Dr. Christine Ahlheim
? Welche Erwartungen haben Sie an den bevorstehenden Deutschen Apothekertag?
In diesem Jahr steht der Deutsche Apothekertag unter dem Motto „Gesundheit braucht Verantwortung“. Diese anscheinend schlichte Feststellung beinhaltet jede Menge Gesprächsstoff. Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Mai steht nun immerhin fest, dass die persönliche Verantwortung eines approbierten Apothekeninhabers der Gesundheit von Patienten zuträglicher ist als irgendeine Liberalisierung oder Kettenbildung. Ausruhen können wir uns auf diesem Richterspruch jedoch nicht, sondern müssen ständig an Leistung, Qualität und Service arbeiten. Das wird sich auch in den Anträgen der ABDA-Mitgliedsorganisationen und bei den Diskussionen in der Plenarsitzung widerspiegeln.
Die Arbeitskreise des Apothekertages knüpfen nahtlos an die Themen des Vorjahres an und beziehen sich erneut auf die Arzneimittelversorgung der Patienten. Die Herausforderungen für die Apotheker liegen nämlich nicht nur in der Demografie, sondern auch in der Interdisziplinarität und in der Patientenorientierung. Der Blick über den Tellerrand hinaus – ins Ausland und in die nächste Legislaturperiode – wird kurz vor der Bundestagswahl sicherlich eine ganz besondere Brisanz haben.
Insgesamt bietet der Apothekertag auch in diesem Jahr eine hervorragende Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Akzente zu setzen. Standespolitisch kommen wir aber nur dann voran, wenn wir Apotheker uns als Heilberufler und zugleich als Verbraucherschützer begreifen.
? Welche Wünsche haben Sie an die Gesundheitspolitik der künftigen Bundesregierung?
Für Apotheker und Gesundheitspolitiker sehe ich ein gemeinsames Ziel: das Bild des Apothekers als Heilberufler zu stärken und seine Kompetenzen noch besser zu nutzen. Die Politik steht dabei in der Pflicht, einen sicheren Rechtsrahmen vorzugeben. Für eine ordnungsgemäße, unabhängige und flächendeckende Arzneimittelversorgung braucht man klare Regeln und Planungssicherheit. Am Beispiel der sogenannten Pick-up-Stellen wird deutlich, dass eine zukunftsweisende Klärung mancher Streitpunkte im Sinne des Verbraucherschutzes notwendig ist. Das „besondere Gut“ Arzneimittel ist zu sensibel, als dass man es seinem Schicksal überlassen sollte.
Ein weiterer Ansatzpunkt für eine künftige Gesundheitspolitik wäre die Weiterentwicklung von kollektivvertraglichen Regelungen zur Arzneimittelversorgung. Auf diese Weise können Gemeinwohlleistungen verlässlich und kostendeckend mitfinanziert werden. Ergänzend ließen sich einzelvertragliche Honorierungsoptionen für weitere definierte pharmazeutische Dienstleistungen vereinbaren. Um den Patienten die volle Kompetenz der Apotheken zugutekommen zu lassen, ist die Einbindung qualitätsgesicherter Apothekenleistungen in neue Versorgungskonzepte wünschenswert. Ein weiteres Stichwort ist das Medikationsmanagement: Durch eine verbesserte Einbindung der Apotheker in die Betreuung chronisch kranker und multimorbider Patienten kann im Gesundheitswesen viel erreicht werden.
? Welche Zukunft werden aus Ihrer Sicht die Rabattverträge haben?
Die Apotheken setzen die Rabattverträge seit mehr als zwei Jahren nach besten Kräften um. Etliche Kinderkrankheiten sind zwar mittlerweile überwunden, doch manche Fragen stehen immer noch im Raum oder werden sogar bei jeder neuen Ausschreibung einer Krankenkasse auch wieder neu gestellt. Werden die Klagen unterlegener Hersteller rechtzeitig vor Inkrafttreten des Rabattvertrages von den Wettbewerbsbehörden und Gerichten behandelt? Oder gibt es Verzögerungen? Ist die Lieferfähigkeit des Herstellers gegeben? Hat die Kasse ihre Versicherten rechtzeitig über auslaufende oder neu einsetzende Rabattverträge informiert? Gibt es Übergangsfristen vom einen zum anderen Rabattvertrag? Und vor allem: Machen die Kassen ihre Einsparungen transparent, sodass Versicherte und Apotheker auch den Erfolg der Rabattverträge beurteilen können? Denn schließlich führen die Rabattverträge zu erheblichem Mehraufwand in den Apotheken. Dass man sich als Apotheker daran schon fast gewöhnt hat, macht die Sache nicht besser. Wenn die Gesundheitspolitik und die Kassen den Erfolg der Rabattverträge wirklich objektiv bewerten wollen, müssen alle Rabatte und Einsparungen offen diskutiert werden. Im Übrigen haben wir Apothe‑ ker auch immer noch unser Zielpreismodell in der Hinterhand, das wir als Alternative jeder Krankenkasse gerne anbieten – inklusive Einsparpotenzial.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(18):3-3