Jasmin Theuringer
Die wichtigste Ausnahme ist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, bekommt er für die Dauer von sechs Wochen seine Vergütung weiter gezahlt. Ebenfalls im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt ist die Zahlung der Vergütung an gesetzlichen Feiertagen. Feiertage sind so abzurechnen, als sei tatsächlich gearbeitet worden. Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn sie nach dem Dienstplan am Feiertag hätten arbeiten müssen. Ein Nacharbeiten darf nicht verlangt werden. Weitere wichtige Ausnahmen sind die Entgeltfortzahlung während des Erholungsurlaubs sowie während der Schutzfristen vor und nach der Geburt.
Verhinderung aus persönlichen Gründen
Neben diesen im Gesetz recht eindeutig geregelten Fällen ist vor allem die Vorschrift des §616 BGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift verliert ein Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch nicht dadurch, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebli-che Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Diese wenig „greifbare“ Formulierung des §616 BGB lässt etliche Fragen offen, die von der Rechtsprechung durch eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen beantwortet werden.
Eine personenbedingte Hinderung an der Arbeitleistung liegt etwa vor bei
- eigener Eheschließung,
- der Niederkunft der Ehefrau oder der nichtehelichen Partnerin,
- Todesfällen in der näheren Verwandtschaft,
- der notwendigen Pflege naher Angehöriger – insbesondere Kinder – oder
- der Ladung zu Behörden- oder Gerichtsterminen.
Das Aufsuchen eines Arztes ist nur dann eine persönliche Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Arzttermin nicht außerhalb der Arbeitszeiten wahrgenommen werden kann.
Geburtstage oder Hochzeiten von Freunden und Verwandten begründen hingegen keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, ebenso wenig die Wahrnehmung von Terminen im eigenen Interesse (z.B. Führerscheinprüfung). In diesen Fällen ist der Mitarbeiter darauf angewiesen, einen Urlaubstag zu nehmen.
Umstritten ist die Frage, ob für den eigenen Umzug ein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Grundsätzlich ist ein Umzug am Wochenende durchführbar, eine zwingende Arbeitsverhinderung wird daher nur bei Mitarbeitern zu begründen sein, die am Wochenende arbeiten müssen. Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung kann aber vorliegen, wenn der Umzug betrieblich veranlasst ist, etwa weil der Mitarbeiter versetzt wurde, und der Umzug so umfangreich ist, dass er an einem Wochenende nicht zu bewältigen ist.
Die Arbeitsverhinderung muss für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ bestehen. Auch hier gibt die Gesetzesformulierung erneut Anlass für eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen der Gerichte.
Je nach Verhinderungsgrund werden von der Rechtsprechung Zeiträume von ein bis drei Tagen als verhältnismäßig angenommen, die konkrete Dauer ist aber vom jeweiligen Verhinderungsgrund abhängig. So gibt es keinen „Sonderurlaub“ für die eigene Hochzeit, sondern es besteht eine Arbeitsverhinderung für die tatsächlich erforderliche Zeit, also für einen Tag.
Insbesondere die Pflege minderjähriger Kinder während einer Krankheit kann längere Ausfallzeiten begründen. Hier ist je nach Alter des Kindes eine bezahlte Freistellung von bis zu 5 Tagen möglich. Ist ein Kind unter 12 Jahren darüber hinaus pflegebedürftig, so gibt das Sozialgesetzbuch dem Arbeitnehmer für jedes Kind einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von bis zu 10 Arbeitstagen jährlich (Alleinerziehende: bis zu 20 Arbeitstage). Für diese Zeit erhalten gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Dabei werden jedoch die Tage der bezahlten Freistellung abgezogen. Ist z.B. das fünfjährige Kind einer Mitarbeiterin schwer erkrankt, so kann sie vom Arbeitgeber eine bezahlte Freistellung von 5 Arbeitstagen verlangen, anschließend eine unbezahlte Freistellung von weiteren 5 Arbeitstagen, während der sie Anspruch auf Krankengeld hat.
Regelung im BRTV
Diese gesetzlichen Vorschriften können durch Regelungen in Arbeits- oder Tarifverträgen konkretisiert und auch eingeschränkt werden. Der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter (BRTV) enthält in §10a eine ausführliche Regelung zur Freistellung aus besonderen Anlässen und beseitigt damit in den Apotheken, in denen der Tarifvertrag anwendbar ist, die oben beschriebenen Unsicherheiten.
Der BRTV regelt abschlie-ßend die Anlässe, zu denen eine bezahlte Freistellung in Betracht kommt sowie den Umfang der jeweiligen Freistellung. Weiterhin wird der Freistellungsanspruch auf zwei Tage im Jahr beschränkt. So bekommt der Mitarbeiter beispielsweise für die eigene Hochzeit oder für die Teilnahme an derjenigen seiner Geschwister oder Kinder jeweils einen Arbeitstag bezahlte Freistellung, für die Teilnahme an der Beerdigung naher Angehöriger ebenfalls einen Tag. Eine bezahlte Freistellung für den Umzug sieht der BRTV hingegen nicht vor.
Für die notwendige Pflege eines erkrankten Kindes bis zum vollendeten 16. Lebensjahr können insgesamt 5 Arbeitstage bezahlte Freistellung im Jahr beansprucht werden. Weitere Voraussetzung ist, dass kein Anspruch auf anderweitigen Vergütungsersatz besteht, es wird also das von der Krankenkasse gezahlte Krankengeld in Abzug gebracht. Die tarifliche Regelung kann daher bei der Pflege von Kindern bis zum 12. Lebensjahr nur die Differenz zwischen dem Krankengeld und der Vergütung gewähren sowie bei Kindern zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr die volle Lohnfortzahlung für längstens fünf Arbeitstage.
Wegerisiko
Ist ein Arbeitnehmer aufgrund eines Unwetters oder anderer Umstände wie dem Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel gehindert, seinen Arbeitplatz zu erreichen, entfällt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer trägt das sogenannte Wegerisiko, d.h. das Risiko, rechtzeitig seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Der Arbeitgeber kann also die Vergütung des Arbeitnehmers kürzen, er ist allerdings nicht berechtigt, diesen Ausfall mit Urlaubstagen zu verrechnen. Dies würde dem Erholungszweck des Urlaubs widersprechen.
Auch ein Nacharbeiten der versäumten Zeit darf nicht verlangt werden. Die Verpflichtung zur Arbeitsleistung ist eine sogenannte Fixschuld, sie ist zu dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt zu erbringen. Ist dieser Zeitpunkt vorbei, wird der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Er bekommt für die versäumte Zeit allerdings auch kein Gehalt.
Betriebsrisiko
Ist der Arbeitgeber dagegen aufgrund höherer Gewalt gezwungen, seinen Betrieb zu schließen, zum Beispiel wegen eines Stromausfalls, verwirklicht sich das sogenannte Betriebsrisiko. Der Arbeitgeber trägt das Risiko der Funktionsfähigkeit seines Betriebs, dem Arbeitnehmer darf also weder das Gehalt noch der Urlaubsanspruch gekürzt werden. Auch ein Nacharbeiten kann aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitspflicht nicht verlangt werden.
Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin,
Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater,
40212 Düsseldorf,
E-Mail: theuringer@bellinger.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(18):11-11