Sven Fuhrmeister
Der gewerbliche Rechtsschutz ist ein besonderes Terrain: So wie sich die Risiken von Betrieb zu Betrieb unterscheiden, muss auch die Versicherung diese individuellen Risiken möglichst präzise erfassen und entsprechend absichern. Deshalb kommt einer detaillierten Bestandsaufnahme der Risiken durch einen geschulten Versicherungsexperten eine besondere Bedeutung zu.
Eine zweite Besonderheit beim beruflichen Rechtsschutz besteht darin, dass zwischen Vertragsabschluss und dem Beginn des Versicherungsschutzes i. d. R. drei Monate Wartezeit liegen. Wer also erst kurz vor der Unterzeichnung des Kauf- oder Pachtvertrags für die Apothekenräume seinen Rechtsschutz abschließt und dann (juristischen) Ärger mit dem Vermieter hat, steht fast immer ohne gültigen Rechtsschutz da. Ein juristischer Streit um einen Vertrag, der vor Ablauf der Wartezeit unterzeichnet wurde, ist nicht im Versicherungsschutz inbegriffen. Und da gerade Gründer viele Verträge abschließen (müssen), sollte der Rechtsschutz bereits vor der ersten Unterschrift felsenfest stehen.
Passiver Rechtsschutz reicht nicht aus
„Ein bisschen Rechtsschutz“ genießen wohl alle Apothekeninhaber. Denn ein passiver Schutz ist üblicherweise in der Betriebshaftpflichtversicherung enthalten. Doch der reicht bei Weitem nicht aus. Denn dieses Rechtsschutzmodul ist nur ein passiver Schutz für den Versicherungsnehmer vor Gericht gegen Forderungen Dritter. Und auch das nur bei strafrechtlichen und Haftungsfragen. Einen aktiven Schutz, der greift, wenn Versicherungsnehmer ihr Recht erstreiten wollen, bietet nur eine eigenständige Rechtsschutz-Police.
Rechtsstreitigkeiten sind im Gesundheitsbereich fast immer langwierig und teuer. Benötigt werden nicht selten spezialisierte Fachanwälte und Gutachter mit besonderer Expertise. Diese Mehrkosten sollten adäquat mitversichert sein. Überdies sollte der Versicherungsbetreuer über alle Veränderungen zeitnah informiert werden – sei es beim Kauf eines Firmenwagens, der Verpachtung einer Apotheke oder dem Einstig in neue Dienstleistungen.
Das bedeutet auch: Unbedingt den Jahresfragebogen des Rechtsschutzversicherers ernst nehmen und vollständig ausfüllen! Denn davon hängt es letztlich ab, ob der benötigte Sachverhalt im Bedarfsfall auch tatsächlich eingeschlossen ist.
Diesen Schutz brauchen Apotheken
Doch welchen Schutzumfang benötigen Apotheken konkret? Da diese Versicherung i. d. R. modular aufgebaut ist, haben Apotheker große Freiräume. Zumindest theoretisch. Nutzen können sie diese aber kaum, wenn sie einen umfassenden Schutz möchten. Denn es gibt kaum relevante Szenarien, die in Apotheken garantiert nicht eintreten könnten.
Zumindest eine offensichtliche Ausnahme gibt es aber: Wenn Inhaber von Apotheken nicht zugleich Immobilienbesitzer sind, kann der „Immobilienbesitzerrechtsschutz“ weggelassen werden. Dafür sollte dann aber ein Mieterrechtsschutz enthalten sein. Und umgekehrt.
Sinnvoller ist ein anderer Weg: Zuerst die wichtigsten Absicherungen wählen und dann prüfen, was von den weiteren Modulen noch als unverzichtbar erachtet wird. Wer möglichst wenig Lücken will – ganz ohne geht es im Rechtsschutz nicht – sollte den Vollrechtsschutz wählen.
Wichtig: Der Firmenrechtsschutz sollte apothekenspezifisch sein, das heißt: Typische Apothekenaufgaben müssen im Versicherungsumfang explizit enthalten sein. Ansonsten greift der Rechtsschutz ausgerechnet da nicht, wo er am dringendsten benötigt wird.
Zwingend erforderlich dürften für Apothekeninhaber folgende Bereiche sein: Berufsrechtsschutz, eine Absicherung im Vertrags- und Sachenrecht, dazu Arbeits- und Datenrechtsschutz. Sind Beschäftigte und Inhaber oft mit einem Firmenwagen unterwegs, sollte überdies nicht auf einen Verkehrsrechtsschutz verzichtet werden. Je nach Besitzverhältnissen sind dann noch Miet- oder Grundstücksrechtsschutz zu nennen.
Tipp: Wenn schon ein Firmenrechtsschutz abgeschlossen wird, dann kann auch gleich der private Rechtsschutz eingeschlossen werden.
Weitere relevante Module betreffen den Rechtsschutz bei Schadensersatz, bei Ordnungswidrigkeiten, im Disziplinar- und Standesrecht sowie beim Opferschutz. Ebenfalls anzuraten ist der Einschluss von Insolvenzverfahren – eine Einsicht aus der AvP-Pleite von 2020.
Wichtig ist, dass der Rechtsschutz auch nach Beendigung des Versicherungsvertrags Schutz bei Fällen bietet, die aus der Vertragslaufzeit herrühren. Vorgerichtliche Einigungen sollten ebenso im Umfang der Absicherung enthalten sein. Ebenfalls überlegenswert ist ein Spezial-Strafrechtsschutz, weil heutzutage viel schneller als früher strafrechtlich relevante Vorwürfe wie Körperverletzung (durch Kunden-Anwälte) oder Betrug (durch Krankenkassen) im Raum stehen.
Und die Selbstbeteiligung? Besonders günstige Tarife mit hohen Selbstbehalten sind in aller Regel nicht zu empfehlen. Auch Tarife, bei denen schadensfreie Zeiten zu einem Absinken des Selbstbehalts führen, sind problematisch. Für die meisten Apotheker sollten niedrige Selbstbehalte, die mit höheren Beiträgen bezahlt werden, die beste Lösung sein.
Unvermeidbare Lücken
Immer wieder gibt es Beschwerden, dass Rechtsschutzversicherungen nicht das leisten, was sie versprechen. Ursachen für diese Klagen sind die modulare Bauweise sowie einige branchentypische Lücken wie die bereits erwähnte Wartezeit oder Rechtsstreitigkeiten mit Angestellten: In erster Instanz müssen die Kosten dafür selbst getragen werden.
Beim Verwaltungs-, Sozial- und Steuerrechtsschutz sollte geprüft werden, dass der Schutz auch wirklich mit dem Widerspruchsverfahren aktiviert wird. Das ist nicht bei allen Tarifen der Fall. Eine weitere, eher kleine Lücke tut sich üblicherweise bei Vertragsstreitigkeiten mit Geschäftspartnern, Zulieferern und Kunden auf: Hier beschränkt sich der Schutzumfang auf Gerichtsverfahren.
Bei einem Wechsel des Versicherers sollte darauf gedrungen werden, dass ein lückenloser Übergang geschaffen wird.
Einige Ausschlüsse sind durchaus nachvollziehbar: Kein Versicherer möchte für offensichtlich chancenlose Verfahren Geld aufwenden. Das betrifft etwa Streitfälle, die bereits höchstrichterlich ausgeurteilt sind. Auch Einzelklagen, die sich allesamt mit ein und demselben Sachverhalt beschäftigen – Stichwort AVP-Pleite –, sollen möglichst unterbunden werden. Und selbstverständlich möchte kein Rechtschutzversicherer Straftäter auf Kosten der Versicherungsgemeinschaft durch die Instanzen prozessieren lassen.
Auf Zusatzleistungen achten
Neben dem Versicherungsschutz im engeren Sinn gewinnen zusätzliche Serviceleistungen zunehmend an Bedeutung. Eine telefonische Beratung zu einem Streitfall und Kontakte zu Fachanwälten in der Region gehören zu diesen Leistungen. In der Praxis erweisen sich diese Angebote oft als sehr wertvoll. Um Vorleistungen und eventuell auch Streit um Zahlungen zu vermeiden, sollten Versicherungsnehmer einem beauftragten Anwalt sofort die Kontaktdaten der Rechtsschutzversicherung geben und ihn ausdrücklich auffordern, beim Versicherer einen sogenannten „Abrechnungstitel“ zu beantragen.
Erfahrungsgemäß kann einem dieses Vorgehen im Fall des Falles viel Mühe und unter Umständen auch Ärger ersparen. Ansonsten müssen die Kunden oft in Vorleistung treten und darauf hoffen, dass der Versicherer die Kosten im Nachhinein ersetzt.
Sicher ist: Den perfekten Rechtsschutz gibt es nicht. Aber es gibt branchenspezifische Lösungen, die sich individuell an den jeweiligen Bedarf einer Apotheke anpassen lassen. Diese sollten die Inhaber von einem qualifizierten Berater einfordern.
Wer dagegen einen vermeintlich günstigen „Rechtsschutz für alle Fälle“ online abschließt, hat sich ziemlich sicher große Lücken eingekauft – denn: Apotheken-Rechtsschutz gibt es nicht von der Stange.
Auf zwei Besonderheiten beim Rechtsschutz sollten Sie als Apothekenleiter besonders achten: Zum einen ist eine detaillierte Bestandsaufnahme der individuellen Risiken viel wichtiger als bei anderen Versicherungen; zum andern liegen zwischen Vertragsabschluss und Beginn des Versicherungsschutzes i.d.R. drei Monate Wartezeit.
Sven Fuhrmeister, Leiter Vertrieb pma Finanz- und Versicherungsmakler GmbH, 48149 Münster, E-Mail: sfuhrmeister@pma.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(08):10-10