Vorstoß der „Freien Apothekerschaft“

Honoraransprüche auf dem Rechtsweg einklagen?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

 

Ein bekanntes Apothekenforum stand unlängst förmlich Kopf, als die Freie Apothekerschaft (ein eingetragener Verein mit laut Lobbyregister 600 Mitgliedern Anfang September 2023, laut Website vertritt sie über 1.000 Apotheken) eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ankündigte. Das Ziel: Die regelmäßige Überprüfung der Honoraransprüche durchzusetzen. Die Grundlage liefert § 78 Arzneimittelgesetz (AMG, unter „Preise“); dort heißt es u. a.:

„[…] wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Anteil des Festzuschlags, der nicht der Förderung der Sicherstellung des Notdienstes dient, entsprechend der Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung anzupassen.“

„[…] Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52 b. Ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind, ist zu gewährleisten.“

Endlich passiert mal was – Wasser auf die Mühlen geschundener Apothekerseelen! Doch stellt sich dieser Vorstoß ambivalent dar. Abgesehen von Formalien (wird die Klage überhaupt angenommen, sind einzelne Apotheker oder der Verein klagebefugt, „übergeht“ man nicht die offizielle Standesvertretung u. a. m., das mögen Juristen entscheiden) – die größte Challenge besteht darin, dass das anzustrebende Ziel nicht allzu klar normiert ist.

Die „flächendeckende Versorgung“ lässt sich aus § 78 AMG sicher herauslesen, aber was ist darunter zu verstehen? Je nach Anspruch und Ausgestaltung lässt sich das mit weniger als 10.000 oder auch über 20.000 Apotheken darstellen. Argumente findet man für beide Gegenpole. Und akzeptiert man überhaupt sinkende Apothekenzahlen, oder schreibt man diese zumindest gedanklich fest?

Der Begriff „wirtschaftliche Betriebsführung“ ist ebenfalls streitanfällig. Für eine solche kann man durchschnittliche, Median- oder Benchmark-Werte (z. B. oberes Drittel) zugrunde legen. Oder kappt man nur die beispielsweise 10 % schlechtesten? Das ist aber ein ganz entscheidender Faktor. Denn dass heute immer noch ordentliches Geld in Apotheken verdient werden kann, steht außer Frage. Aber mitnichten mehr von allen. Nahtlos schließt sich die Frage an, was ein angemessenes Einkommen ist, und welchen Anteil die gesetzliche Arzneiversorgung abseits des OTC-Geschäfts dazu beitragen soll. Fein raus wäre man, wenn man die allgemeine Kostendynamik einfach auf die Apothekenkosten überwälzt und von einem Ausgangsdatum (z. B. 2013, dem Jahr der letzten Honoraranpassung) fortschreibt. Kostenträger wie Regierung dürften da aber gegenhalten, und ein Gutachten (wie das seitens der Freien Apothekerschaft ins Feld geführte von Herrn Prof. Kaapke) dürfte Gegengutachten auf den Plan rufen.

Falls die Klage überhaupt zustande kommt, hätte sie schon etwas von einer finalen Entscheidungsschlacht. Immerhin: Dann wäre es juristisch ausgeurteilt, mit der Gewissheit, dass die Politik reagieren wird, wie auch immer. Hop oder top. Bis dahin dürften alle weiteren Apothekenreformen, positiv wie negativ, blockiert sein.

Am Ende könnte aber alles durch die Realität überholt werden. Die geplante Apothekenreform sieht ausdrücklich die Verhandlung des Apothekenhonorars ab 2027 vor. Es obliegt dann den Apotheken, ihre Vorstellungen darzulegen. Vernünftige Verhandlungen sollten per se „den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen“. Diese sowieso geplante Verhandlungslösung könnte am Ende der Klage den Wind aus den Segeln nehmen oder sie sogar ad absurdum führen. Die Gutachten und Argumente kann man sich trefflich für die erste Verhandlungsrunde aufsparen. Auf dem Klageweg durch die Instanzen dürfte es keineswegs schneller gehen, und was letztlich Justitia entscheidet, wäre angesichts der Sachlage ebenfalls offen. Hier wie da dürfte der Weg steinig werden.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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