Helmut Lehr
Für viele Eltern ist schon frühzeitig klar, dass ihr Kind bzw. ihre Kinder den Immobilienbesitz später einmal erben werden. Ist der Erbfall insbesondere wegen fortgeschrittenen Alters der Eltern „absehbar“, scheuen sich die Kinder oft nicht, quasi in Erwartung der Erbschaft schon Kosten für die Immobilie zu übernehmen, etwa für eine anstehende Renovierung bzw. für dringend notwendige Reparaturen. In der Praxis sind solche Fälle gerade dann häufig anzutreffen, wenn die Eltern umfassende Renovierungen wegen ihres begrenzten Renteneinkommens aufschieben wollen, die Kinder aber „im besten Alter“ sind und recht ordentlich verdienen.
Eintritt des Erbfalls
Kommt es später zum Erbfall, stellt sich für den begünstigten Erben zwangsläufig die Frage, ob seine früheren Aufwendungen für die Immobilie steuermindernd berücksichtigt werden oder ob er praktisch Erbschaftsteuer für einen zum Teil von ihm geschaffenen Wert des Hauses zahlen muss. Die Frage ist von besonderer Bedeutung, weil solche Kostenübernahmen o.ä. innerhalb der Familie sehr oft weder vertraglich fixiert noch als Darlehensverhältnis oder dergleichen gestaltet werden. Mangels „amtlicher“ Nachlassschulden setzen die Finanzbehörden dann den Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls an, ohne die vom Erben bereits aufgewendeten Ausgaben in Abzug zu bringen.
Aktuelles Grundsatzurteil
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 1. Juli 20081) erfreulicherweise entschieden, dass der Erbe in einem solchen Fall nicht den vollen Grundstückswert versteuern muss. Wegen des im Erbschaftsteuerrecht zwingend zu beachtenden Bereicherungsprinzips bewirke der Erbanfall insoweit keinen Vermögenszuwachs beim Erben, als der Grundstückswert auf seinen eigenen Aufwendungen basiert. Vom wirtschaftlichen Ergebnis her können die zu Lebzeiten des Erblassers vom Erben getätigten Aufwendungen wie Nachlassschulden steuermindernd geltend gemacht werden. Dass im Streitfall mangels vertraglicher Vereinbarung kein zivilrechtlicher Aufwendungsersatzanspruch bzw. auch kein Vergütungsanspruch entstanden war, störte die Richter nicht.
Hinweis: Im vom Bundesfinanzhof zu entscheidenden Sachverhalt ging es zwar um eine Nacherbschaft, die Grundaussagen dürften aber für alle „Erbfälle“ gelten, in denen der Erbe Aufwendungen in Erwartung der Erbschaft macht.
Wertsteigerung maßgebend
Die Finanzämter müssen in vergleichbaren Fällen künftig wie folgt rechnen: In einem ersten Schritt ist der Steuerwert des Hauses im aktuellen Zustand (nach Renovierung, Umbau etc.) zu ermitteln. Danach ist der Wert so zu berechnen, als ob der Erbe die Baumaßnahmen nicht durchgeführt hätte. Die Differenz zwischen beiden Werten muss dann von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Ist keine Wertsteigerung feststellbar, ergibt sich zwangsläufig auch kein steuermindernder Abzugsposten.
Hinweis: Tritt ein vergleichbarer Fall bei einer „unentgeltlichen“ Übertragung zu Lebzeiten (Schenkung) ein, gelten die vom Erben finanzierten Baumaßnahmen faktisch als Gegenleistung für das Objekt. Es dürfte sich dann um eine gemischte Schenkung handeln, die nur mit dem unentgeltlichen Teil der Schenkungsteuer unterliegt.
1) Aktenzeichen II R 38/07.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs1) kann im unter www.bundesfinanzhof.de –> Entscheidungen unter dem Entscheidungsdatum 1. Juli 2008 abgerufen werden. |
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(05):17-17