Praxiserfahrungen mit dem E-Rezept: Ein Jahr im Rückblick

Das rosa Papierrezept wird zum Auslaufmodell


Marcus A. Krause

Das seit Jahresbeginn verpflichtende E-Rezept birgt aus der Sicht der Inhaber noch immer einige Fallstricke. Der Umstieg von der Muster-16-Verordnung hin zur elektronischen Variante hat in unseren Apotheken Vorteile, aber auch neue Herausforderungen gebracht. In diesem Artikel möchten wir unsere Praxiserfahrungen teilen, vor allem mit Blick auf die verschiedenen Einlösewege sowie das Patienten-Feedback.

Hat die Muster-16-Verordnung bald ausgedient? Die bisherigen Erfahrungen mit dem E-Rezept legen das zumindest nahe, auch wenn das Digital-Wunderland Deutschland stets für Überraschungen gut ist. (© AdobeStock/Alexander Raths) 

Abgesehen von aktuell noch nicht elektronisch einlösbaren Verordnungen (Privat- und BTM-Rezepte sowie weitere Ausnahmen) ist der Anteil an „analogen“ Muster-16-Verordnungen in unseren Apotheken mittlerweile verschwindend gering. Von den E-Rezepten werden aktuell rund 90 % über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) eingelöst. Dieser Einlöseweg hat sich als besonders zuverlässig erwiesen, da die meisten Patienten bereits mit der Nutzung ihrer Gesundheitskarte vertraut sind. Der Ausdruck des E-Rezepts wird von etwa 8 % der Patienten genutzt. Lediglich 2 % der Rezepte werden bei uns über die Gematik-App eingelöst, während andere Apps aktuell keine Rolle spielen.

Unbedingt zu empfehlen ist, dass Sie als Apothekeninhaber /-leiter für den Fall, dass es Störungen rund um das E-Rezept gibt, ein Notfallkonzept erarbeiten und Ihr Team darauf schulen. Nur so ist sichergestellt, dass im Ernstfall jeder Mitarbeiter genau weiß, was zu tun bzw. wer zu informieren ist, um das Problem schnellstmöglich zu beheben!

Eine Zunahme beobachten wir derzeit bei den Einlösungen über die Gematik-App. Die Übergangslösung CardLink (eH-CL) und darauf aufbauende Apps werden von unseren Kunden aktuell noch nicht nachgefragt. Eine echte Alternative zur eGK könnte in absehbarer Zeit die Gesundheits-ID werden, schließlich soll damit der Zugang zu Online-Anwendungen wie dem E-Rezept oder der elektronischen Patientenakte (ePA) erleichtert und über das Smartphone intuitiver werden.

Zeitvorteil und Effizienz

Ein großer Vorteil des E-Rezepts ist die enorme Zeitersparnis, die dieses zumindest dem Grunde nach ermöglicht: Rezepte können schneller verarbeitet und Medikamente zügiger an die Patienten abgegeben werden. Die digitale Archivierung der Rezepte erleichtert zudem die Nachverfolgung und Dokumentation, was sowohl für die Apotheken selbst als auch für die Krankenkassen von Vorteil ist. Die automatische Kontrolle und Übermittlung an das Abrechenzentrum spart weitere Zeit und senkt das Retax-Risiko.

Aus Patientensicht musste bislang jedes Papierrezept in der Arztpraxis abgeholt werden, Folgerezepte können beim E-Rezept nun auch ohne Arztbesuch ausgestellt werden. Der Gang zum Arzt ist dann nur einmal pro Quartal oder bei Neuverordnungen notwendig. Bei Rückfragen durch die Apotheke – vorausgesetzt die Ärzte sind erreichbar – können Rezepte innerhalb weniger Minuten aktualisiert, geändert oder neu ausgestellt werden. Zudem wird eine erhebliche Menge an Toner bzw. Tinte gespart, wenn die Rezeptinformationen digital übertragen werden.

Verschwundene E-Rezepte und Freitextverordnungen

Die Telematikinfrastruktur (TI) und damit verbundene Prozesse laufen bei uns inzwischen sehr zuverlässig. Anfangsschwierigkeiten wurden größtenteils behoben bzw. sind bei uns eher selten aufgetreten. Andere Apotheken und Ärzte hatten anfänglich anbieterabhängig weitaus größere Probleme. Die Rezeptübertragung verläuft in unseren Apotheken weitgehend reibungslos, und auch die Integration in das Warenwirtschaftssystem funktioniert gut. Dass E-Rezepte nicht abruf- oder bearbeitbar, oder die Server überlastet sind, erleben wir nur recht selten.

In einzelnen Fällen kommt es vor, dass E-Rezepte „spurlos verschwinden“: In solchen zum Glück seltenen Fällen – die der Gematik und den WWS-Anbietern durchaus bekannt sind – hilft nur die Rücksprache mit dem Arzt und eine Neuausstellung. Das Problem ist hier, dass das Rezept in der Praxisverwaltungssoftware (PVS) des Arztes weiterhin als gültig, in der Apotheke aber als „in einer anderen Apotheke in Bearbeitung“ angezeigt wird. Da braucht es eine individuelle Lösung zusammen mit dem Arzt.

Grundsätzlich störanfällig sind Freitextverordnungen anstelle der Pharmazentralnummer (PZN) sowie fehlende Dosierangaben: Freitextverordnungen müssen manuell überprüft werden, was zusätzlichen Aufwand mit sich bringt und die rasche Arzneimittelabgabe verzögert.

Herausforderungen aus Patientensicht

Eine besondere Herausforderung waren Patienten, die sich schwer damit taten, kein physisches Rezept mehr in der Hand zu halten. Einige vergaßen deshalb sogar ihre Rezepte einzulösen. Oft bemerkten sie erst, dass ihnen Medikamente fehlten, wenn diese aufgebraucht waren. War das Rezept bereits abgelaufen, wurde ein erneuter Arztbesuch notwendig. Ein weiteres Problem liegt darin, dass Patienten bei elektronischen Verordnungen nicht mehr selbst überprüfen können, ob alle Medikamente vollständig und korrekt verordnet wurden. Dies wird häufig erst in der Apotheke festgestellt. Da Ärzte telefonisch oft schwer zu erreichen sind, gestaltete sich die Klärung solcher Probleme zeitaufwändig. Ein unerwartetes Problem stellt die „Sammelleidenschaft“ mancher Patienten dar: Sie präsentieren häufig ihre alte, abgelaufene Gesundheitskarte, während die neue Karte zu Hause liegt. Dies macht den Zugriff auf das E-Rezept unmöglich und verzögert die Patientenversorgung.

Zusammenarbeit mit Ärzten

Die Zusammenarbeit mit den Ärzten vor Ort funktioniert bei uns sehr gut. Die meisten Ärzte nutzen die Komfort-Signatur, somit sind die Rezepte direkt beim Patientenbesuch in der Apotheke abrufbar. Allerdings gibt es Ausnahmen, die weiterhin auf die Stapel-Signatur bestehen. Dies führt dazu, dass Patienten mehrmals in die Apotheke kommen müssen. Im schlimmsten Fall kann es sogar zur Folge haben, dass Patienten über das Wochenende nicht mit ihren notwendigen Arzneimitteln versorgt werden können.

Ob sich CardLink für die Versender tatsächlich rechnen wird, ist schwer einzuschätzen. Aktuell sehen wir bei uns noch keine messbare Abwanderung zum Versandhandel. Wir wissen aber auch, dass dies nur eine Momentaufnahme ist und in Zukunft die digitalen Einlösewege für Rezepte zum Standard werden – auch in den Vor-Ort-Apotheken. Insofern gilt es, gut vorbereitet zu sein!

Ausblick und zukünftige Entwicklungen

Interessant wird die Entwicklung in den kommenden Monaten sein. CardLink spielt bei unseren Kunden derzeit keine Rolle, die Nutzung der Gematik-App läuft an, und die Einführung der Gesundheits-ID sowie die damit verbundenen neuen Apps der Krankenkassen werden sowohl für die Patienten als auch Apotheken an Bedeutung gewinnen. Einige Krankenkassen haben bereits Apps an den Start gebracht, und wir erwarten, dass nach und nach auch unsere Kunden diese Angebote nutzen werden. Da CardLink nur als Zwischenlösung fungieren soll und die Gematik-App an Beliebtheit gewinnt, wird sich zeigen, wie schnell die Gesundheits-ID mit den dazugehörigen Apps das Nutzungsverhalten verändern wird und ob man als Apothekeninhaber auf CardLink als Zwischenlösung setzen muss.

Die Zukunft der Medikamentenverordnung ist digital

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das E-Rezept viele Vorteile bietet, insbesondere die (zumindest perspektivisch) höhere Effizienz und Zeitersparnis. Die Zusammenarbeit mit den Ärzten läuft gut, und technische Anfangsschwierigkeiten wurden bei uns größtenteils überwunden. Dennoch gibt es nach wie vor Herausforderungen, insbesondere für technisch nicht versierte Patienten sowie in der Kommunikation zwischen den Beteiligten. Wir erwarten jedoch, dass sich diese Probleme mit der Zeit weiter minimieren lassen werden. Die Zukunft der Medikamentenverordnung ist digital, und das E-Rezept ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung!

 

Musterbeispiel für digitale Defizite

Die Beantragung des elektronischen Heilberufeausweises (eHBA) und der SMC-B-Karte (Security Module Card Typ B) war für uns ein „Musterbeispiel“ für die Defizite im Bereich Digitalisierung sowie im (mangelhaften) Zusammenspiel der verschiedenen Akteure.

  • So konnte der Antrag für den eHBA beim ersten Anbieter (einer der Big Player) auch nach mehrfach digital versendeten Anträgen nicht bearbeitet werden, da nicht nachvollziehbare händische Veränderungen erkannt wurden. Bei demselben Anbieter kam es über einen längeren Zeitraum zu massiven morgendlichen Störungen, was ein vernünftiges Arbeiten mit dem E-Rezept sowohl auf unserer als auch auf Arztseite unmöglich machte.
  • Blieb nur ein Wechsel. Beim zweiten Anbieter dauerte die Beantragung der SMC-B-Karte mehrere Monate, da ein Prüf-Prozessschritt offen war und die Verantwortung zwischen Kammer und Anbieter hin- und hergeschoben wurde.
  • Spätere Beantragungen liefen dann allerdings ohne Probleme durch – immerhin.

 

 

Marcus A. Krause, Apothekenmanagement, Sindy-Krause-Apotheken, 08107 Kirchberg, E-Mail: marcus.krause@sindy-krause-apotheken.de

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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(15):8-9