Die nüchterne Außensicht

Sind Apotheken (zu) teuer?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die Diskussion um höhere Honorare steckt in der Sackgasse. Selbst Kompromisse auf einem gegenüber den ursprünglichen Forderungen stark abgespeckten Level erweisen sich bislang als sehr zäh. Da stellt sich die Frage: Wer würde es eigentlich wirklich billiger machen können? 

Etwas mehr Selbstbewusstsein würde den Apothekern gut zu Gesicht stehen – denn die Wettbewerber wie Shop-Apotheke, dm & Co. kochen auch nur mit Wasser. (© AdobeStock/showcake)

Man mag zwanzig „verlorene“ Jahre entgangener Honoraranpassungen bühnenreif beklagen und mit dieser Rechtfertigung das Fixhonorar einfach gemäß der Inflationsrate fortschreiben, was in etwa zu der Forderung von 12,00 € führt. Andere Gruppierungen (Freie Apothekerschaft sowie der Verband der innovativen Apotheken) legen mit 14,14 € bzw. gar 15,00 € noch eine Schippe drauf. Doch diese Strategie darf getrost als gescheitert gelten.

Klüger ist es, sich Gedanken zu machen, wo man im Wettbewerb steht bzw. künftig stehen könnte. Ist man wirklich (zu) teuer? Dann müsste man sich tatsächlich über kurz oder lang angesichts der Herausforderungen in den Sozialsystemen Sorgen machen! Oder kochen die anderen nicht auch nur mit Wasser und könnten ebenfalls nicht deutlich billiger anbieten, erst recht bei Betrachtung des gebotenen Gegenwertes? Versuchen wir uns dem Thema anhand zugänglicher Daten sowie mittels sachgerechter Abschätzungen anderer Geschäftsmodelle zu nähern.

Angstgegner Versand

Nach wie vor ist der Versandhandel der gefürchtete Wettbewerber schlechthin, vor allem bei den Verordnungen, welche ungeachtet aller (Wunsch-)Rechnungen von defizitären Rx-Packungen das Rückgrat der Apotheken darstellen. Allein die Stückertragsdifferenz (9 € bis 10 € Rx-GKV, gut 11 € Rx-PKV) gegenüber rund 4 € im OTC-Segment setzt ein Ausrufezeichen, zumal statistisch mehr als eine Rx-Packung in einem Zug verordnet wird. So bleibt ein Rezeptertrag von 12 € bis 14 € in der GKV, auf Privatrezept noch etwas mehr.

Selbst wenn sich der Begriff „Rezept“ mit der elektronischen Variante, die ja nur noch Rezeptzeilen als ein „E-Rezept“ kennt, etwas auflöst – meist bleibt die Gesamtverordnung bestehend aus mehreren Positionen immer noch in einer Apotheke. Der Apothekenumsatz je Kunde („Bonumsatz“) bewegt sich um 65 € bei gut 13 € bis 14 € Rohertrag. Die Gesamtkosten je Kunde betragen dagegen 10 € bis 11 €.

Wie steht der Versandhandel? Ergiebig sind die Geschäftsberichte von Redcare Pharmacy (Shop-Apotheke), einer börsennotierten Aktiengesellschaft und insoweit publizitätspflichtig, bis hin zu Nachhaltigkeitsberichten.

In aller Kürze stehen da insgesamt 1,8 Mrd. € Umsatz, 24,5 % Rohertragsmarge, 10,8 Mio. Kunden, etwa 50 € Nettoumsatz je Sendung (ohne Verordnungen), 29,4 Mio. Bestellungen bzw. Päckchen und 0,84 kg CO2 je Sendung. Es ergeben sich rein operative Aufwendungen vor Kapitalkosten von gut 13 € je Bestellung (mit Kapitalkosten um 15 €), und ein Rohertrag von knapp 15 . Die Gewinne sind nur auf operativer Ebene (EBITDA) mit 3 % knapp im Plus, unter dem Strich noch leicht negativ. In den DACH-Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz, 81 % Umsatzanteil) liegt das EBITDA mit 4,5 % etwas höher. Befriedigend ist die Ertragslage aber noch keinesfalls.

Zwischenfazit: Der Versand hat pro Bestellung bislang immer noch deutlich höhere Kosten als die Apotheke vor Ort je Bonkunde. Allzu hohe operative Skaleneffekte sollte man im Versand nicht mehr erwarten; der Weg zum Erfolg liegt dort in der Steigerung der Bestellwerte und -erträge (Rezepte!).

Drogeriemärkte auf dem Sprung?

Es ist kein Geheimnis, dass die Drogeriemarktketten Interesse am Apothekenmarkt haben. Bei durchschnittlich 700 bis 800 qm Fläche (dm) und gut 600 qm (Rossmann) sollte eine „Prescription corner“ machbar sein, oder auch mehr. Schauen wir auf die Kennzahlen (Tabelle 1).

 

Umsatzmäßig spielen die Drogeriemärkte in der Klasse gehobener Apotheken. Ihre Umsätze je Kundenbesuch liegen aber nur bei knapp einem Viertel, die Erträge bei einem Drittel. Dafür ist es ein Selbstbedienungs-Geschäftsmodell.

Die Personalkostenquote liegt dennoch im Bereich derer von Apotheken oder gar etwas darüber. Gründe sind u. a. die Öffnungszeiten und ein nicht unerheblicher Aufwand für die Pflege des viel größeren Präsentationssortiments. Welche Optionen, einmal vom bisher noch schützenden Rechtsrahmen abgesehen, gäbe es prinzipiell? Infrage kämen …

  • … ein eigenes Betreibermodell,
  • … Untermietmodelle von bestehenden Apotheken, ob als deren Filiale, gar Hauptapotheke oder demnächst vielleicht als „Zweigapotheke“ mit reduzierter Ausstattung.
     

Grundsätzlich fällt aus Sicht des Drogeriemarktbetreibers erst einmal bisher genutzte Fläche weg, die im Schnitt für 1.500 € bis 2.000 € Rohertrag je Quadratmeter stand. Bei 100 qm bis 150 qm Apothekenfläche wird das schnell deutlich sechsstellig und muss überkompensiert werden. Das heutige Gesundheitssortiment ließe sich allerdings in den Apothekenbereich überführen, so wäre wieder Fläche gewonnen.

Im Falle eines eigenen Betreibermodells wären hohe Kosten für zusätzliches Fachpersonal und rund 3.700 Stunden jährlich („8 bis 20 Uhr“), eine andere Ablauforganisation und zudem Grundinvestitionen in Einrichtung, neue pharmataugliche IT-Systeme und Waren erforderlich. Realistisch betrachtet dürften die Zusatzkosten bei 500.000 € jährlich als Untergrenze beginnen.

Zusammen mit den o. a. Flächenverdrängungseffekten dürfte die Rentabilitätsschwelle bei Roherträgen von im Mindesten 600.000 €, eher 700.000 € aufwärts beginnen. Das bewegt sich in der Größenordnung einer heutigen statistischen Durchschnittsapotheke, welche aber noch auf 120.000 € bis 160.000 € Überschuss kommt. Somit liegt der Break-even tendenziell höher als bei heutigen inhabergeführten Apotheken.

Die Gretchenfrage wäre, ob die Kunden ihre Rezepte einlösen wie in der klassischen Apotheke, oder ob der „Centerapotheken-Effekt“ einträte. Am Ende könnte aber eine Mehrkundengewinnung stehen, was das übrige Drogeriesortiment beflügeln würde. 30.000 Mehrkunden mal 5,00 € Bonertrag sind auch eine Hausnummer. Schaut man dann noch auf die Einzugsgebiete (Marktpotenzial!) der Drogeriemärkte, könnte die Rechnung am Ende aufgehen. Aber würde es billiger? Da bestehen allergrößte Fragezeichen!

Ein anderes Modell wäre die Untervermietung von Flächen an willige Apotheker (was im Grunde, ähnlich wie bei Lebensmittlern, bei entsprechender baulicher Abtrennung schon heute möglich wäre). Für den Drogeriemarkt winken sichere Mieten, die aber kaum über einen mittleren oder höheren fünfstelligen Betrag jährlich hinausgehen würden, und zudem Zusatzkunden, siehe oben. Dafür geht Fläche für das bisherige Sortiment verlustig. So richtig prickelnd erscheint das nicht. Das gilt erst recht für die Apotheke, denn 300.000 Drogeriemarktkunden sind als Frequenz viel zu niedrig.

Fazit

Woanders wachsen die Bäume ebenfalls nicht in den Himmel. Der kleine Umriss illustriert, dass andere Handelskanäle keineswegs günstiger sein müssen. Das mag bei einzelnen Produkten anders aussehen, über alles betrachtet aber nicht. Das zeigen übrigens auch internationale Vergleiche. Der Berufsstand wäre gut beraten, dies stärker hervorzuheben. Anders kann die Rechnung bei einer reinen „Automaten-Apotheke“ aussehen. Dazu mehr in einem weiteren Beitrag.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Weiterführende Artikel zum Thema

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(15):4-5