Unterforderte Mitarbeiter

Bore-out-Syndrom – Wege aus der Negativspirale


Klaus Hölzel

Wer gestresst ist, ist wichtig und bewegt viel. Dieses Syndrom ist derzeit „in“ und in seiner extremen und krankhaften Ausprägung längst bekannt als Burn-out-Syndrom. Weniger bekannt, aber deshalb nicht weniger gefährlich, ist das Bore-out-Syndrom.

Das Bore-out-Syndrom – wörtlich übersetzt „ausgelangweilt sein“ – ist weit weniger populär als das Burn-out-Syndrom und wird deshalb häufig tot­geschwiegen. Das Phänomen kommt allerdings gar nicht so selten vor und bezeichnet die permanente Unterfor­derung und Langeweile, vornehmlich am Arbeitsplatz.

Experten schätzen, dass bis zu einem Drittel aller Arbeit­nehmer nicht genug zu tun hat und unterfordert ist. Diese Quote dürfte in Apotheken zwar wesentlich niedriger sein, dennoch ist dieses Phänomen auch dort anzu­treffen. Doch wie identifiziert man Mitarbeiter mit Bore- out-Syndrom im Apo­theken-Team?

Natürlich leidet ein Mitarbeiter, der vorübergehend Langeweile im Apotheken-Alltag verspürt, nicht sofort unter dem Bore-out-Syndrom. Im Gegenteil, solche Phasen sind wichtig, um neue Kraft zu schöpfen und Kreativität zu entwickeln. Doch wenn Lan­geweile und Unterforderung über eine längere Zeit andauern, kann dies zur extremen Belastung für den Betroffenen werden.

Unterforderung führt zu Desinteresse

Ein Mitarbeiter in der Apotheke ist unterfordert, wenn er das Gefühl hat, für die Apotheke mehr leisten zu können, als dies der Fall ist. Dies kann inhaltliche – also qualitative – Ursachen haben, das heißt, der Mitarbeiter ist mit seinen Aufgaben in der Apotheke nicht ausgelastet. Vielleicht hat der Mitarbeiter schon mehrmals nach neuen Auf­gabenfeldern oder Fortbildungsmöglichkeiten gefragt, dies dann aber irgendwann resigniert aufgegeben. Oder die Ursache liegt in der mengenmäßigen – also quantitativen – Unterforderung.

Das Ergebnis ist das gleiche: Der oder die Betroffene fühlt sich nutzlos und unzufrieden. Desinteresse und Gleichgültigkeit gegenüber den Arbeitsinhalten machen sich breit. Jede Tätigkeit in der Apotheke kostet die Betroffenen sehr viel an Überwindung.

Angst vor Jobverlust

Nun stellt sich die Frage, warum Mitarbeiter nicht einfach sagen, dass sie gelangweilt sind. Dahinter steckt entweder das mangelnde Selbst­bewusstsein, dem eigenen Chef nicht einfach seine Wünsche und Vorstellungen vortragen zu können, oder das Erlebnis, oft zurückgewiesen worden zu sein. Die Arbeitnehmer wollen ihre Unlust und fehlende Motivation nicht mehr zeigen, weil sie Angst haben, ihren Job in der Apothe­ke zu verlieren. Die Scheinlösung besteht darin, so wenig wie möglich der ungeliebten Arbeit tun zu müssen, ohne es zu dokumentieren. Um unbemerkt zu bleiben, entwickeln sie bestimmte Arbeitsstrategien, die für Bore-out-Betroffene charakteristisch sind.

Typische Verhaltensstrategien

Bei der „Komprimierungsstrategie“ wird eine Aufgabe so rasch wie möglich und weit vor Abgabetermin erledigt, ohne dies dem Apothekeninhaber mitzuteilen. So gewinnt man Zeit für anderes und kann glänzen, wenn der Abgabe­termin plötzlich vorgezogen wird.

Bei der „Flachwalzstrategie“ geht der/die Mitarbeiter/in den umgekehrten Weg: Die vom Inhaber zugeteilten Aufgaben werden auf einen längeren Zeitraum verteilt als eigentlich nötig wäre. Diese Strategie eignet sich hervor­ragend bei Projekten, die sich über Wochen oder Mona­te erstrecken und bei denen der Zeitaufwand tatsächlich schwer eingeschätzt werden kann, etwa das Einholen neuer Angebote für die Drucksachen der Apotheke oder die Planung einer Werbeaktion.

Simplere Strategien sind zum Beispiel die, länger als die festgelegte Arbeitszeit in der Offizin zu bleiben oder sich sogar Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Die Botschaft ist bei allen Strategien dieselbe: Ich bin ausgelastet und kann nicht mehr Aufgaben übernehmen.

Gefangen in der Negativspirale

Paradoxerweise entwickeln Arbeitnehmer mit Bore-out-Syndrom Verhaltensweisen, die das Problem nicht lösen, sondern es letztlich verschlimmern. Dieses Verhalten ist auch aus anderen Lebensbereichen bekannt: Man isst zu viele Süßigkeiten, treibt zu wenig Sport oder raucht, obwohl die Konsequenzen bekannt sind. Irgendwann wird dieses Verhalten zur Ge­wohnheit, dann brauchen die Betroffenen viel Kraft und Durchhaltevermögen, um diese Negativspirale zu durchbrechen.

Ursachen

Doch wie kann es überhaupt so weit kommen? Die Ursachen sind vielfältig: die fal­-sche Apotheke, das falsche Aufgabengebiet innerhalb des Teams oder zu wenig oder die falsche Kommunikation zwischen Apothekenchef und Mitarbeiter. Anstatt jedoch den Zustand zu ändern, mogeln sich die Betroffenen durch und perfektionieren ihre Bore-out-Strategien. Die Folgen der mangelnden Anerkennung, ausbleibende berufliche Erfolgserlebnisse und keine Aussicht auf Entwicklungsmöglichkeiten führen langfristig zu Frustration und münden in Gereiztheit, Lust­losigkeit und schließlich auch in Depression.

Eigenverantwortung übernehmen

Um der Negativspirale überhaupt entfliehen zu können, muss der Mitarbeiter Eigenverantwortung übernehmen, seine eigenen Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen an den Inhaber oder Filial­leiter klar formulieren. Der Betroffene muss sich auf die „Sinnsuche“ begeben und sich die Frage stellen, mit welchen Tätigkeiten und Rahmenbedingungen er zufrieden ist.

Er muss das Interesse an der eigenen beruflichen Tätigkeit wieder finden, die Arbeit in der Apotheke soll als sinnvoll empfunden werden. Die Betroffenen müssen sich die positiven Seiten bewusst machen und sich auch im Klaren darüber sein, dass nicht jede Arbeit immer hundertprozentig den eigenen Interessen entspricht.

Der Chef ist gefragt

Aber auch die Vorgesetzten können dem Mitarbeiter helfen, der Negativspirale zu entkommen, indem sie die Augen für solche Probleme offenhalten und im Zweifelsfall auf den Mitarbeiter zugehen.

Besser ist es, eine Kultur zu schaffen, die solche Syndrome gar nicht erst entstehen lässt. In einer Arbeitsatmosphäre, bei der auf offene Gespräche und gegenseitiges Feedback Wert gelegt wird, haben unnötige Talent-Verschwendungen und Bore-out kaum eine Chance. Wenn der Chef oder die Chefin klare Ziele für die Apotheke formuliert und in Jahresgesprächen gemeinsam individuelle Ziele und Aufgaben festsetzt, kann sich das Bore-out-Syndrom kaum entwickeln. Apothekeninhaber und Filialleiter sollten immer vor Augen haben: Für die Mitarbeiter ist letztlich der „qualitative Lohn“ wichtig, nämlich die Balance zwischen Sinn, Zeit und Geld.

Ist ein Wechsel nötig?

Manchmal ist auch ein Neu­anfang sinnvoll wie der Wechsel in eine andere Apotheke, die mehr Abwechslung und Aufgaben bietet. Aus dem Bore-out sollte dann aber nicht gleich ein Superstress mit dem Resultat eines Burn-out werden.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,
Apotheken Management-
Institut GmbH, 65375 Oestrich-Winkel,
E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(05):10-10