Apothekenfremdbesitz

Drei Fragen an Birgitt Bender


Dr. Christine Ahlheim

Birgitt Bender ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Gesundheitspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

?Welche Vorteile für Verbraucher und Krankenkassen haben aus Ihrer Sicht Apothekenketten gegenüber inhabergeführten Apotheken?

Apothekenketten sind nicht per se besser als inhabergeführte Apotheken. Zielgruppenorientierung und Spezia­lisierung dürften der „klassischen“ Offizin weitaus leichterfallen als der Filiale einer großen Kette. Zudem haben alteingesessene Apotheken häufig einen treuen Kunden­stamm, der auch dann nicht abspenstig wird, wenn nebenan eine andere Apotheke eröffnet. Auch deshalb werden auf einem Apothekenmarkt ohne die heutigen Zugangsbeschränkungen verschiedene Betriebsformen nebeneinander existieren. Bei den Augenoptikern zum Beispiel ist das längst der Fall.

Vorteile können Kooperationen von Apotheken – und dazu gehören neben Apothekenketten auch Genossenschaften oder Einkaufsverbünde von inhabergeführten Apotheken – in Sachen Wirtschaftlichkeit haben. Damit sie dieses Potenzial im Interesse der Patienten und Beitragszahler aber auch ausschöpfen können, ist neben der Aufhebung von Fremd- und Mehrbesitzverbot eine Reform der Arzneimittelpreisverordnung überfällig. Die mit der letzten Gesundheitsreform eigentlich vorgesehene, aber auch am Widerstand der Apothekerverbände gescheiterte, Ermöglichung von Rabattverträgen zwischen Apotheken und Pharmaunternehmen und die Umstellung von Festpreisen auf Höchstpreise war ein vernünftiger Ansatz.

?Würden Sie die Einführung von Apothekenketten auch dann weiterhin forcieren, wenn der Euro­päische Gerichtshof den Schlussanträgen von Generalanwalt Yves Bot folgt und damit die Entscheidung zum Fremdbesitz den Einzelstaaten überlässt?

Wir sind der Ansicht, dass es keinen überzeugenden Grund für das Fremdbesitzverbot gibt. Das vom Generalanwalt bemühte Argument, dass das Fremdbesitzverbot „eine hinreichende Gewähr für Qualität und Auswahl“ der Arzneimittelversorgung gebe, beantwortet nicht die Frage, ob nicht auch weniger restrik- tive Regelungen zum Ziel führen. Schließlich gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass zum Beispiel in Großbritannien oder in den Niederlanden – also in Ländern ohne Fremdbesitzverbot und mit unterschiedlichsten Betriebsformen in der Arzneimittel­distribution – Qualität und Auswahl in der Arzneimittelversorgung gefährdet wären.

Allerdings gibt es durchaus Indizien dafür, dass sich durch mehr Kooperation und mehr Wettbewerb auch im Arzneimittelhandel die Wirtschaftlichkeit verbessern ließe. So liegt der Anteil der Distributionskosten an den Arzneimittelausgaben in Deutschland, auch unter Berücksichtigung der höheren Umsatzsteuerbelastung, wesentlich über denen in den beiden genannten Ländern.

Wir werden uns deshalb auch weiterhin für gesetzliche Rahmenbedingungen einsetzen, die einen Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit auch im Arzneimittelhandel fördern. Wir hoffen, dass sich endlich auch die Politikerinnen und Politiker in Koalition und Bundesregierung aus der Deckung trauen, die zwar Rechtsänderungen für erforderlich halten, bisher aber die Auseinandersetzung mit den einflussreichen Apothekerverbänden gescheut haben. Der Europäische Gerichtshof wird ihnen diese Mühe voraussichtlich nicht mehr abnehmen.

?Für welche Änderungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung würden Sie sich bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 einsetzen?

Da die große Koalition keine Finanzreform der gesetzlichen Krankenversicherung zustande gebracht hat, wird diese nach der Bundestagswahl sehr schnell wieder auf der Tagesordnung stehen. Wir wollen mit einer Bürgerver­sicherung alle Menschen und alle Einkommensarten in die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens einbe­ziehen. Damit würde das Krankenversicherungssystem sozial gerechter und auch finan­ziell nachhaltiger werden. Ihre weiteren gesundheitspoliti­schen Schwerpunkte für die kommende Wahlperiode werden Bündnis 90/Die Grünen im Rahmen der Diskussion um das Bundestagswahlprogramm festlegen, das die Partei im Mai verabschieden wird.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(05):3-3