt. Das unterscheidet sich heute sehr.

40 % Non-Rx-Spanne?

Hinterfragen wir noch die Marge des Non-Rx-Sortimentes. Die Aufteilung in OTC-Arzneimittel, Freiwahl und (verordnete) Hilfsmittel stellt schon eine ganz brauchbare Unterscheidung dar. Je nach „Spannenmix“ resultieren etwas unterschiedliche Margen für das gesamte Non-Rx-Segment, meistens pendelt das aber um die 40 %.

Abbildung 2 zeigt die Spannbreiten je nach Anteil von Sicht- und Freiwahl sowie Hilfsmitteln. Angenommen wurden 48 % Rohgewinnsatz bei den apothekenpflichtigen Arzneien, 35 % in der Freiwahl sowie 20 % bei den Hilfsmitteln. Hierbei handelt es sich um „echte“, typischerweise erzielte Spannen unter Berücksichtigung der Einkaufsrabatte und -vorteile. Letztere sorgen dafür, dass gerade die Hilfsmittel überhaupt noch einen nennenswerten Rohertrag erbringen. Im Einzelfall kann das Bild ein wenig anders als in der Abbildung 2 aussehen, sehr groß sind die Abweichungen aber nicht.

 

Abb. 2: Das „Spannendreieck“ für den Non-Rx-Bereich

Branchenvergleich

Sehr aufschlussreich ist der Branchenvergleich. Die periodisch aktualisierte „Richtsatzsammlung“ der Finanzverwaltung gibt Aufschluss. Dort sind die Spannbreiten der üblichen Handelsspannen (auf Nettobasis) mit dem sogenannten „Mittelsatz“ als Schwerpunkt verzeichnet, daneben werden die Reingewinnsätze vor Steuer aufgeführt.

Abbildung 3 illustriert einige ausgewählte Handelsbranchen (mehrheitlich Einzelhandel, zum Teil mit einem gewissen Dienstleistungsanteil wie Reparaturen oder handwerklichen Leistungen wie z. B. bei den Optikern). Außerhalb dieser Bereiche, vor allem nach unten, ist man „auffällig“. Fragen und Prüfungen drohen. Tatsächlich bewegen sich die Apotheken inzwischen im untersten Bereich. Selbst der Lebensmittel-Einzelhandel, von Discountern vielleicht abgesehen, erzielt höhere Margen. Noch in den 1990er Jahren lagen die Apothekenspannen gut 10 Prozentpunkte höher.

Abb. 3: Spannen 2022 im Branchenvergleich (nach Richtsatzsammlung)

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Am Ende zählen nicht nur Margen, sondern absolute Beträge sowie spezifische Kennzahlen. Mit mittlerweise rund 3,5 Mio. € Durchschnittsumsatz einer Offizin zählt die Apotheke im Einzelhandelsvergleich, von größeren Lebensmittlern und Handelsketten abgesehen, zu den erlösstärksten Betrieben. Und typischerweise 55 € bis 70 € Umsatz pro Kundenbesuch (Bonumsatz) erreicht kaum ein Einzelhändler mit „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG).

Eine niedrige Spanne von 20 % bis 23 % bedeutet trotzdem noch Roherträge im Bereich von 12 € bis 15 € pro Kunde. Da machen manche Einzelhändler kaum mehr Bonumsatz. Und was kann ein Laden mit schönen 50 % Spanne noch an Gewinn abwerfen, wenn er nur 400.000 € Jahresumsatz macht? Das gehört in einen Vergleich der wirtschaftlichen Lage ebenfalls hinein. Nichtsdestotrotz erodiert die Rohgewinnbasis bedrohlich, das Brett wird dünner, und das zu drehende Rad immer größer.

Und die Gewinne?

Noch spannender wird der Blick auf die Reingewinne. Jene der Apotheken betragen nach Richtsatzsammlung 4 % bis 13 % vom Nettoumsatz, mit 8 % als Mittelsatz. Das ist ein gutes Stück weg von den offiziellen Standespublikationen, die mittlerweile nur noch gut 5 % Gewinn ausweisen (Werte von 2022, in 2023 eher weiter sinkend).

Während ABDA und Co. die Gewinne auf Ebene der Einzelbetriebe ausweisen, werden in der Richtsatzsammlung die Apotheken eines Inhabers zusammengefasst und auf Ebene der Steuerfälle ausgewertet. Unrentable Filialen gehen so gern in gewinnstarken weiteren Apotheken auf und wirken „nur“ umsatzgewichtet gewinnverwässernd.

Weiterhin fallen die ermittelten Reingewinne nach Abschluss der Steuerfälle gern etwas höher aus als vom Steuerberater eingereicht, weil die Finanzbehörden nicht alle Aufwendungen anerkennen. Und es ist natürlich kein Geheimnis, dass die Finanzbehörden Gewinne eher höher ansetzen, während die standesnahen Organisationen eher bestrebt sind, die Apotheken etwas ärmer aussehen zu lassen. Auch dürften die Richtsätze der aktuellen Entwicklung etwas hinterherhinken, weil z. B. für die Werte von 2022, publiziert im Spätsommer 2023, sicherlich beileibe noch nicht alle Fälle dieses Steuerjahres abgeschlossen waren. Es gibt also durchaus plausible Gründe für die Differenzen. In ihrer Höhe (immerhin rund 3 Prozentpunkte vom Mittelsatz zu den publizierten ABDA-Gewinnsätzen) erstaunen sie gleichwohl.

Fazit

Das „Mysterium Spanne“ sollte nun ein wenig gelichtet sein. Im Detail mögen sich die Werte um den einen oder anderen Prozentpunkt von den Diagrammen je nach Preis- und Einkaufspolitik unterscheiden. An den prinzipiellen Zusammenhängen ändert das aber nichts.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(06):4-4