Prof. Dr. Uwe May
Vor Kurzem hat IMS HEALTH die Daten zur Entwicklung des Arzneimittelmarkts in Deutschland von Januar bis Dezember 2008, das heißt für das Gesamtjahr 2008, vorgelegt. Die Umsatzdaten beziehen sich dabei auf Endverbraucherpreise und beruhen ebenso wie die Mengenangaben auf Apothekenabverkäufen.
Der Markt rezeptpflichtiger Präparate erreichte im Berichtszeitraum ein Umsatzvolumen von 31,694 Mrd. € und lag damit über dem Wert des Jahres 2007 (+ 3%). Die Zahl der abgegebenen Packungen rezeptpflichtiger Arzneimittel übertraf mit 695,8 Millionen Einheiten (+ 0,8%) das Vorjahresniveau nur knapp.
Der GKV-Markt verzeichnete bei Arzneimitteln (ohne Impfstoffe) einen Ausgabenzuwachs von 5,2%, wobei Herstellerzwangsrabatte nicht berücksichtigt wurden. Die Zuwachsrate entsprach der Rahmenvereinbarung, die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband für das zurückliegende Jahr geschlossen worden war.
Das Geschehen im GKV-Markt ist in weiten Teilen von den Rabattverträgen geprägt. Im generikafähigen Markt hat sich der Verordnungsanteil der rabattgeregelten Präparate im Verlauf des Jahres etwa verdoppelt und lag im Dezember bereits bei 63%. Nach Umsatz waren immer- hin 47% dieses Marktsegments rabattgeregelt. Der Verordnungsanteil von Generika am GKV-Markt ist im Jahresverlauf von knapp unter 60% auf jetzt 62% gestiegen. Erwähnenswert erscheint überdies, dass der Anteil der Verordnungen, bei denen Ärzte das Aut-idem-Verbot angekreuzt haben, sowohl im rabattgeregelten als auch im nicht rabattgeregelten Markt zugenommen hat.
Die Verordnungen rezeptfreier Arzneimittel verzeichneten auch im fünften Jahr nach dem Inkrafttreten des OTC-Erstattungsausschlusses weiterhin eine rückläufige Entwicklung. In diesem Segment wurde mit dem Absatz von 132,1 Millionen Packungseinheiten ein Umsatz von nunmehr noch 1,290 Mrd. € er-zielt. Dies entsprach nach Umsatz wie nach Menge jeweils einem deutlichen Rückgang von 4% bzw. 5% gegenüber dem Vorjahr.
Die weiterhin rückläufige Zahl ärztlicher Verordnungen bei rezeptfreien Arzneimitteln wurde – wie schon in den Jahren zuvor – nicht durch zunehmende Selbstkäufe entsprechender Präparate kompensiert. Vielmehr hat die Umsatz- und Absatzentwicklung im Selbstmedikationsmarkt dazu beigetragen, die abnehmende Bedeutung rezeptfreier Präparate in der Arzneitherapie wie für den Apothekenumsatz noch zu verstärken. Lag der Anteil rezeptfreier Präparate am Arzneimittelumsatz im Jahr 2003, das heißt vor dem OTC-Erstattungsausschluss, noch bei 21%, so belief sich dieser Wert 2008 auf unter 16%. Die Zahl der von den Verbrauchern in der Apotheke selbst gekauften rezeptfreien Arzneimittel ist 2008 gegenüber dem Vorjahr um 3% auf 531,3 Millionen Einheiten zurückgegangen. Damit ging ein Umsatzverlust (–3%) auf 4,126 Mrd. € einher.
Die Selbstmedikation mit freiverkäuflichen Arzneimitteln außerhalb der Apotheke war nach Umsatz (–3%) wie nach Menge (–4%) rückläufig. In diesem Segment wurde nach Angaben von IMS HEALTH mit dem Absatz von 73,7 Millionen Packungseinheiten ein Umsatz von 0,236 Mrd. € erzielt. Die genannten Zahlen zeigen, dass die Entwicklung der Selbstmedikation in den von IMS HEALTH erfassten Distributionskanälen abseits des pharmazeutischen Einzelhandels nicht als Erklärung für die „OTC-Konsumschwäche“ dienen kann.
Analoges gilt zurzeit auch dann noch, wenn bei Umsatz und Absatz des OTC-Markts der Versandhandel berücksichtigt wird. Mit Blick auf die Zukunft ist allerdings nicht zu unterschätzen, welche Dynamik aus dieser Vertriebsform nicht zuletzt auch in Verbindung mit dem zunehmenden Angebot von Eigenmarken hervorgehen kann. Beispiele der jüngeren Zeit zeigen, dass die angebotenen Eigenmarken zumindest in preislicher Hinsicht den Erwartungen der Verbraucher entgegenkommen.
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Grüne Rezepte: Gegen die Vertrauenskrise bei OTC-Präparaten
Die Hintergründe und Motive des seit 2004 beobachteten Verbraucherverhaltens in der Selbstmedikation sind Gegenstand umfangreicher Marktforschung, die unter anderem der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) seit dem Frühjahr 2006 bis heute betreibt. Es erwies sich dabei als evident, dass der Glaube an den therapeutischen Nutzen rezeptfreier Arzneimittel durch den Ausschluss dieser Präparate aus der GKV-Erstattung grundsätzlich erschüttert wurde. Die wenigsten Versicherten kennen die tatsächlichen, nämlich rein fiskalischen Hintergründe für diese gesetzgeberische Entscheidung und vermuten dahinter eher eine auf Wirksamkeit und Notwendigkeit beruhende Entscheidung.
Eine große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Grünen Rezept zu. Hierbei übernimmt der Arzt aus Sicht der Patienten die Rolle einer „Gewährinstanz“, indem er eine vertrauenswürdige und kompetente OTC-Empfehlung abgibt.
Die Quote der tatsächlich in der Apotheke eingelösten Grünen Rezepte steht derjenigen bei normalen GKV-Rezepten kaum nach. Im Jahr 2008 standen bereits 4% aller ärztlichen Verordnungen in Deutschland und sogar jede fünfte Verordnung eines OTC-Präparats auf einem Grünen Rezept.
Der BAH unterstützt diese Entwicklung und tritt der Vertrauenskrise bei rezeptfreien Arzneimitteln mit verschiedenen Maßnahmen entgegen. Aktuell besteht das wichtigste Projekt in einer Kampagne für das Grüne Rezept, die zurzeit mehrmals wöchentlich in der Ärzte Zeitung publiziert wird. Neben den Informationen zum Stellenwert rezeptfreier Präparate und des Grünen Rezepts wird im Rahmen einer Anzeige des BAH darauf aufmerksam gemacht, dass Ärzte die entsprechenden Rezeptformulare per E-Mail oder Fax zum kostenlosen Bezug anfordern können.
Apotheker, die entsprechend dem in einigen Regionen bereits etablierten Modell die Rezeptformulare an Ärzte in ihrem Umfeld verteilen möchten, können ebenfalls Grüne Rezepte kostenlos bestellen.
Dr. Uwe May, Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller
e.V. (BAH), Abt. Gesundheitsökonomie/Grundsatzfragen
Selbstmedikation, 53173 Bonn,
E-Mail: May@bah-bonn.de
Das Grüne Rezept kann per E-Mail unter bah@gruenerezepte.de oder per Fax unter der Num- mer 0228/304146489 beim BAH bestellt werden. . Allgemeine Hintergrundinformationen zur Bedeutung des Grünen Rezepts sowie zu der aktuellen BAH-Kampagne sind unter www.bah-bonn.de zu finden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(05):8-8