Prof. Dr. Reinhard Herzog
Ab 1. Januar 2009 unterliegen nahezu alle Kapitalerträge, also Zinsen, Dividenden und – vor allem – Kursgewinne der neuen Abgeltungssteuer von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Zumindest die Besteuerung von Kursgewinnen können Anleger jedoch vermeiden, wenn sie ihr Geld noch in diesem Jahr disponieren: Die meisten 2008 eingegangenen Investments gelten als „Altfälle“, bei denen Kursgewinne nur dann steuerpflichtig sind, wenn zwischen Kauf und Verkauf nicht mehr als ein Jahr vergangen ist.
Noch in diesem Jahr kaufen
Die Konsequenz daraus: Anleger sind gut beraten, „spekulativere“ Anlageformen noch in diesem Jahr zu erwerben und so bei einer längerfristigen Anlage Steuern zu sparen. Möglich ist dies z.B. mit Aktien, aber auch bestimmten Anleiheformen, bei denen die Kursgewinne oftmals steuerfrei eingenommen werden können. Da jedoch Banken und Sparkassen hiermit nur geringe Erlöse erzielen, setzen sie in ihrer Werbung auf andere Produkte. Beliebt sind z.B. Misch- und Dachfonds, die mit meist 5 % Spesen beim Kauf sowie jährlichen Bestandsprovisionen zuverlässige Gewinne sichern. Dem Kunden werden diese Produkte mit dem Hinweis verkauft, die von Misch- bzw. Dachfonds erzielten Kursgewinne seien steuerfrei, die Geldanlage damit besonders vorteilhaft.
Streuung suggeriert Sicherheit
In der Tat lassen sich gegenüber der Direktanlage gewisse Vorteile erkennen: Wer selbst in Aktien investiert, muss anfallende Kursgewinne zukünftig bei jeder Umschichtung versteuern. Werden hingegen Umschichtungen innerhalb eines Dachfonds vorgenommen, bleiben Kursgewinne nach derzeitiger Planung steuerfrei, sofern der Anleger vor dem 1. Januar 2009 investiert hat und die Geldanlage mindestens bis 2010 hält. Zins- und Dividendenausschüttungen bzw. -thesaurierungen werden hingegen in beiden Fällen gleichermaßen besteuert. Ein weiterer Vorteil liegt in der breiteren Streuung und dem – zumindest in der Theorie – professionellen Management des Fonds.
„Übersehen“ werden in den Beratungsgesprächen jedoch die damit verbundenen Nachteile. Zum einen vergibt sich der Anleger die Kontrolle über sein angelegtes Kapital: Die Fondsgesellschaft kann weitgehend nach eigenem Gut‑ dünken in Einzelwerte (Mischfonds) bzw. andere Fonds (Dachfonds) investieren, ein Mitspracherecht gibt es nicht. So ist es durchaus nahe liegend, dass die Dachfondsmanager gehalten sind, gezielt in die Sorgenkinder einer Fondsgesellschaft zu investieren, um so deren Fortbestand zu sichern.
Zum anderen unterliegt die Zusammensetzung des Fondsvermögens meist den engen Vorgaben der Anlagestrategie, sodass es dem Fondsmanagement nur sehr bedingt möglich ist, bei drohender Baisse von einer aktienlastigen Strategie zu einer rentenwertorientierten Strategie zu wechseln. Im Übrigen zeigen die Vergangenheitsergebnisse regelmäßig, dass die Wertentwicklung der meisten Fonds mehr oder minder deutlich unter der Performance vergleichbarer Indexzertifikate liegt. Und wenn die Börse – wie in den Jahren 2000 bis 2003 – massiv einbricht, sind die Verluste oft noch deutlich höher als am Gesamtmarkt.
Aber auch aus praktischen Überlegungen sind Misch- bzw. Dachfonds nicht unbedingt die optimale Lösung: Der überwiegende Teil des Sparvermögens wird nicht dauerhaft, sondern nur für einen bestimmten Zeitraum angelegt. Benötigt der Anleger jedoch Geld, z.B. für einen Autokauf, endet damit auch der Steuerbonus der „Altanlage“, da jedes neue Investment dem neuen Recht unterliegt. Und auch für regelmäßige Sparer gilt der Steuerbonus nur für Sparraten, die bis Ende 2008 überwiesen werden.
Entsprechende Anlagen sollten daher sehr genau ge- prüft werden. Auch ein übereilter Abschluss erscheint derzeit keineswegs sinnvoll: Zum einen ist die Börse von Unsicherheiten geprägt, zum anderen laufen aber auch Diskussionen, ob die Steuervorteile für Misch- und Dachfonds überhaupt berechtigt sind. Keineswegs völlig auszuschließen ist daher eine Neuregelung dahingehend, dass auch Misch- und Dachfonds an strengere steuerliche Zügel genommen werden. Umschichtungen, die jetzt vorschnell vorgenommen werden, würden in diesem Fall keine Vorteile mehr bringen, sondern nur Geld kosten.
Fondspolice mit hohen Kosten
Allerdings preist die Finanzwelt weitere Alternativen an, speziell die „Fondsgebundene Lebensversicherung“, besser bekannt als „Fondspolice“. Von einer „klassischen“ Lebensversicherung unterscheidet sich diese Police durch die Anlage des Sparanteils der Raten: Statt in einen konservativen „Deckungsstock“ aus Rentenwerten, Hypothekendarlehen und Immobilien zu investieren, werden bei der Fondspolice die Sparanteile in Investmentfonds angelegt. Der Anleger hat dabei die Möglichkeit, den bzw. die Fonds aus einer festgelegten Palette selbst nach eigener Risikoeinschätzung auszuwählen, auch Umschichtungen während der Laufzeit sind meist problemlos möglich.
Steuerlich werden Fondspolicen wesentlich besser behandelt als vergleichbare Fondssparpläne: Während bei den Sparplänen alle Zins- und Dividendenerträge sowie künftig auch die Kursgewinne steuerpflichtig sind und der Abgeltungssteuer unterliegen, sind Fondspolicen der Kapital-Lebensversicherung weitgehend gleichgestellt. Danach ist der Kapitalertrag (der Unterschiedsbetrag zwischen Versicherungsleistung und eingezahlten Beiträgen) bei Vertragsablauf nur zur Hälfte mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern, wenn der Vertrag mindestens 12 Jahre läuft und erst nach Vollendung des 60. Lebensjahrs zur Auszahlung kommt. Bei Verrentung winken weitere Vorteile durch die Beschränkung der Steuerpflicht auf den altersabhängigen „Ertragsanteil“.
Diese Vorteile relativieren sich jedoch beim Blick auf die Kosten: Neben den Fondsgebühren fallen häufig erhebliche Verwaltungskosten und die nicht unbeträchtlichen Aufwendungen für den Versicherungsschutz an – insgesamt oft bis zu 30 %. Die Kostenbelastung ist zudem bei den einzelnen Gesellschaften sehr unterschiedlich: In einer Vergleichsrechnung ermittelte die Verbraucherzentrale Bremen, dass die Ablaufleistung einer 30-jährigen Police mit 100 € Monatsbeitrag, der jeweils in den DWS Vermögensbildungsfonds I investiert wurde, zwischen 93.301 € (Barmenia) und 111.020 € (EUROPA Lebensversicherung) variierte, ohne Einrechnung möglicher Überschüsse waren es zwischen 80.864 € (HDI-Gerling) und 103.219 € (EUROPA LV).
Im Vergleich dazu brachten Fondssparpläne je nach Ausgestaltung zwischen 106.4990 € und 117.322 €, aus denen sich nach Abzug der Abgeltungssteuer immer noch Werte zwischen 90.600 € und 100.100 € errechneten. Und während die Lebensversicherung im Fall einer vorzeitigen Auflösung meist mit hohen Verlusten verbunden ist, kann der Anleger aus einem Fondssparplan flexibel nahezu jederzeit aussteigen.
Persönliche Situation ist entscheidend
Dies zeigt, dass es zwar durchaus sinnvoll ist, das vorhandene Kapital noch in diesem Jahr zu disponieren. Keinesfalls sollten Sie jedoch allein den Werbeargumenten der Finanzdienstleister rund um die Abgeltungssteuer vertrauen, sondern eigene Entscheidungen aufgrund Ihrer persönlichen finanziellen Situation und Ihrer Pläne für die Zukunft treffen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(13):14-14