Das Mindset erfolgreicher Apothekeninhaber

Vom Unterlasser zum Unternehmer


Florian Giermann

In Zeiten des Umbruchs und wachsender Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass Sie sich als Apothekeninhaber vom „Malocher“ zum strategisch agierenden Unternehmer weiterentwickeln. Das geht freilich nicht über Nacht und erfordert Mut, Eigeninitiative sowie die Bereitschaft loszulassen und ausgetretene Pfade zu verlassen. Der nachfolgende Artikel skizziert holzschnittartig, wie dieser Prozess gelingen kann.

Ein Unternehmer sollte die Strategie vorgeben und delegieren können – dafür muss er sich aus dem Tagesgeschäft rausnehmen und dadurch die nötigen Freiräume schaffen. (© AdobeStock/wai)

Der Apothekenmarkt ist gerade stark im Umbruch: Steigende Kosten, der eklatante Fachkräftemangel und ein sich durch die Einführung des E-Rezeptes verschärfender Wettbewerb bringen die Erträge unter Druck und die Inhaber unter Zugzwang. Die ernüchternde Folge dieser Entwicklung: Immer mehr Apotheken schließen – allein im letzten Jahr waren es gut 550 Betriebe.

Selbst scheinbar in Stein gemeißelte Gesetzmäßigkeiten wie die Bedeutung, die der Standort einer Apotheke auf deren Ertragslage hat, verlieren an Gültigkeit: So machen z. B. nicht rechtzeitig signierte Verordnungen vielen Apotheken in Ärztehäusern das Leben schwer, wogegen Apotheken in Wohngegenden Zuwächse verzeichnen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung kommt es heute mehr denn je auf die Einstellung (neudeutsch das „Mindset“) des Inhabers an: Sie entscheidet maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg eines Betriebs!

Weil unser Denken das Handeln stark beeinflusst, ist eine positive Grundeinstellung ein wesentliches Merkmal, das alle erfolgreichen Unternehmer auszeichnet. Damit ist mitnichten gemeint, dass das berühmte Glas immer halb voll sein muss. Im Gegenteil: Unternehmertypen sehen den metaphorischen Füllstand ihres Glases sehr realistisch. Aber auch wenn es zu 99 % gefüllt ist, überlegen sie schon, wie sie wieder auf die 100 % kommen. Im Gegenzug haben sie auch kein Problem mit einem halb leeren Glas, sofern sie wissen, wie es wieder aufgefüllt wird.

Die positive Grundeinstellung sorgt für den Spaß und die Freude, die solche unternehmerisch denkenden Menschen dabei empfinden, wenn sie neue Wege gehen, Grenzen verschieben und Lösungen für neue Probleme finden.

Die eigenen Stärken und Schwächen kennen

Grundlage für eine solche Haltung ist eine ehrliche Bestandsaufnahme sich selbst gegenüber. Nur wer sich seiner eigenen Stärken und Schwächen voll und ganz bewusst ist, kann darauf aufbauen. Was in guten Zeiten ein Luxus ist, wird in Krisenzeiten zum Überlebensgaranten: Spätestens dann sollte man seine Stärken kennen, denn auf sie kann man sich verlassen. Und was die Schwächen betrifft, so sollte es in jeder Apotheke Mitarbeiter geben, die genau diese Tätigkeiten besser können als der Inhaber.

Eine weitere, wichtige Eigenschaft von Unternehmern ist die Eigeninitiative. Sie äußert sich darin, dass unternehmerisch agierende Apotheker nicht abwarten, sondern agieren. Sie investieren Zeit in die Recherche geeigneter Projektpartner und sprechen diese aktiv an. Sie gestalten Konditionen und haben stets den ersten Vorschlag für eine Rahmenvereinbarung, statt zu warten, was angeboten wird. Und Geschäftsbeziehungen, die nachteilig sind, werden konsequent beendet.

Dabei ist dieser Typ Unternehmer offen für neue Entwicklungen und Innovationen. Was vor zehn Jahren Kommissionierautomaten und Rezeptscanner waren, sind heute 3D-Drucker für Arzneimittel und Künstliche Intelligenz. Es geht hier nicht um eine Expertise auf diesen Gebieten, das wäre viel zu viel verlangt, nur um ein allgemeines Verständnis darüber, wie sich neue Trends auf das eigene Unternehmen auswirken könnten. Stets dabei mitgedacht wird, welchen Beitrag eine Neuerung haben könnte, um das eingangs beschriebene Glas wieder auf 100 % (und darüber hinaus) aufzufüllen. Da einem das Wissen über neue Entwicklungen jedoch selten einfach so zufliegt, ergreifen Unternehmertypen auch hier die Initiative und besuchen Fortbildungen und Kongresse zu aktuellen Themen.

Der Weg vom Malocher zum Macher: loslassen

Es soll tatsächlich Menschen geben, die mit einer Unternehmerpersönlichkeit geboren werden. Alle anderen gehen zur Schule und wachsen durch ihr familiäres und später berufliches Umfeld in Gewohnheiten hinein, die den oben beschriebenen Eigenarten meist nur bedingt entsprechen. Aber auch sie können sich zu Unternehmern entwickeln – vorausgesetzt, sie setzen sich selbst nicht unter Druck und erwarten, dass eine solche Veränderung der eigenen Gewohnheiten über Nacht geschieht.

Wenn man sich selbst eher als „Unterlasser“ fühlt, sich jedoch hin zum Unternehmer entwickeln möchte, dann ist es vor allem wichtig, mit kleinen Schritten zu starten. So könnten Sie als Inhaber beispielsweise damit anfangen, sämtliche Aufgaben in Ihrem Betrieb zu analysieren.

Dann suchen Sie sich eine davon heraus, die Sie an einen Mitarbeiter delegieren. Ab diesem Moment ist es entscheidend, dass Sie diese Tätigkeit komplett loslassen. Zu Beginn empfiehlt es sich, noch gelegentlich das Ergebnis zu kontrollieren. Sobald Sie jedoch das sichere Gefühl haben, dass auch andere in Ihrem Team die Aufgaben gut genug erledigen, delegieren Sie eine weitere.

So entstehen Freiräume – die erste wichtige Voraussetzung, um aus dem „Hamsterrad“ des Tagesgeschäfts auszusteigen und sich um die eigentlichen Aufgaben eines Unternehmers zu kümmern: Personalführung und -Planung, Ist-Analyse und strategische Weiterentwicklung der Apotheke, Prozessoptimierung etc.

„Ein guter Chef macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance.“ In diesem Spruch steckt mehr Weisheit, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Das Delegieren als wichtigste Maßnahme, um als Chef aus dem Hamsterrad auszusteigen, wurde an dieser Stelle bereits diskutiert („Raus aus dem Hamsterrad!“, AWA 12/ 2023, S. 6 f.)

Hohe Renditen garantiert – ins eigene Personal investieren

Die erste und wichtigste Aufgabe eines unternehmerisch denkenden Inhabers ist sicherlich die Investition ins eigene Personal. Wer, wenn nicht das Team, sollte in der Lage sein, Aufgaben in einer Qualität zu erledigen, wie die Kunden sie auch vom Chef gewohnt sind? Das setzt allerdings eine transparente und offene Kommunikations- und Führungskultur in der Apotheke voraus. Dazu gehört auch, dass bei wichtigen Entscheidungen stets die Beweggründe dafür genannt werden. Dann fällt es dem Team leichter, sich bei notwendigen Änderungen entsprechend anzupassen. Empathie auf Seiten der Apothekenleitung wiederum hilft, nicht offen geäußerte Vorbehalte und Bedenken der Mitarbeiter zu erkennen und darauf proaktiv einzugehen. Diese Art der Kommunikation mag anfangs etwas anstrengend wirken. Letztlich macht das aber genau den Unterschied zwischen exzellenten und lediglich guten Teams. Ist ein solches beidseitiges Verständnis erst einmal hergestellt, setzt das wiederum Zeit und Ressourcen frei für andere wichtige Aufgaben.

Während der „Unterlasser“ darauf wartet, dass jemand das nächste Projekt mit ihm plant und ihm die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt, setzt der Unternehmer schon die ersten Schritte um. Und wenn er scheitert, so denkt er allenfalls – frei nach Thomas Edison: „Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“

Dazu gehören unter anderem Weiterbildungen. Sie sind häufig ein maßgeblicher Faktor für die Motivation im Unternehmen. Wenn man neben der operativen Tätigkeit noch den eigenen Horizont erweitern und sich auf Fachbereiche, die einem persönlich liegen, spezialisieren kann, so erhöht das die Loyalität der Apotheke gegenüber.

Von den Besten lernen

Schließlich sind erfolgreiche Unternehmer in der Regel überzeugte Netzwerker. Für Apotheker eignen sich neben der Kammer und dem Verband hierfür vor allem Erfa-Gruppen. Dort tauscht man sich mit anderen Inhabern über teils vertrauliche betriebswirtschaftliche Kennzahlen aus – und lernt so von den Besten. Durch den Austausch mit Gleichgesinnten werden Glaubenssätze herausgefordert, und es entsteht ein fruchtbarer Nährboden für neue Ideen.

Am Ende dieser hier nur holzschnittartig skizzierten Entwicklung, wenn durch das richtige Mindset aus dem „Malocher“ ein Macher geworden ist, hat dieser noch zwei Aufgaben:

  • Den Blick auf das betriebswirtschaftliche Ergebnis der Apotheke: Stehen die Kosten in einem guten Verhältnis zu den Einnahmen? Ist die Liquidität gesichert und planbar?
  • Den Blick auf das morgen: Wie kann der eigene Standpunkt in einem sich immer schneller ändernden Markt nachhaltig gesichert und ausgebaut werden? Welche Partnerschaften sind auf diesem Weg hilfreich, und welche Veränderungen hilfreich oder sogar notwendig?

 

Florian Giermann, Berater, Speaker und Autor, Jurist, 67256 Weisenheim am Sand, E-Mail: info@floriangiermann.de

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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(14):6-6