Hochpreis-Präparate

Finanzieller Mühlstein oder gar Zukunftschance?


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Die „Hochpreiser“ machen den Apotheken seit Jahren immer mehr Sorgen, erst recht, wenn eine Kürzung des prozentualen Aufschlages um ein Drittel im Raum steht. Mythen und Ängste sind das eine, sachliche Kalkulation und der strategische Blick in die Zukunft das andere.

Hochpreispräparate: Finanzieller Mühlstein oder Zukunftschance?
(Bild: R. Herzog)

Es soll Apotheken geben, welche die Belieferung von ausgesprochenen Hochpreispräparaten ablehnen oder sich derart winden, dass die Kunden eben woanders schauen (müssen). Abgesehen vom Imageschaden und dem möglichen Verlust von durchaus einträglichen Stammkunden, der damit regelhaft verbunden ist: Wie sieht es an der Zahlenfront wirklich aus? Die kolportierten Einschätzungen reichen von „Verlustgeschäft“ bis hin zu „diese Stückerträge nehmen wir gerne mit“.

Tabelle 1 zeigt einen „Worst Case“ in Form eines extrem teuren Präparates mit einem Einkaufswert von 50.000 €, sowie einen durchschnittlichen „Hochpreiser“. Überschattet wird die Belieferung von zahlreichen Risiken und Unwägbarkeiten, siehe dazu ergänzend die Abbildung 1. Es sind diese Rahmenbedingungen, welche so manche Belieferung eher zum Lotteriespiel werden lassen, mit gerade einmal 3 % oder vielleicht bald 2 % Aufschlag als Hauptgewinn. Das stellt eine seriös berechenbare Rentabilität grundlegend infrage, welche rein kaufmännisch betrachtet durchaus gegeben sein könnte.

 

Abb. 1: Hochpreiser - mit zahlreichen Risiken und Unwägbarkeiten gespickt

Extremfälle (gut 6 Wochen Vorfinanzierung, was man aber u. a. durch die Wahl der Großhandelsabbuchungen mindern kann, siehe erste Wertespalte) können bei eigenen, hohen Zinsen zur betriebswirtschaftlichen Nullnummer geraten. Andererseits winken noch ganz ordentliche Kapitalrenditen, wenn Eigenkapital bei durchschnittlichen Vorfinanzierungszeiträumen eingesetzt wird (dritte Wertespalte).

Für einen durchschnittlichen Hochpreiser sehen die rein kaufmännischen Werte nicht so schlecht aus, selbst bei 9 % Zinsen (letzte Spalte, deutlich zweistellige Kapitalverzinsung auf Jahresbasis = „annualisiert“). Ausgewiesen sind weiterhin die Zinsen pro Tag. Man achte nicht nur auf die Prozente, sondern die absoluten Stückerträge, welche bei ähnlich hohem Zeitaufwand mit anderen Präparaten so nicht erzielt werden. Bei allen Berechnungen ist der Rx-Festaufschlag außen vor, denn dieser soll ja vorrangig die Beratung abdecken. Es ginge insoweit auf – wenn nicht die ganzen Unwägbarkeiten wären, ob man überhaupt sein Geld bekommt.

Lösungsansätze

Bisweilen wird daher ein 5 %iger Aufschlag zur Kompensation der kaufmännischen Risiken gefordert. Bei einem Einkaufsvolumen von 45 Mrd. € im gesamten Rx-Fertigarzneimittelmarkt (ohne Parenteralia und Rezeptursubstanzen), davon etwa 18 Mrd. € Hochpreiser, würde das zusätzliche Roherträge in Höhe von 900 Mio. (53.000 € je Apotheke) gegenüber heute einspielen. Die Kosten für die Krankenkassen lägen mit Mehrwertsteuer bei 1,07 Mrd. €. Das wäre nicht wenig. Doch so wäre man stärker an die Preisentwicklung angekoppelt. Bisher sind gerade die Hochkostenpräparate enorm im Preis gestiegen. Geht man dieses Problem der Fortschrittskostenfalle jedoch konsequenter an, oder beginnen in der Pharmaindustrie Umdenk- und Rationalisierungsprozesse (in der Arzneimittelforschung zeichnen sich Entwicklungen ab, die sinkende Preise bedeuten könnten), dann würde das Pendel in die andere Richtung schlagen. Kurzum: Eine solche zusätzliche (!) Summe wäre an anderen Stellen der Apotheke wohl besser investiert. So würde sich die Anpassung des Festzuschlages anbieten.

Perspektivisch führt an einer Minimierung der kaufmännischen Risiken kein Weg vorbei. Das Motto „hier Ware, da Geld“, in der Online-Welt üblich, ist überfällig. Prüfung der Abgabebestimmungen und Formalitäten automatisiert am Handverkaufstisch, Online-Freigabe, Abgabe der Ware, im Gegenzug Zahlung – fertig. Technisch ist dies längst möglich! Wer hier die Probleme im Detail sieht, sucht Gründe, und will keine Lösungen. In diesem Modell könnte man mit 3 %, gar 2 % Aufschlag leben, wenn ein auskömmliches Fixhonorar dahintersteht. Die Kapitalbindung für Bestellartikel (= ziemlich alle teuren Präparate) würde weitestgehend entfallen, dergleichen das Retaxationsrisiko.

Es gibt aber noch die Rx-Lagerartikel, die auf Vorrat liegen. Bei 1,5 % kaufmännischem Lagerkostensatz pro Monat decken 3 % Aufschlag zwei Monate ab, 2 % Aufschlag nur noch rund 40 Tage. Letzteres entspricht einer jährlichen Rx-Lagerumschlagszahl von 9,1. Die wird heute regelhaft übertroffen.

Insoweit würde es tatsächlich aufgehen – wenn ausdrücklich die sonstige Betriebsfinanzierung über Honorare gesichert ist und weiterhin die umsatzabhängigen Kosten einen „Hochpreiser-Deckel“ bekommen.

Fazit

Das heutige Abrechnungsmodell samt Rezeptkontrolle passt nicht mehr zu Hochkosten- und Hochrisikoprodukten. Im Grunde gilt das für alle verordneten Artikel. Die niedrigen prozentualen Aufschläge sind nur vertretbar, wenn keine Erstattungsrisiken mehr bestehen. Daran gilt es im Sinne aller zu arbeiten. Sind Hochkosten-Patienten bis dahin die neuen „persona non grata“ in den Apotheken? Das wäre eine sehr verkürzte Sichtweise, erst recht mit Blick auf die Zukunft. Denn diese Spezialpatienten können noch existenzsichernd werden. Zudem scharrt der Versand mit den Hufen angesichts der hohen Stückerträge und der bei einer Lifetime-Betrachtung attraktiven Hochkosten-Patienten. Dazu im nächsten Heft mehr.

 

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(18):4-4