Jasmin Theuringer
Neue Gehaltstarif- verträge
Zwischen dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) und der Apothekengewerkschaft ADEXA wurde ein neuer Gehaltstarifvertrag vereinbart. Dieser sieht zunächst eine ab dem 1. Januar 2009 wirksame Erhöhung der Gehälter um 2,9% vor, ab dem 1. Januar 2010 erhöhen sich die Gehälter um weitere 1,5%.
Weitreichendere Veränderungen sieht der neue Gehaltstarifvertrag für Nordrhein vor. Die Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL) einigte sich mit der ADEXA auf eine zum 1. Januar 2009 wirksame Gehaltssteigerung um 2,5%. Darüber hinaus wird ab dem 1. Juli 2009 die Struktur der Berufsjahre verändert. Es wird dann für alle Mitarbeiter (mit Ausnahme der Apothekenassisten-ten) vier einheitliche Gehaltsgruppen geben. Die höchste beginnt stets mit dem 8. und nicht wie bislang teilweise erst mit dem 15. Berufsjahr. Die Gehaltssteigerung um 2,5% wird im Rahmen der Strukturveränderung in die Tabelle neu eingearbeitet, was insbesondere in den mittleren Berufsjahren zu Gehaltsverschiebungen führt. Schließlich werden die Gehälter mit Wirkung zum 1. Januar 2010 nochmals um 1,5% steigen, wobei davon 1% auf ein noch nicht ausformuliertes Modell zur leistungsorientierten Vergütung entfallen soll. Die tariflichen Gehälter steigen laut Tabelle also nur um 0,5%.
Das Modell zur leistungsbezogenen Vergütung wird noch verhandelt. Geplant ist, zusätzlich zu der 1%igen Gehaltssteigerung auch 25% bis 50% der spätestens im November fälligen Sonderzahlung nach Leistung auszuzahlen.
Neuer Bundesrahmentarifvertrag
Zwischen dem ADA und der ADEXA wurde auch ein neu- er Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) ausgehandelt, der den bisherigen BRTV ebenfalls zum 1. Januar 2009 ablöst und erstmals zum 31. Dezember 2010 gekündigt werden kann.
Nachtarbeit
In § 7 wurde die Definition der Nachtarbeit an die veränderten Ladenöffnungszeiten angepasst. Nachtarbeit beginnt nunmehr nicht bereits ab 20.30 Uhr, sondern erst ab 22.00 Uhr. Die in § 8 geregelten Nachtarbeitszuschläge sind daher erst ab 22.00 Uhr zu zahlen.
Freistellung von der Arbeit aus besonderen Anlässen
Mit der Einführung eines neuen § 10a lebt die Freistellungsregelung aus älteren Tarifverträgen wieder auf, die mit dem letzten BRTV aufgehoben wurde. § 10a legt fest, wann die Apothekenmitarbeiter einen Anspruch auf bezahlte Freistellung aus besonderen Anlässen haben, so zum Beispiel im Fall von Eheschließungen, Beerdigungen von nahen Angehörigen, Niederkunft der Ehefrau oder für Vorstellungsgespräche.
Diese Klarstellung ist zu begrüßen, da sich ein entsprechender Freistellungsanspruch ohnehin aus dem Gesetz ergibt. Da die gesetzliche Regelung jedoch offenlässt, aus welchen Gründen wie viel Freizeit zu gewähren ist, war dies im Einzelfall individuell zu entscheiden und damit häufig Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen. Die tarifliche Regelung führt daher zu mehr Rechtssicherheit.
Erholungsurlaub
Eine weitreichende Neuregelung hat der in § 11 geregelte Urlaubsanspruch erfahren. Die Staffelung des Urlaubsanspruchs nach Lebensjahren ist aufgegeben worden. Damit wurde den Bedenken der Zulässigkeit dieser Staffelung Rechnung getragen, da das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Ungleichbehandlungen der Arbeitnehmer aufgrund des Alters verbietet.
Nunmehr steht allen Mitarbeitern ein Urlaubsanspruch von 33 Werktagen zu, der sich nach einer 5-jährigen Betriebszugehörigkeit auf 34 Werktage erhöht. Das bedeutet für Mitarbeiter, die aufgrund eines älteren Tarifvertrags bereits einen höheren Urlaubsanspruch als 34 Werktage hatten, dass sich der individuelle Urlaubsanspruch aufgrund der Neuregelung verringern kann. Anders als der nun abgelöste BRTV enthält der neue BRTV keine Regelung zum Vertrauensschutz älterer Mitarbeiter. Enthält jedoch der Arbeitsvertrag eine im Vergleich zum BRTV günstigere Regelung zum Urlaubsanspruch, so hat die vertragliche Regelung Vorrang.
Teilnahme an Schulungen
Eine Klarstellung enthält nunmehr § 17 Ziffer 7 des BRTV. Danach sind Kosten für Schulungen, an denen Mitarbeiter auf Anordnung des Apothekenleiters teilnehmen, von diesem zu zahlen. Damit dürfte bei vom Apothekenleiter angeordneten Schulungen die Möglichkeit des Abschlusses einer Rückzahlungsvereinbarung für den Fall, dass der Mitarbeiter kurz nach der Schulung auf eigenen Wunsch die Apotheke verlässt, entfallen. Eine Rückzahlungsvereinbarung wird nur noch für den Fall möglich sein, dass der Apothekenleiter eine Fortbildung des Mitarbeiters finanziert, an welcher dieser auf eigenen Wunsch teilnimmt.
Sonderzahlung
Eine weitere Einschränkung hat § 18 in Ziffer 3 erfahren. Bislang hing die Frage, ob einem Mitarbeiter die jährliche Sonderzahlung ganz oder teilweise zusteht, von der Dauer dessen Betriebszugehörigkeit ab.
Mit dem neuen Tarifvertrag wird auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit im jeweils laufenden Kalenderjahr wichtig: So entfällt der Anspruch auch bei langjährigen Mitarbeitern, die im laufenden Kalenderjahr aufgrund einer Eigenkündigung oder aufgrund einer Arbeitgeberkündigung aus verhaltensbedingten Gründen ausscheiden, sofern das Arbeitsverhältnis im betreffenden Kalenderjahr nicht länger als sechs Monate besteht. Doch auch damit bleibt der BRTV noch deutlich hinter den Möglichkeiten der Beschränkung einer Sonderzahlung, die einzelvertraglich vereinbart werden könnten.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
In § 19 sind die Grundkündigungsfristen von sechs Wochen zum Quartalsende auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats verkürzt worden. Durch diese längst fällige Änderung sind die Kündigungsfristen dem Gesetz angepasst worden. Die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende barg insbesondere wegen des Kündigungstermins „zum Quartalsende“ Probleme, da nur vier Beendigungstermine im Jahr möglich waren. Diese unflexible Frist entsprach der früheren gesetzlichen Regelung, die jedoch bereits im Jahr 1993 auf die Monatsfrist verkürzt wurde.
Geltungsbereich
Angesichts der weitreichenden Änderungen stellt sich für jeden Apothekenleiter die Frage, ob die Änderungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen umzusetzen sind, insbesondere, ob nun die Gehälter und der Urlaubsanspruch anzupassen sind. Dies hängt wesentlich davon ab, ob der Tarifvertrag auf das konkrete Arbeitsverhältnis anzuwen-den ist.
Tarifbindung
Ein Tarifvertrag ist – wie der Name schon sagt – ein Ver-trag. Ein Vertrag gilt anders als ein Gesetz zunächst nur für diejenigen, die ihn abgeschlossen haben. Der Gehalts- sowie der Bundesrahmentarifvertrag wurden auf Arbeitnehmerseite von der ADEXA geschlossen. Sie vertritt diejenigen Apothekenmitarbeiter, die Mitglied in dieser Gewerkschaft sind. Auf der anderen Seite verhandelte der ADA als Vertreter derjenigen Arbeitgeber, die sich dem Verband angeschlossen haben.
Die Regelungen des BRTV und des Gehaltstarifvertrags gelten zunächst einmal nur, wenn sowohl der Arbeitnehmer Mitglied in der ADEXA ist als auch der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband. Ist also der Apothekenleiter nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes, können sich auch diejenigen Mitarbeiter, die in der ADEXA organisiert sind, nicht auf die Gehaltserhöhungen berufen. Sind beide Parteien Mitglied ihrer jeweiligen Tariforganisation, sind die Neuregelungen einschließlich der Gehälter vollständig zu übernehmen.
Vertraglicher Verweis auf den Tarifvertrag
Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass ein Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag verweist. Viele im Markt erhältliche Arbeitsvertragsmuster für Apotheken enthalten den Hinweis „im Übrigen gelten die Regelungen des BRTV“ oder „im Übrigen gelten die Regelungen des BRTV, wenn der Arbeitnehmer Mitglied der ADEXA ist“. In diesen Fällen ist der BRTV grundsätzlich anzuwenden.
Der BRTV gilt aber nur „im Übrigen“. Das bedeutet, auf die Regelungen des Tarifvertrags wird nur dann zurückgegriffen, wenn der Arbeitsvertrag selbst keine ausdrückliche Regelung enthält. Steht beispielsweise im Arbeitsvertrag, dass der Mitarbeiter Anspruch auf 32 Werktage Urlaub hat, dann bleibt es dabei. Anders ist es, wenn es dort heißt „Der Arbeitnehmer erhält Urlaub nach den tariflichen Regelungen“, in die- sem Fall gilt insoweit der neue BRTV. In der Regel anwend-bar sind aber beispielsweise Neuerungen wie die des § 10a, denn entsprechende Vereinbarungen finden sich normalerweise nicht in den Arbeitsverträgen selbst.
Üblicherweise wird das Gehalt im Arbeitsvertrag ausdrücklich beziffert. Dann bleibt es auch bei diesem Gehalt und der Gehaltstarifvertrag ist in diesem Fall nicht anwendbar. Heißt es im Vertrag hingegen „Der Arbeitnehmer erhält eine Vergü- tung nach Tarif“ oder „... in Höhe von 10% über Tarif“, so sind die Gehälter entsprechend dem neuen Gehaltstarifvertrag anzupassen.
Ist eine Gehaltsanpassung nach dem Vorgenannten erforderlich, ist nur auf das Gehalt der neuen Vergütungstabelle abzustellen. Die prozentuale Erhöhung von 2,9% ab 1. Januar 2009 bzw. von weiteren 1,5% ab 1. Januar 2010 muss nicht weitergereicht werden, wenn der Arbeitnehmer bereits ein Gehalt oberhalb des Tarifvertrags erhält. Verdient z.B. eine PTA im ersten Berufsjahr 1.800,00 €, so erhöht sich das Gehalt nicht, denn der neue Tarifvertrag sieht insoweit ein Gehalt von 1.774,00 € vor. Verdient eine PTA im ersten Berufsjahr dagegen 1.740,00 € und liegt damit rund 1% oberhalb des abgelösten Gehaltstarifvertrags, so ist das Gehalt auf 1.774,00 € anzuheben. Der ohnehin gezahlte Mehrverdienst von rund 1% kann also auf die Tariferhöhung angerechnet werden.
Sonderfälle Sachsen und Nordrhein
Für die Arbeitgeber haben der ADA und die TGL die Verhandlungen geführt. Nachdem die sächsischen Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind, konnten sie von diesem nicht mehr vertreten werden. Für Sachsen gelten die neuen Tarifverträge daher nicht. In sächsischen Apotheken können die Neuregelungen nur dann Anwendung finden, wenn die Gel-tung der Tarifverträge in den Arbeitsverträgen vereinbart wurde, eine Geltung aufgrund einer Tarifbindung der Vertragsparteien scheidet aus.
Die TGL hat einen eigenen Gehaltstarifvertrag verhandelt, der ausschließlich im Tarifgebiet Nordrhein gilt. Die Verhandlungen über den neuen BRTV stehen noch an, sodass in Nordrhein zunächst der bisherige BRTV weiter gilt.
Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin,
Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(08):10-10