14.000, 12.000, 10.000 Apotheken

Wer bietet weniger?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Versicherungsvertreter klappern gern mit dem Sargdeckel, und unsere Standesführung steht dem kaum nach. Selbst im Best Case sollen, ohne „Apotheken-Honorarwunder“, in drei Jahren nur noch 14.000 Betriebe existieren, im Worst Case gar erschreckende 10.000 – so die Botschaft auf den diesjährigen Wirtschaftstagen der ABDA.

Aktuell liegen wir mit rund 150 Schließungen im Quartal bei nur wenigen Neueröffnungen stramm auf Kurs „Minus 600 aufwärts“. Bis Ende 2027 reden wir bei Beibehaltung dieses Tempos eher über knapp 2.000 bis vielleicht auch an die 2.500 wegfallende Standorte, womit wir die 15.000er-Marke erreichen könnten. Da sich Apotheken in vielerlei Verträgen befinden, vornean der Mietvertrag, ist es gar nicht so einfach, vorzeitig zu schließen, selbst wenn man das wollte. Doch wer schließt überhaupt? Besonders im Fokus stehen, neben Randlagen oder etlichen, bisweilen langjährigen Bilanzruinen z. B. durch übermäßige Festkosten, die immer noch über 4.500 Filialen.

Der Autor erinnert sich noch gut, wie man aus prominentem, fachberufenem Mund den Kolleginnen und Kollegen erzählt hat: „Ja, 30.000 €, 40.000 € oder auch 60.000 € einfach mal so zusätzlich verdienen, das können Sie nur mit Filialen!“ Dass dies damals oft schon nur einer Gewinnmarge von 2 % oder 3 % entsprach und im Grunde zur (prozentualen) Gewinnverwässerung beigetragen hat, wollte kaum jemand hören. Und das fällt jetzt vielen auf die Füße. Rabatteinbußen, Hochpreisereffekt, Personalprobleme, politische Eingriffe – so wird aus 2 % oder 3 % Gewinn ganz schnell die schwarze Null, und wenn es dumm läuft, ein sattes Minus.

Eine Wahrheit zum Thema Apothekenschließungen ist daher die sich beschleunigende Auskehr von so manchen strukturell-bilanziellen Schieflagen. Bei den niedrig rentierlichen Betrieben, welche man so mitgeschleppt hat und die noch ein paar Taler eingespielt haben, wird der Aderlass am größten sein. Inhaber werden sich auf ihre noch tragfähigen Kernbetriebe konzentrieren, und das kann man nur empfehlen. Lieber ein stabiles, starkes Standbein als mehrere Klumpfüße.

Des Weiteren kippen Hochrisikostandorte und gewagte Geschäftsmodelle. Pflegeheim-Verblisterung mit vierstelligen Bettenzahlen zum Kampfpreis, überbordende Marketingkosten und Preisaktivitäten, um Kunden schlicht zu kaufen, ein ganzer Bauchladen an Versorgungsbereichen und Sortimenten ohne valide Deckungsbeitragsrechnung der einzelnen Segmente – all das droht jetzt beschleunigt unter die Räder zu kommen. Ebenfalls auf der „Abschussliste“ stehen manch Hochfrequenzstandorte, die in den allgemeinen Abwärtsstrudel der Einzelhandelskrise geraten und viel zu hohe Festkosten (der Doppelzangengriff aus exorbitanten Mieten plus langer Öffnungszeiten) aufweisen. Natürlich ließe sich all dies mit einer höheren Vergütung abmildern, nicht selten aber nur hinausschieben.

Grenzwertige Filialen bleiben grenzwertig, etliche Lauflagenstandorte sind aus der Zeit gefallen, was ganz andere Einzelhandelsgrößen zu spüren bekommen. Allenfalls eine massiv höhere Rx-Vergütung könnte auf einige Jahre hinweg den Niedergang von beinahe jedem Todgeweihten hinauszögern – und nebenbei nicht tragfähige Geschäftsmodelle konservieren oder sogar neu vitalisieren. Die Kosten für die Versicherten betrügen übrigens 3,3, 5,3 und 6,1 Milliarden Euro bei einem auf 12 €, 14,14 € oder gar 15 € erhöhten Rx-Fixum (GKV und Privatverordnungen, mit zu entrichtender Mehrwertsteuer). Wer glaubt daran noch in der gegenwärtigen Großwetterlage?

Andererseits sollte man den in Schwung kommenden Kellertreppeneffekt nicht ausufern lassen, was von etlichen Politikern durchaus gesehen wird. Maßvolle Erhöhung des Rx-Fixums bzw. Zurückfahren des Kassenrabatts, wirkliche Erleichterungen im Alltag, kaufmännische Freiheiten im Einkauf, die adäquate Bezahlung heute noch querfinanzierter Leistungen wie Rezepturen und etlicher Dienstleistungen, neben der proaktiven Erschließung neuer Märkte und Betätigungsfelder, hätten zusammen einen hohen stabilisierenden Effekt, ohne in abenteuerliche Milliardenkosten auszuufern. Spätestens bei einer neuen Regierung gilt es, ein austariertes Konzept vorzulegen, sonst ist der nächste Reinfall garantiert.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

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