Michael Jeinsen
Stellen Sie sicher, dass auch der Vertretungsapotheker in Ihrem Betrieb versichert ist, bevor Sie sich in den verdienten urlaub verabschieden. (© AdobeStock/_Janina_PLD)
Viele vor allem kleinere Apotheken benötigen sie regelmäßig – Vertretungsapotheker. Ohne diese müssten Betriebe, die nicht über einen großen Mitarbeiterstamm mit approbierten Kräften verfügen, insbesondere in der Urlaubszeit schließen. Gleiches gilt im Krankheitsfall. Denn schließlich müssen Inhaber, sofern sie ihrer Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke vorübergehend nicht nachkommen können, durch einen Approbierten vertreten werden. So schreibt es die Apothekenbetriebsordnung in Paragraf 2 vor. Maximal sind Vertretungen für drei Monate im Jahr zulässig. Ausnahmen sind möglich.
Neben Apothekern im Ruhestand, die sich etwas nebenher verdienen wollen, gibt es auch hauptberufliche Vertretungsapotheker, die vom „Apotheken-Hopping“ leben. Viele von ihnen haben prall gefüllte Auftragsbücher und können sich – gerade in der Urlaubszeit – vor Anfragen kaum retten. Doch was ist, wenn eine Vertretung ein falsches Medikament abgibt und damit die Gesundheit eines Kunden schädigt? Wer steht dann für den Schaden gerade?
Wie so oft gibt es keine einfache Antwort. Grundsätzlich müssen Apotheken in Deutschland eine Betriebshaftpflichtversicherung haben, um überhaupt öffnen zu können. Die meisten Berufsordnungen schreiben dies vor. Zudem verweisen Apothekerkammern oft auf Heilberufekammergesetze, die einen Haftungsschutz einfordern. Doch auch ohne Berufsordnung oder Kammergesetz kann faktisch keine Apotheke ohne Haftungsschutz öffnen, weil etwa Banken bei Finanzierungen Sicherheiten fordern – eine Betriebshaftpflichtversicherung gehört praktisch immer dazu.
Sichert die Betriebshaftpflicht Vertretungen ab?
Folglich hat jede öffentliche Apotheke hierzulande einen Haftungsschutz. Doch schließt der auch selbstständige Apotheker, die nur vertretungsweise im Betrieb arbeiten, in seinen Schutzumfang mit ein? Leider gibt es auch auf diese Frage keine eindeutige Antwort.
Es gibt tatsächlich Policen, die Vertretungen grundsätzlich im Schutzumfang einschließen. Verfügt ein Inhaber über eine solche Absicherung, sind alle Haftungsfragen im Zusammenhang mit Vertretungen genauso geregelt, als würde es sich um eigene Mitarbeiter handeln. Doch nicht jeder Versicherer schließt auch betriebsfremde Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen mit ein. Letztlich müssten Vertretungsapotheker also in jeder Apotheke nachfragen, wie es um den Versicherungsschutz steht und ob sie im Fall des Falles vor möglichen Forderungen Dritter abgesichert sind.
Für Vertretungsapotheker, die das ganze Jahr über in unterschiedlichen Apotheken arbeiten, dürfte eine Vorabklärung sehr aufwändig und damit schlicht nicht leistbar sein. Zudem besteht immer die Gefahr, dass der Versicherungsschutz der Apotheke überschätzt wird – und am Ende steht die Vertretung ohne Absicherung da.
Persönliche Haftung ja, Versicherungspflicht nein
Eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht bei Vertretungsapothekern nicht. Die Berufsordnungen der Kammern sind sich diesbezüglich uneinig: So schreibt die Apothekenkammer Nordrhein in ihrer Berufsordnung von 2007 (§ 17) nur eine Haftpflichtversicherung für Apothekenleiter vor. Vertreter werden nicht explizit genannt.
Anders in Niedersachsen: Dort steht in § 7 der Berufsordnung, dass der „selbstständig tätige Apotheker verpflichtet ist, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern“. Da Vertretungen selbstständige Apotheker sind, fallen sie unter diesen Paragrafen. Ähnlich in Baden-Württemberg: Hier ist laut § 16 der Berufsordnung „jeder Apotheker verpflichtet, einen Haftungsschutz abzuschließen“. Lediglich angestellte Apotheker sind von dieser Pflicht ausgenommen.
Ob also ein Vertretungsapotheker eine Haftpflicht abschließen muss, hängt von der zuständigen Apothekerkammer und Berufsordnung sowie den Kammergesetzen ab.
Dessen ungeachtet gilt grundsätzlich, dass ein selbstständiger Vertretungsapotheker für Fehler persönlich genauso in Haftung genommen werden kann wie der Inhaber. Das gilt auch bei Fehlern, die angestellten Mitarbeitern unterlaufen. Auch hier kann die Vertretung in Haftung genommen werden, weil sie die Aufsichtspflicht innehat. Und da Vertretungsapotheker das Personal nicht so gut kennen wie der Inhaber, stehen sie hier vor einer größeren Herausforderung, die Mitarbeiter richtig einzuschätzen. Auch wenn die Kasse am Ende des Arbeitstages nicht stimmt, sind Vertretungen für den Ausgleich des Fehlbetrags zuständig.
Vertretungen sollten also schon allein aus Eigeninteresse dafür Sorge tragen, dass sie im Schadenfall einen verlässlichen Versicherungsschutz vor den Forderungen Dritter haben, da sie sonst ggf. mit ihrem Privatvermögen haften müssten. Die zivilrechtliche Haftung greift immer dann, wenn Vorsatz oder Fahrlässigkeit festgestellt wird. Aufgrund der umfassenden rechtlichen Vorgaben an Apothekenleitungen sollte der Versicherungsschutz unbedingt im Falle der Fahrlässigkeit gelten – was in der Praxis wahrscheinlich am häufigsten vorkommt.
Nur mit gesichertem Haftungsschutz vertreten
Deshalb sollten sich zumindest hauptberufliche Vertretungsapotheker einen eigenen Haftungsschutz zulegen – auch wenn die zuständige Berufsordnung dies nicht zwingend vorschreibt. Ein solcher Schutz kostet etwa 100 € pro Jahr, ist also vergleichsweise günstig zu haben, weil Vertreter-Policen eben nur das Restrisiko absichern, falls keine andere Versicherung – wie die Betriebshaftpflicht der Apotheke – greift.
Zu unterscheiden ist, ob der Vertretungsapotheker
- auf eigene Rechnung arbeitet, oder
- über eine Vermittlungs-Agentur gebucht wurde, und dann
- gibt es noch die Gruppe der festen Vertreter in immer denselben Apotheken.
Erstere sollten unbedingt – auch wenn sie nur ab und zu oder für wenige Stunden oder Tage vertreten – einen eigenen Versicherungsschutz haben. Wer hingegen über Agenturen vermittelt wird, sollte mit dem Anbieter klären, wie sein Haftungsschutz genau geregelt ist.
Die dritte Gruppe sollten die Haftungsfrage mit ihren Auftraggebern bzw. deren Versicherungsberatern klären.
Praxistipp: Lassen Sie sich das Ergebnis auf jeden Fall schriftlich geben, denn mit dem ersten Haftungsfall ist es endgültig zu spät, Deckungslücken ggf. noch zu heilen.
Last but not least ist es in Apothekerkreisen obendrein üblich, dass ehemalige Inhaber oder approbierte Familienmitglieder des neuen Inhabers zu Vertretungszwecken eingesetzt werden.
Zumindest für diese Fälle empfiehlt sich die Nutzung einer spezialisierten Versicherungspolice, die Vertreter generell mitversichert.
Diese Lösung wird in Zeiten des akuten Vertretermangels mittlerweile zum Standortvorteil, denn dann kann vertreten, wer will und wie lange oder plötzlich es erforderlich ist, weil immer ein lückenloser Versicherungsschutz durch die Apothekenpolice besteht.
Letzte Brandmauer für Notfälle
Hierzulande gibt es mindestens fünf auf Apothekenschutz spezialisierte Anbieter, die einen umfassenden Haftungsschutz für Vertretungsapotheker im Portfolio haben. Zu achten ist außerdem darauf, dass die Haftungssumme mindestens 5 Mio. € beträgt. Konzepte, die nur 1 Mio. € anbieten, sollten gemieden werden. Wem 5 Mio. € übertrieben vorkommen, der sollte daran denken, dass Autofahrer mindestens eine Absicherung von 7,5 Mio. € (für Personenschäden) nachweisen müssen, in aller Regel aber bis 100 Mio. € abgesichert sind – weil die Folgekosten schnell durch die Decke gehen können.
Darüber hinaus sollte dieser Haftungsschutz nicht über das Internet eingekauft werden, weil nur bei Abschluss über einen selbstständigen Vermittler eine „letzte Brandmauer für Notfälle“ garantiert ist! Wenn nämlich der Haftpflichtversicherer nicht zahlen will, dann kann immer versucht werden, den Versicherungsvermittler in Haftung zu nehmen, weil die Beratung möglicherweise mangelhaft war. Denn selbstständige Versicherungsberater müssen einen Vermögensschaden-Haftungsschutz haben. Ob und wie eine anonyme Internetplattform in Haftung genommen werden kann, ist dagegen fraglich.
Vertretungsapotheker sollten übrigens nicht nur an die Haftpflichtversicherung denken, sondern auch eine Unfallversicherung in Betracht ziehen. Schließlich sind freie Mitarbeiter nicht notwendigerweise über die Berufsgenossenschaft abgesichert.
Michael Jeinsen, Zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apothekenschutz beim BVSV, E-Mail: berlin@die-Apothekerhelfer.de, www.Apo-Helfer.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(11):12-12