Helmut Lehr
Die steuerliche Berücksichtigung von Kindern hat besondere Breitenwirkung, nicht zuletzt wegen der Erhöhung des Kindergeldes Anfang 20091). Während es bei nicht volljährigen Kindern keine Abgrenzungsprobleme gibt, ist die Rechtslage bei jungen Erwachsenen (bis zum 25. Lebensjahr) nicht immer eindeutig. Die Eltern haben hier regelmäßig nur Anspruch auf Kindergeld, wenn sich der Nachwuchs in Berufsausbildung befindet und seine Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag (7.680 €) nicht übersteigen2).
Begünstigtes Studium
Dass ein Studium zur Berufsausbildung gehört, wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt. Selbst ein Aufbau- und Ergänzungsstudium berechtigt die Eltern grundsätzlich zum Bezug von Kindergeld, wenn es zu einer zusätzlichen beruflichen Qualifikation führt und mit einer Prüfung abgeschlossen wird. Daneben ist auch die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf ein Berufsziel mittels Fernlehrgang ggf. als begünstigte Berufsausbildung zu werten3).
„Gasthörer“
Die Finanzverwaltung vertritt jedoch die Auffassung, dass es nicht ausreicht, wenn das Kind lediglich als Gasthörer an Vorlesungen oder Übungen teilnimmt 4). Deshalb musste das Finanzgericht München über einen Fall entscheiden5), in dem der Sohn des Klägers nach Abschluss seines Studiums (Diplomurkunde wurde im Juni 2005 ausgehändigt) bis zum 1. Januar 2006 immatrikuliert blieb, weil er noch keine Anstellung fand. Die Familienkasse war der Auffassung, dass die Berufsausbildung bereits im April 2005 geendet hatte, da in diesem Monat das Prüfungsergebnis schriftlich bekannt gegeben worden war.
Die Münchner Finanzrichter gaben der Klage statt und gewährten dem Kläger das Kindergeld bis Ende des Jahres 2005. Als ergänzendes Studium sei nämlich nicht nur ein Aufbaustudium mit eigenem Studiengang, sondern auch die Belegung weiterer Semester im bereits geprüften Fach zur Vertiefung vorhandener und Aneignung weiterer berufsspezifischer Kenntnisse zu beurteilen.
Hinweis: Im Streitfall waren zunächst zwei Bewerbungen unmittelbar nach Ende des regulären Studiums erfolglos geblieben, weil die im Regelstudium erlangten Kenntnisse den beiden Firmen nicht tiefgreifend genug waren. Ab Januar 2006 wurde der Sohn dann als Maschinenbauingenieur eingestellt, wozu die zwischenzeitlich belegten Kurse laut einer Bescheinigung seines neuen Arbeitgebers erheblich beitrugen.
Revisionsverfahren
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Revision gegen dieses Urteil mittlerweile zugelassen; von diesem Recht hat die Familienkasse auch Gebrauch gemacht6) . Jetzt muss der BFH konkret entscheiden, ob die Belegung weiterer Semester zur Vertiefung und Aneignung berufsspezifischer Kenntnisse nach „Studienende“ noch zur Berufsausbildung zählt und somit zum Bezug von Kindergeld berechtigt. Vergleichbare Fälle sollten unbedingt mittels Einspruch offengehalten werden.
Hinweis: In der Praxis wird sich häufig die Konstellation ergeben, dass unmittelbar nach Studienende noch keine Arbeitsplatzzusage vorliegt. Durch „Belegung“ weiterer Vorlesungen kann das Kindergeld womöglich auch in der Zwischenzeit gerettet werden. Dazu sollten idealerweise Anforderungsprofile von potenziellen Arbeitgebern vorgelegt werden können, die entsprechende vertiefende Kenntnisse verlangen.
Vorteile durch Abgeltungssteuer
Die Einführung der Abgeltungssteuer kann in vielen Fällen dazu führen, dass sich die Einkünfte bzw. Bezüge des Kindes verringern und die Eltern deshalb in den Genuss des Kindergeldes kommen. Bis einschließlich 2008 wird der Sparer-Freibetrag (750 €) bei der Ermittlung der (Kapital-)Einkünfte des Kindes in einem ersten Schritt zwar berücksichtigt, anschließend aber als sogenannter sonstiger Bezug („steuerfreier Teil“ der Einkünfte) wieder hinzugerechnet. Weil der Sparer-Freibetrag ab 2009 aber mit dem bisherigen Werbungskosten-Pauschbetrag (51 €) zu einem einheitlichen Sparer-Pauschbetrag (801 €) zusammengefasst wurde und im Gegenzug grundsätzlich kein Abzug tatsächlich entstandener Werbungskosten mehr möglich ist, entfällt der Ansatz als „sonstiger Bezug“.
Beispiel: Die Tochter studiert und erhält aus dem Kapitalvermögen, das ihr die Eltern übertragen haben, jährlich 5.000 € Zinsen. Die daraus resultierenden Einkünfte und Bezüge ermitteln sich für die Prüfung des Kindergeldanspruchs gemäß der Berechnung auf dieser Seite.
Hinweis: Die Berechnung zeigt, dass die maßgebenden Einkünfte und Bezüge des Kindes im Jahr 2009 deutlich geringer sind. Kommen noch weitere Einkünfte (z.B. Ferienjob) hinzu, führt womöglich allein die geänderte Berechnung der „Kapitaleinkünfte und -bezüge“ dazu, dass der Jahresgrenzbetrag (7.680 €) nicht überschritten wird.
1) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 1 vom 1. Januar 2009, Seite 10 und 11.
2) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 24 vom 15. Dezember 2008, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17.
3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 3 vom 1. Februar 2009, Steuer-Spartipp Nr. 1, Seite 17.
4) Vgl. Dienstanweisung Familienleistungsausgleich, 63.3.2.3 Absatz 1, Satz 3.
5) Urteil vom 19. September 2007, Aktenzeichen 5 K 1353/06.
6) Aktenzeichen des anhängigen Verfahrens: III R 80/08.
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Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(08):19-19