Prof. Dr. Reinhard Herzog
Die Meldung hatte es in sich: Das mit etwa 800 Mio. Euro Anlagevolumen, 3.000 Mitgliedern und 1.000 Rentenempfängern eher kleine Apotheker-Versorgungswerk Schleswig-Holstein hat 2023 mit strammen 59 Mio. Euro Verlust abgeschlossen. In die gepflegte klandestine Heimeligkeit und traute Harmonie der Wächter fremden Geldes ist nun ein erster Hauch von frisch-kühler Luft eingezogen. Von vorbehaltloser Transparenz ist man noch weit entfernt – ein Kernproblem. Was aber an die Öffentlichkeit dringt, lässt den Betrachter einigermaßen erstaunt zurück.
Da wimmelt es von Begriffen wie mezzaniner Finanzierung, Bürogebäude-Entwicklung oder Immobilien- bzw. Finanzierungs-Fonds nebst Darlehensgewährung an derartige Konstruktionen. Das Versorgungswerk als Geldgeber für allerlei Player vorrangig aus der Immobilienbranche? Einer Branche, die reich an schillernden Geschäftsmodellen ist, welche sich in zig Fonds unterschiedlichster Couleur spiegeln? Ein Viertel des Geldes steckt in direkten und indirekten Immobilienbeteiligungen, weitere 19 % in sogenannten Mezzanine-Finanzierungen, gern nachrangig und damit insolvenzgefährdet.
Nun sind solide Top-Immobilien in guter Lage, übrigens auch Wälder und fruchtbares Ackerland, auf lange Sicht stabile Basis-Investments. Diese Güter sind nicht beliebig vermehrbar und steigen langfristig im Wert, sicher nicht wie die Highflyer an der Börse, dafür aber kontinuierlich mit weit geringerem Verlustrisiko. Dass man dort etwas komplett abschreiben oder stark nach unten „wertberichtigen“ muss, ist sehr unwahrscheinlich, sofern man jetzt nicht gerade in ukrainische Schwarzerde investiert hat. Das sieht bei einem 08/15-Bürogebäude ganz anders aus. Noch schlimmer ist es, wenn man nur als Finanzier für solche „Entwicklungsprojekte“ auftritt. Mögen einige Prozentpunkte Mehrrendite gegenüber der Kapitalmarktverzinsung winken: Das wiegt das Risiko hoher Verluste schlicht nicht auf, bei eben trotzdem recht limitierten Renditechancen. Warum bieten solche Projektentwickler überdurchschnittliche 6 % oder 7 % Zinsen? Weil die Banken das eben nicht finanzieren, aus guten Gründen. Wenn da ein Versorgungswerk einspringt, muss man dies schon als einen weiteren Beleg für das bekannte „stupid german money“ sehen.
Machen wir eine einfache Zinseszinsrechnung für ein rein kapitalgedecktes System auf. Wir nehmen an, dass Sie über 30 Jahre hinweg jährlich 15.000 € (= nahe dem heutigen Höchstbeitrag) anlegen. In Preisen von heute bei 4 % Durchschnittsrendite macht das am Ende gut 850.000 €, bei 6 % sind es schon 1,2 Mio. €, bei 8 % 1,75 Mio. €. Nun sind das Nominalbeträge. Diese reduzieren sich bei z. B. 2,5 % durchschnittlicher Inflation jährlich auf knapp die Hälfte real. Dieser Falle kann man übrigens leicht entkommen, indem Sie Ihre Sparraten entsprechend der Inflation Jahr für Jahr erhöhen. Dann entsprechen die genannten Beträge näherungsweise dem Realwert von heute und fallen nominal in Euro und Cent natürlich viel höher aus. Nebenbei: Die Höchstbeiträge in der Rentenversicherung steigen auch Jahr für Jahr, und die Beitragssätze absehbar ebenfalls.
Mit solchen Kapitalstöcken wie oben umrissen zahlen Sie sich allein aus den Zinserträgen eine schöne Rente. Die Renditen sind keineswegs utopisch, wenn Sie stabil über Jahrzehnte hinweg in einen Mix aus Beteiligungen an den besten Firmen der Welt (Aktien!), gute Immobilien, einige Prozent „Hartwährung“ (Edelmetalle) sowie etwas Festverzinsliches anlegen.
Müssen Sie nun um Ihre Rente fürchten? Das nicht, dazu ist zu viel Substanz da, nebst laufenden Einnahmen. Aber mit der künftigen Rentendynamisierung wird es schwieriger, je nach Versorgungswerk. Der Vorsprung zur gesetzlichen Rente schmilzt dahin, die Berechenbarkeit sinkt. Der demografische Wandel läuft, und das Fundament – zu großen Teilen Apothekenerträge – ist in schwierigem Fahrwasser. Perspektivisch ist ein Drei-Säulen-System, siehe Schweiz, zu diskutieren: 50 % der Pflichtbeiträge in die aufgrund der großen Zahl an Betroffenen (= Wähler!) doch recht stabile gesetzliche Rente, die andere Hälfte in Versorgungswerke, und zudem eine stabile, private dritte Säule. Auf drei Beinen steht man besser als auf nur einem mit evidenten Ermüdungserscheinungen. Stärken Sie vor allem das dritte Bein und verlassen Sie sich weniger auf andere!
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
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