Dr. Hubert Ortner
Liebe Leserinnen und Leser,
seit Monaten wird über die Details von Lauterbachs Reformvorschlägen intensiv debattiert – dabei übertrumpfen sich die Experten gegenseitig mit Hochrechnungen und Gutachten. Bei (vielleicht auch wegen?) all dieser branchentypischen Detailverliebtheit wird die entscheidende Frage erstaunlicherweise so gut wie nie gestellt: Sollen wir das Gesetz grundsätzlich annehmen oder ablehnen? Frei nach Christian Lindner würde die Frage lauten: Was ist besser – ein schlechtes Reformgesetz oder keines?
Dass das Gesetz wenig Gutes bringen wird, ist Konsens. Die Liebesbekundungen vereinzelter FDP- und Oppositionspolitiker gegenüber Apothekern sind wohlfeil und ohne Substanz: Wenn es darauf ankommt, wird der Bundesgesundheitsminister seine Linie knallhart durchziehen. Das zelebriert er gerade bei den Ärzten vor, und deren Interessensvertretung ist von ganz anderem Kaliber als die unsere. Was bringt es den Apotheken also, wenn im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hier noch eine Kröte entfernt wird, da ein Bonbon dazu kommt und dort eine Nachkommastelle korrigiert wird? Im Grunde nichts. In Relation zu den von der ABDA geforderten 3 Mrd. € mehr an Rx-Fixum, geht es ohnehin nur um „Peanuts“.
Dafür sind die Risiken groß: Nach wie vor steht das Schreckgespenst der „Apotheke light“ drohend im Raum, und mit der geplanten Absenkung des prozentualen Zuschlags auf 2 % droht zudem die Erosion des Hochpreiser-Geschäfts. Am schwersten wiegt aber, dass sich unsere Branche nach der Bundestagswahl 2025 ganz hinten wird anstellen müssen, wenn das Gesetz in dieser Legislatur noch verabschiedet wird. Dass dieses den Apotheken keine Verbesserung gebracht hat, wird dann niemanden interessieren. „Warum habt ihr es dann nicht verhindert …?“, wird die Frage lauten. Und ein Gesetz zu blockieren, das fast nur Nachteile bringt, sollte in einer dermaßen zerstrittenen Regierung wie der Ampel eigentlich kein allzu großes Kunststück sein.
Es grüßt Sie herzlichst
Ihr
Dr. Hubert Ortner
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(10):2-2