Dr. Christine Ahlheim
? Besteht aus Ihrer Sicht die Chance, dass der Gesundheitsfonds am 1. Januar 2009 doch nicht oder nur in modifizierter Form eingeführt wird?
Der Gesundheitsfonds wird wohl weitgehend in der angekündigten Form kommen. Die Kanzlerin, Frau Merkel, hat dies noch einmal betont und hat wohl auch die Kontroversen, die um die Konvergenzklausel noch in der Luft lagen, ausgeräumt. Und so hat der Gesundheitsfonds inzwischen eine Reihe von (politischen) Hürden genommen.
Die Diskussion könnte allerdings nach dessen Einführung noch einmal aufflammen, wenn sich abzeichnet, wer von der Einführung tatsächlich profitiert und wer Nachteile hinzunehmen hat – und wenn die Bundestagswahlen anstehen...
? In welcher Größenordnung wird nach Ihrer Einschätzung der einheitliche Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2009 angesiedelt sein?
In der Presse liest man, dass die Kassen den künftigen einheitlichen Beitragssatz zwischen 15,2 % und 15,8 % sehen. Ich möchte mich da an den Spekulationen nicht mit neuen Zahlen beteiligen.
? Welche Alternativen wären Ihrer Meinung nach dem Gesundheitsfonds vorzuziehen?
Mit der Einführung des Gesundheitsfonds ist eine ganze Reihe von Veränderungen des derzeitigen Systems verbunden. Die drei aus meiner Sicht wichtigsten Punkte des Gesundheitsfonds si
- Vervollständigung des Finanzkraftausgleichs: Das heißt, dass die Verwaltungskosten in Zukunft in den Ausgleichsmechanismus einbezogen werden. Dadurch haben Kassen mit mehr einkommensschwachen Mitgliedern bei der Finanzierung der Verwaltungskosten keinen Nachteil mehr gegenüber den Kassen mit einkommensstärkeren Versicherten. Dies stellt eine Verbesserung des solidarischen Wettbewerbsrahmens dar.
- Einführung einer Morbiditätskomponente: Während bisher die Zahlungen von Alter, Geschlecht, dem Bezug einer Arbeits- bzw. Berufsunfähigkeitsrente sowie der Einschreibung in Disease Management Programme abhängig waren, sollen in Zukunft auch die Diagnosen von 80 Krankheit(sgrupp)en in die Berechnung der Zahlung an die Kassen eingehen. Das ist ein wichtiger Schritt, auch auf dem Weg hin zu mehr Flexibilität im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und weg von gemeinsamen und einheitlichen Verträgen. Wenn also mehr Wettbewerb in unserem Gesundheitssystem gewünscht ist, wird hier eine zentrale Voraussetzung geschaffen. Es gibt allerdings keinen einsichtigen Grund, warum diese Erweiterung gerade auf 50-80 Krankheit(sgrupp)en beschränkt wurde.
- Festlegung eines einheitlichen Beitragssatzes durch die Bundesregierung kombiniert mit der Möglichkeit, Zusatzprämien zu erheben bzw. Prämien zurückzuerstatten: Dies hat sicherlich aus Überlegungen der Wettbewerbsgestaltung sinnvolle Ansätze, so sollen Unterschiede bei absoluten Prämien stärkere Signalwirkung haben als bei einkommensabhängigen Beitragssätzen. Allerdings macht dieser Punkt gegenüber den anderen beiden eine deutliche Systemveränderung wirklich notwendig. Eine solche Systemveränderung führt zu viel Reibungsverlust – politisch wie organisatorisch. Diesen „Preis“ halte ich für zu hoch.
Zwei zusätzliche Regelungen im Umfeld des Gesundheitsfonds seien noch erwähnt:
- Eine Überforderungsklausel begrenzt die Zusatzprämie auf 1 % des beitragspflichtigen Bruttoeinkommens, die Finanzierung der dazu notwendigen Mittel erfolgt durch die jeweilige Kasse. Dies führt zu Wettbewerbsnachteilen für Kassen mit einem hohen Anteil einkommensschwacher Mitglieder und stellt daher eine Wettbewerbsverzerrung dar.
- Die sogenannte Konvergenzklausel, die bei der Einführung des Gesundheitsfonds die zusätzlichen Be- bzw. Entlastungen pro Bundesland pro Jahr auf 100 Mio. € beschränken soll, misst in der Form nach § 272 SGB V nicht wirklich die finanziellen Auswirkungen der Einführung des Gesundheitsfonds, sondern zielt zum Teil darauf ab, Folgen überdurchschnittlicher Ausgabenniveaus in einzelnen Bundesländern in der Konvergenzphase durch Zuweisungen aus dem Fonds zu finanzieren. Außerdem bringt diese Regelung eine zumindest fragwürdige Länderperspektive in die bundesweite Solidargemeinschaft der GKV.
Nun endlich zur Beantwortung der Frage: Ein Ansatz, den ich vorziehen würde, wäre ein Risikostrukturausgleich in der bisherigen Form mit einer konsequenteren Morbiditätskomponente als geplant sowie mit einer Vervollständigung des Grundlohnausgleichs, ohne Verwerfungen durch Konvergenzklausel oder durch die vorgesehene Form der Beschränkung von Zusatzprämien. Eine Alternative, wenn eine Alternative zum Gesundheitsfonds gefragt wäre…
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(15):4-4