Jasmin Theuringer
§ 1 des Kündigungsschutzgesetzes erlaubt die wirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beim Vorliegen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Gründe.
Personenbedingte Kündigung
Eine Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr möglich ist. In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe sind z. B. bei einem angestellten Apotheker der Verlust der Approbation oder bei einem Boten der dauerhafte Verlust der Fahrerlaubnis. Das Fehlen einer notwendigen Arbeitserlaubnis zählt ebenso dazu wie die mangelnde berufliche Qualifikation. Stellt eine an der holländischen Grenze liegende Apotheke eine PTA mit der Bedingung ein, dass diese niederländisch spricht und stellt sich heraus, dass sich die PTA insoweit selbst überschätzt hat, kann dies eine Kündigung rechtfertigen.
Kein Kündigungsgrund dagegen ist die Religionszugehörigkeit, auch wenn sie nach außen hin kommuniziert wird. So hat das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Verkäuferin, die nach Rückkehr aus der Elternzeit aufgrund gewandelter religiöser Vorstellungen ein Kopftuch trug, entschieden, dass dies als Kündigungsgrund nicht ausreiche. Selbst wenn sich die Befürchtungen des Arbeitgebers in Bezug auf die Reaktionen der Kunden bewahrheiten sollten, müsse er zunächst dagegenwirken, notfalls durch eine Umsetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt. Die Entscheidung stammt aus dem Jahr 2003. Im Jahr 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft getreten, das explizit eine Diskriminierung wegen der Religion verbietet.
Der Hauptfall einer personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung. Sowohl eine lang andauernde Krankheit als auch wiederholte krankheitsbedingte Ausfälle können den Betriebsablauf erheblich stören, sodass der Arbeitgeber sich gezwungen sieht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen und eine Ersatzkraft einzustellen.
Eine Kündigung wegen Krankheit kann niemals aufgrund der Erkrankungen in der Vergangenheit ausgesprochen werden, sondern stets aufgrund der Prognose, dass auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten zu rechnen sein wird. Diese sogenannte negative Gesundheitsprognose muss vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden, was in der Praxis zu Problemen führen kann. Reicht der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, so ist daraus für den Arbeitgeber nämlich nicht erkennbar, aus welchem Grund die Krankschreibung erfolgte. Selbst auf konkrete Nachfrage muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber weder die Art und Schwere seiner Erkrankung mitteilen noch seine Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.
Der Arbeitgeber wird daher in der Regel nur aufgrund der bisherigen Fehlzeiten abschätzen müssen, ob auch in Zukunft mit erheblichen Ausfallzeiten zu rechnen sein wird. Gewissheit wird er erst in einem Kündigungsschutzprozess erhalten, denn dann ist der Arbeitnehmer gehalten, die negative Gesundheitsprognose zu erschüttern und hierzu notfalls auch die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Der Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens ist daher nicht zu prognostizieren.
Die negative Gesundheitsprognose allein reicht allerdings nicht aus, eine Kündigung zu rechtfertigen. Der Ausfall des Mitarbeiters muss darüber hinaus zu erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen oder wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers führen. Zu den betrieblichen Beeinträchtigungen zählen in erster Linie Störungen im Betriebsablauf, da andere Kollegen Überstunden machen oder Ersatzkräfte – teilweise kurzfristig – gefunden werden müssen. Mögliche wirtschaftliche Belastungen sind etwa neben den Lohnfortzahlungskosten auch Mehrkosten für Aushilfen oder notwendige Überstundenzuschläge.
Schließlich ist abzuwägen, ob die Beeinträchtigungen des Arbeitsgebers und sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegen. In die Waagschale geworfen wird dabei u. a. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, ein etwaiges Verschulden des Arbeitnehmers an der Arbeitsunfähigkeit z. B. wegen Alkoholkonsums oder die betriebliche Verursachung der Krankheit.
Verhaltensbedingte Kündigung
Eine Kündigung ist weiterhin dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch das Verhalten des Arbeitsnehmers bedingt ist. Dieses Verhalten muss eine schuldhafte Vertragspflichtverletzung darstellen.
Eine Vertragspflichtverletzung kann darin bestehen, dass ein angestellter Apotheker die Eröffnung einer Konkurrenzapotheke plant und zu diesem Zweck versucht, gezielt Kollegen und Kunden abzuwerben. Nicht zu beanstanden ist hingegen, wenn dieser Apotheker seine Selbstständigkeit außerhalb des Ein-zugsgebiets seines Arbeitgebers plant und zu diesem Zweck bereits ein Ladenlokal anmietet oder Kaufverhandlungen mit einer anderen Apotheke führt. Allein der Wille, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, stellt keine Vertragspflichtverletzung dar.
Jede Form der rechtswidrigen Arbeitsverweigerung kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, so das unentschuldigte Fehlen, das Nichtausführen von Weisungen sowie der eigenmächtige Antritt des Urlaubs oder dessen eigenmächtige Verlängerung.
Vorherige Abmahnung
Der Unterschied zwischen einer personen- und einer verhaltensbedingten Kündigung liegt darin, dass einer verhaltensbedingten Kündigung ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde liegt. Da also der Arbeitnehmer es in der Hand hat, sein vertragswidriges Verhalten zu ändern, ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung in der Regel eine Abmahnung erforderlich. Durch die Abmahnung wird der Arbeitnehmer darauf hingewiesen, dass sein Verhalten nicht weiter toleriert wird und er erhält Gelegenheit, dies zu ändern. Kommt es nach einer Abmahnung zu weiteren gleichartigen Vertragspflichtverletzungen, handelt es sich um eine beharrliche Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers, die dann eine Kündigung rechtfertigen kann.
Eine Kündigung kann ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden, wenn eine Abmahnung zur Vermeidung weiterer Vertragspflichtverletzungen erkennbar nicht geeignet ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Pflichtverletzung derart schwerwiegend ist, dass dem Arbeitnehmer auch ohne Abmahnung bewusst ist, dass der Arbeit- geber dies nicht hinnehmen werde. Dazu gehören insbesondere Straftaten zulasten des Arbeitgebers wie Diebstahl, Unterschlagung oder Stempelkartenbetrug.
Ob vor Ausspruch einer Kündigung eine oder gegebenenfalls mehrere Abmahnungen erforderlich sind, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Ebenso verbreitet wie unrichtig ist daher die Annahme, einem Arbeitnehmer könne nach dreimaliger Abmahnung gekündigt werden. Gleiches gilt hinsichtlich des Kündigungsgrundes. Die Schwere der Vertragspflichtverletzung ist gegen das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abzuwägen. Das Interesse des Arbeitnehmers ist umso höher zu bewerten, je länger das Arbeitsverhältnis ohne Beanstandungen angedauert hat.
Betriebsbedingte Kündigung
Schließlich lässt das Gesetz eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu, wenn dies durch dringende betriebliche Erfordernisse begründet ist. Der Gewinnrückgang allein kann eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen, denn dadurch entfällt nicht zwangsläufig die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer. Beispielsweise kann der Gewinnrückgang der Apotheke durch gesundheitspolitische Strukturveränderungen bedingt sein, der Umsatz hingegen und damit die Arbeitsmenge bleiben aber gleich. Erst wenn mit einem Umsatzrückgang auch der Beschäftigungsbedarf entfällt, z. B. wegen der verringerten Kundenfrequenz, kann dies eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Ein Gewinnrückgang kann jedoch der Anlass für Veränderungen im Betrieb sein, die wiederum dazu führen, dass einzelne Arbeitsplätze entfallen, so z. B., wenn der Apothekenleiter das der Apotheke angegliederte unrentable Kosmetikstudio schließt.
Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist also immer der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für einen oder mehrere Arbeitnehmer, bedingt durch äußere Faktoren (Umsatzrückgang, nicht Gewinnrückgang) oder durch innere Ursachen (Umstrukturierungen, Schließung eines Betriebsteils, einer Filiale oder der gesamten Apotheke).
Entfällt die Beschäftigungsmöglichkeit für einen oder mehrere Arbeitnehmer, so hat der Arbeitgeber eine Sozialauswahl vorzunehmen. Es ist dabei in einem ersten Schritt zu sehen, für wen die Beschäftigungsmöglichkeit entfällt, ob also z. B. eine Stelle für einen Approbierten oder eine PKA entfällt. Sodann ist aus der Gruppe der vergleichbaren Arbeitnehmer, also beispielsweise unter allen angestellten Approbierten oder allen PKAs, derjenige auszuwählen, der am wenigsten schutzwürdig ist. Es kann also im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nicht demjenigen gekündigt werden, der aufgrund seines Gehalts die meisten Kosten verursacht, sondern demjenigen, den die Kündigung am wenigsten trifft. Hierbei sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, eventuelle Unterhaltsverpflichtungen sowie eine etwaige Schwerbehinderung zu berücksichtigen.
Aus der Sozialauswahl kann derjenige Mitarbeiter, der wegen besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen für den Betrieb wichtig ist, herausgenommen werden – im Beispiel der an der holländischen Grenze liegenden Apotheke also die einzige niederländisch sprechende PTA. Ihr muss selbst dann nicht gekündigt werden, wenn sie im Übrigen weniger schutzwürdig ist als ihre Kolleginnen.
Ultima-ratio-Prinzip
Bei jeder Kündigung gilt das „Ultima-ratio-Prinzip“. Das bedeutet, die Kündigung muss stets das letzte Mittel sein, das dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Bei einer personenbedingten Kündigung ist immer zu prüfen, ob der Mitarbeiter anderweitig beschäftigt werden kann. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist zu überlegen, ob eine Abmahnung ausreichen könnte. Und vor einer betriebsbedingten Kündigung ist zu eruieren, ob beispielsweise eine Änderungskündigung zur Anpassung der vertraglichen Bedingungen an die geänderten Verhältnisse im Betrieb in Betracht käme.
In der nächsten AWA -Ausgabe lesen Sie unter anderem, unter welchen Voraussetzungen Sie einem Mitarbeiter gegenüber eine außerordentliche Kündigung aussprechen können.
Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: mailto:theuringer@belllinger.de
Eine umfassende Darstellung der für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wichtigen Regelungen sowie weitere für die Apotheke relevante arbeitsrechtliche Themen mit zahlreichen Vertragsmustern und Beispielen finden Sie im fortlaufend aktualisierten Arbeitsrecht Formular-Handbuch für Apotheker (mit CD-ROM), das Sie über den Deutschen Apotheker Verlag beziehen können (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E-Mail: mailto:service@deutscher-apotheker-verlag.de).
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(13):10-10