Inflation

Die unterschätzte Gefahr


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Inflation war in den 1960er- und 1970er-Jahren ein großes Thema. Seit über 20 Jahren ist sie jedoch weitgehend unter Kontrolle. Erst in jüngster Zeit lernen viele Preise wieder das Laufen. Gleichzeitig sind große Teile der Apothekenhonorierung gedeckelt. Droht Ungemach?

Inflation wirkt wie ein schleichendes Gift. Bei 2% Inflationsrate dauert es rund 35 Jahre, bis die Kaufkraft eines heutigen Euro auf die Hälfte abgesunken ist, bei 3% sind es 23 Jahre, bei 5% gar nur 14 Jahre. Das hat viele Konsequenzen. Halten die Einnahmen mit der Entwertung nicht Schritt, ist damit ein kontinuierlicher Wohlstandsverlust verbunden. Lebensstandards werden so langsam abgeschmolzen. Daraus resultieren die gefürchteten „Zweit­run­den­effek­te“: Angesichts des drohenden Kaufkraftverlusts werden hohe Lohnforderungen ge­stellt, die wiederum die Preise treiben. Eine Spirale kommt in Gang.

Gleichzeitig werden die Schulden entsprechend entwertet – es findet eine Art Entschuldung statt. Insoweit begünstigt die Inflation eine unseriöse Wirtschaftsweise. Die Rechnung kommt jedoch irgendwann in Form von hochgradig wettbewerbsschädlichen Verwerfungen im Preis- und Währungsgefüge.

Die momentanen Preissteigerungen sind noch in erster Linie durch den Anstieg der Energiekosten sowie die teilweise explosionsartige Entwicklung der Rohstoffpreise bedingt. Die Lohnrundeneffek­te beginnen sich erst jüngst abzuzeichnen. Durch die Globalisierung und weltweite Beschaffungsmöglichkeiten, verbunden mit einem potenzi­ellen Überangebot an Billiglohnkräf­ten, waren die Preise bisher im Zaum. Doch auch in den Billiglohnländern steigen die Löhne zweistellig. Die Zeit immer günstigerer Beschaffungs­märkte ist erst einmal vorbei. Insoweit ist der weitere Ausblick auf die Entwicklung der Inflationsraten ungewiss.

Spezielle Apotheken­situation

Während viele Anbieter einfach die Preise erhöhen, zeigen in der Apotheke die Signa­le in die andere Richtung. Die OTC-Preise sind eher im Sinkflug, als dass höhere Aufschläge durchgesetzt werden könnten. Trotzdem zu beob­ach­tende Preissteigerungen resultieren aus neuen Packungsgrößen, anderen Auf­ma­chun­gen und Zusammensetzungen sowie „Line extensions“, sind also allesamt von der Industrie bestimmt.

Das Kombimodell ist weitge­hend festgezurrt. Die varia­ble Komponente bewirkt zwar eine gewisse Teilhabe an even­tu­el­len Preissteigerungen und der Struk­tur­komponente, wegen der vielen Billigpackungen ist das aber eher untergeordnet.

In Zahlen bedeutet dies, dass im Rx-Segment, welches im Schnitt für rund 70% des Umsatzes steht, jeder zusätzliche Euro nur 3 Cent zuzüglich des individuellen Rabatts, also in jedem Fall nur einen einstel­ligen Prozentsatz an zusätzli­chem Rohgewinn generiert. Lediglich echte Zuwächse an Packungszahlen bedeuten auch einen spürbaren Rohgewinnzuwachs. Im OTC-Segment bringt jeder zusätzliche Euro immerhin rund 40 Cent mehr Rohgewinn. Im Nicht-Arzneimittelbereich sowie in der Freiwahl sind es wieder deutlich weniger, etwa 20 bis 25 Cent je zusätzlichem Euro.

Die Tabelle auf Seite 6 fasst die Verteilung von fixer (Festaufschlags-abhängiger) und variabler Roh­ge­winn­kom­po­nen­te nach Apothekentypen zu­sammen. Erwartungsgemäß sind die rezeptlastigen Apo­theken überproportional von der Festaufschlagskomponente des Kombimodells abhängig. Bei ihnen ist die inflati­onsunabhängige „Deckelung“ besonders ausgeprägt. Reine Umsatzzuwächse (ohne Stückzahlveränderung) kommen nur zur Hälfte in Form höherer Roh­gewinne an. Ansonsten sind die verordneten Packungszah­len erfolgsrelevant. In barverkaufsorientierten Be­trieben ist hingegen der um­satz­va­ri­able Anteil am Rohgewinn spürbar höher. Durch Preis­erhöhungen ließe sich hier leichter gegensteuern. Allerdings gibt dies im Moment die Marktlage (noch) nicht her. Preiserhöhungen bringen auch nur etwas, wenn sie in der Breite durchgesetzt werden können. Eine Erhöhung ausschließlich bei kaum nach­gefragten Nischenprodukten verpufft hingegen wegen fehlender Stückzahlen. Dennoch sollten mögliche Preisspielräume gezielt genutzt werden. In hochkompetitiven Segmen­ten mit Signalwirkung sind die Preisspielräume dagegen viel geringer und fehlgeleitete Experimente werden teuer.

Zwischenfazit: Die derzeitige Preisbildung in der Apotheke federt inflationäre Entwicklungen nur unzureichend ab. Die allgemeine Wettbewerbslage im OTC-Segment kommt erschwerend hinzu. Damit bleiben als Gegenmaßnahmen die striktere Kontrolle der Kostenseite und das überproportionale, wert- und ren­diteorientierte Wachstum über dem Marktschnitt.

„Quasi-Inflation“

Obwohl keine Inflation im engeren Sinne, so gibt es dennoch eine Reihe von Entwicklungen, die de facto inflationäre Wirkungen entfalten.

Die Rede ist von Dingen wie überbordende Bürokratie, allerlei kostenträchtige Auflagen (man denke nur an Dokumentationspflichten, die Rabattverträge, demnächst noch die Gesundheitskarte), teilweise sicher auch die QMS-Aufwendungen und anderes mehr. Allen diesen Zusatzkosten ist gemein, dass letztlich kein unmittelbarer Zusatzwert oder irgendeine Wertschöpfung in der Apotheke dahintersteht. Der Patient hat davon in aller Regel nichts oder nur wenig.

Damit sind diese Kostenschübe zu einem guten Teil als inflationär anzusehen, zumindest aber unter dem Punkt „nichtwertschöpfende Komplexitätskosten“ abzuhaken. Komplizierte Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass immer höhere Aufwendungen diesen Komplexitätskosten geschuldet sind. Ganze Wirtschaftszweige bilden sich dabei neu heraus, man denke z.B. an die vielen QMS-Anbieter, die im Apothekensegment zu einer millionenschweren Branche geworden sind, oder an Beschäftigte im immer komplizierteren Vertragsrecht.

Gegenstrategien

Den inflationären Entwicklungen können Sie auf der Kosten­seite durchaus begegnen. Stei­gende Energiekosten sind ein Anreiz, Heizung, Klimatisierung und Beleuchtung wieder auf den neuesten technischen Stand zu bringen. Die größten Energiefresser sind:

  • Kühlung/Klimaanlage im Som­mer,
  • Heizung im Winter,
  • Beleuchtung,
  • Computersystem,
  • evtl. Kommissionierautomat.

Dabei ist es besonders ineffizient, wenn eine Beleuchtung mit vielen Kilowatt Leistung nur wenige Prozent Lichtausbeute ergibt und der in Form von Wärme anfallende Rest im Sommer durch die besonders energiefressende Klimaanlage auch noch wieder abgeführt werden muss.

Deshalb empfiehlt es sich, eine Energieflussbetrachtung vorzunehmen. Wo werden welche Energiemengen benötigt, wo fallen welche Mengen an, wohin entschwindet die Energie bevorzugt? Dabei ist zwischen Winter und Sommer zu unterscheiden. So können Fens­ter zwar im Winter gut isolierend sein, aber im Sommer trotzdem viel Sonneneinstrahlung zulassen und damit die Klimaanlage belasten.

Bekannt sollte auch die Tatsache sein, dass bereits ein Grad weniger Raumtemperatur im Winter rund 5% bis 7% we­niger Heizenergiebedarf bedeutet. Im Sommer gilt dies bei Benutzung einer Klimaanlage verschärft in umgekehrter Richtung.

Auf Seiten der Beleuchtung kommt neben Energiespar­lam­pen (die ebenfalls schon weniger Wärme abgeben) zunehmend die hocheffektive und sehr kreativ einsetzbare LED-Technik in Betracht. Die Entwicklung steht hier noch am Anfang, doch ist neben der sehr langen Lebensdauer, der Erschütterungsfestigkeit und dem Angebot an vielen Farben vor allem die gute Energieeffizienz ein schlagendes Argument. Die Lichtstärke erreicht bei professionellen Ausführungen so langsam das für eine Raumausleuchtung erforderliche Maß, viele Billig­angebote bewegen sich jedoch noch im Hobby- und Dekobereich.

Computer sind ebenfalls wahre Stromfresser. Es muss nicht immer der allerschnellste Rechner sein, denn hier steigt der Verbrauch überproportional. Flachbildschirme sind viel sparsamer als alte Röhren­monitore und Notebooks verbrauchen viel weniger als ein klassisches Desktop- oder To­wer-Gerät. Hier gilt ebenso: Viel Energieverbrauch be-deutet mehr Abwärme.

Alles in allem lässt sich der Energiebedarf schnell im Bereich einiger Kilowatt senken. Ein Kilowatt weniger bedeutet bei 3.000 Öffnungsstunden im Jahr immerhin 3.000 Kilowattstunden im Wert von rund 600 € weniger Energiebedarf.

Beim Thema Energie dürfen die Kfz-Kosten (Botendiens­te) nicht fehlen. Durch clevere Tourenplanung, vielleicht sogar das Zusammenschließen mit anderen Kollegen (ein Wettbewerbsvorteil des Einzelnen ist meist sowieso nicht mehr vorhanden, da Botendienste fast alle Apotheken anbieten), lassen sich manche Kosten einsparen.

Megathema Lohnkosten

Eine Forderung der ADEXA von 8% Lohnplus – im Gleichklang mit anderen Branchen in der diesjährigen Tarifrunde – gibt die Marschroute vor. Selbst wenn zwischen Wunsch und Wirklichkeit oft Welten klaffen, so sind doch die Weichen gestellt. Billiger wird es jedenfalls vor dem Hintergrund einer zumindest regional angespannten Personal­situation nicht.

Als Faustformel bedeutet dabei in einer durchschnittlichen Apotheke 1% mehr Bruttolohn etwa 2,5% weniger Gewinn. Die Lohnkosten, mit rund 40% vom Rohgewinn der größte Kostenblock, sind damit eine Achillesferse der Apo­theken: Einerseits steht und fällt der Erfolg mit gutem Personal. Andererseits sind die Lohnspielräume begrenzt. Nach der Devise „Qualität vor Quantität“ und „Wertschöpfung statt Arbeit um der Arbeit willen“ lässt sich die eine oder andere Optimierung vornehmen. Gute Mitarbeiter sollten nicht verprellt oder demotiviert werden. Der Schaden durch Demotivation übersteigt die eingesparten Lohnsummen meist um ein Vielfaches.

Je nachdem, wie sehr Ihre Mitarbeiter auf den Verdienst angewiesen sind oder aber eher eine zusätzliche Zweitverdienerrolle einnehmen, können nichtmonetäre Anreize, familienfreundliche Arbeitszeiten, ein besonders gu­tes Betriebsklima sowie eine ausge­prägte Herzlichkeit und Kol­legialität wesentlich größere Motivationsmittel dar­stellen.

Nichtwertschöpfende Tätigkeiten wie Bürokratie, Ver­waltung usw. werden

  • soweit wie möglich minimiert und gestrafft,
  • sodann bestmöglich delegiert an Personen, die die gleiche Leistung für geringere Kosten erbringen,
  • ggf. ganz ausgelagert.

Es sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass spezifische Kennziffern (Personalkosten je Kunde oder je Packung) viel aussagekräftiger sind als die berühmten „Umsatzprozente“.

Fazit

Inflationäre Entwicklungen auf der Kostenseite sind gerade für Apotheken besonders kritisch, da große Teile ihres Rohgewinns gedeckelt sind und insoweit nicht „mitwachsen“. Abseits aggressiver Markt­ausweitung zulasten der Konkurrenz bleibt nur eine klare Kostenkontrolle bei den Segmenten, die besonders inflationären Tendenzen unterliegen. Das sind zurzeit vor allem die Energiekosten, in Kürze aber eventuell die Lohnentwicklung und Kostensteigerungen auf vie­len anderen Ebenen durch indirekte „Zweitrunden­effek­te“.

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore @t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(13):6-6