Personalführung

Mit Ziel, Strategie und System zum Erfolg


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Alle Personaleinsatzplanungen und Kostenoptimierungen nützen wenig, wenn Ihre Mitarbeiter nicht zielführend mit entsprechendem Leistungseinsatz und hoher Motivation tätig sind. Dabei weist die Apotheke gegenüber klassischen Industrieunternehmen Besonderheiten auf.

Die Physik sagt es schon: Arbeit ist Kraft mal Weg und die erbrachte Leistung ist die verrichtete Arbeit je Zeiteinheit. Kraft ist zudem eine vektorielle Größe: Die Richtung entscheidet! In die falsche Richtung gelenkt, kann hoher Arbeitseinsatz kontraproduktiv wirken, genauso wie auch übermotivierte Mitarbeiter. Die Apotheke weist noch einige Besonderheiten auf:

  • Die Mitarbeiter sind überwiegend, in nicht wenigen Apotheken ausschließlich, weiblich.
  • Es dominieren Teilzeit-Arbeitsverhältnisse. Bei vielen Mitarbeiterinnen stellt das Gehalt der Apotheke nicht die alleinige Lebensgrundlage dar, sondern bessert nur das Familieneinkommen auf.
  • Es gibt kaum Karriere­möglichkeiten wie ansonsten in vertikal strukturierten Industrieunternehmen, in denen es die berühmte (wenn auch heute löchriger gewordene) Karriereleiter gibt. Den Motivationsfaktoren Geld und Berufsperspektiven sind somit in der Apotheke vergleichsweise enge Grenzen gesetzt.
  • In der Apotheke arbeitet man auf engem Raum zusammen und kann sich nur recht schwer aus dem Weg gehen.

Viele klassische Managementweisheiten verblassen vor diesem Hintergrund. Eine Apotheke lässt sich nur sehr bedingt wie ein Fertigungs­betrieb führen. Vor allem aber spielt in einem Kleinbetrieb die Person des Inhabers die herausragende Rolle.

Die Person des Unternehmers

Sie kennen den Spruch: „Wie der Herr, so sein Gescherr.“ Da ist etwas Wahres dran, denn Mitarbeiter orientieren sich nun einmal am Chef und richten sich nach seinen Stärken, Schwächen und Launen aus. Wenn etwas nicht funktioniert, lässt sich das nur bedingt auf die Mitarbeiter schieben. Im Sport beispielsweise „fliegt“ deshalb in aller Regel der Trainer zuerst... Als Unter­nehmer können Sie zwar nicht „rausfliegen“, Sie merken es aber irgendwann an Ihren Gewinnen und sinkenden Kundenzahlen. Das sieht man durchaus einigen Apotheken an: Der Leidensdruck fehlt, das Geschäft läuft noch pas­sabel gut (aber nicht so, wie es laufen könnte), die Mitarbeiter verrichten ihren Dienst „nach Vorschrift“. Hier reicht ein energischer Weckruf, um aufzuwachen und einfach mehr aus den vorhandenen Potenzialen zu machen.

Weit schwieriger sind die Fälle, bei denen das Problem in der Person des Inhabers begründet liegt. Bevor Sie sich in Strategien, Zielvereinbarun­gen und Personalführungs­debatten verstricken, sollten Sie eine eigene Standortbestimmung vornehmen. Warum? Bedenken Sie, dass Tag für Tag viele Augenpaare auf Sie gerichtet sind – mit einer bestimmten Erwartungshaltung. Sie als Chef wirken allein schon durch Ihre Ausstrahlung und Erscheinung, Sie unter­liegen einem ständigen Kräftemessen, selbst wenn Ihnen das nicht bewusst ist. Und da entscheidet maßgeblich Ihre Stärke und natürliche Autorität, mit der Sie auftreten.

Denken Sie an einen Wellensittich oder ein Meerschweinchen: Mit diesen Tieren machen die Besitzer, was sie wollen. Sie nutzen sie als Kuscheltier, sperren sie nach Lust und Laune ein, schieben sie hier und da hin. Anstand und Moral setzen vielleicht Grenzen, oft auch Mitleid. Eine Dogge oder eine Katze werden dagegen mit weit mehr Respekt behandelt – weil sie wehrhaft sind!

Führungsfähigkeit durch Stärke

Das mag trivial klingen, ist aber eine der Kernaussagen der Führung. Nicht umsonst gibt es bei rudelbildenden Tieren regelmäßig Kämpfe der Stärksten um die Spitze. Beim Menschen ist hier vieles „wegsozialisiert“, doch im Grunde will das „Rudel“ den Stärksten an der Spitze sehen und nicht denjenigen, der es kraft Amtes nun einmal ist. Stärke in der Führung bedeutet Sicherheit für die anderen. Gelingt es Ihnen nicht, Stärke und eine natürliche Autorität aufzubauen, werden alle Se­minare und „Taschenspielertricks“ der Führungslehre nur begrenzt Wirkung zeigen.

Doch was bedeutet Stärke? Das ist recht simpel: Sie sollten in wesentlichen Bereichen einfach erkennbar besser sein als andere, insbesondere besser als Ihre Mitarbeiter. Dazu müssen Sie keinesfalls in allen Detailfragen überlegen sein. Einige herausragende Stärken sollten Sie aber entwickeln:

  • Intellektuelle Schärfe: Dinge schnell durchschauen, den Kern erkennen, logisch analysieren. Wer dies kann (und im Alltag auch gekonnt „in Szene setzt“), hat schon viel Respekt bei den Mitarbeitern: Der Chef „checkt es“, „hat es einfach drauf“ – das wird Ihre PTA, Ihr Azubi von Ihnen im Bekanntenkreis erzählen.
  • Fachliche Kompetenz rundet das oben Gesagte eindrucksvoll ab, wobei es hier vor allem auf die Zusammen­hänge ankommt. Präzise Detailkenntnis ist gut, aber nicht unbedingt so erforderlich wie der Blick für das Wesentliche, die Chancen, die Risiken. Fachliche Kompetenz umfasst bei einem Unternehmer im Übrigen auch die wirtschaftliche Kompetenz.
  • Psychologisches Geschick und Menschenkenntnis: Mit der Fähigkeit, Menschen, Stimmungen und Motive zu erkennen, können Sie sich sehr viel Führungspotenzial erschließen. Wenn Sie der Erste sind, der spürt, dass etwas im Team nicht stimmt, Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden sehr gut erkennen und damit Ihre Mitarbeiter durch Verkaufs- und Beratungserfolge verblüffen, sind Sie auf einem guten Weg, natürliche Autorität zu erlangen.
  • Physisch-sportlicher Bereich: Gute Erfolge im Leistungssport, Kampfsporterfahrung, schon allein eine durchtrainierte Figur – all dies verbessert Ihre Wirkung auf Ihr Gegenüber sehr deutlich.

Sie sind schon ein gutes Stück weiter, wenn Sie erst einmal nur einen oder zwei der oben skizzierten Bereiche ausfüllen können. Ihre Mitarbeiter wollen stolz auf Sie sein – und suchen gleichzeitig Sicherheit und Schutz.

Stärke bedeutet auch Wehrhaftigkeit gegenüber den täglichen Herausforderungen. Intellektuelle Überlegenheit wird durch körperliche Belastbarkeit wirksam unterstützt. Geist und Körper lassen sich nicht trennen. Nicht umsonst wird sportliche Aktivität bei Bewerbern um begehrte Einstiegspositionen in Großkonzernen gerne gesehen.

Umsetzung in Ziele

Aus dieser Position der Stärke heraus fällt es viel leichter, Ziele und Strategien zu formulieren, die Mitarbeiter darauf einzuschwören und sie dann auch zu erreichen. Vor der Formulierung der Ziele und Strategien steht jedoch die Analyse des Ist-Zustandes. Denn Sie können keinen Weg fest­legen, wenn Sie Ihren jetzi­gen Standpunkt nicht kennen.

Formulieren Sie Ihre Ziele konkret – also nicht 08/15-Aussagen wie „Wir wollen unsere Servicequalität steigern“ oder „Der Kunde soll bei uns künftig stets im Mit­telpunkt stehen“. Auch nicht nur: „Wir wollen besser als die Wettbewerber sein.“ Das mag als erste Motivationsformel genügen, aber dann wird es konkret: Was heißt besser? Welche Kriterien und Messgrößen sollen herangezogen werden? Wo steht der Kunde heute? Wie definiert sich Servicequalität?

Ziele haben stets einen Zeit­aspekt. Ziele ohne Zeitvorgabe sind keine Ziele, sondern vage Vorstellungen. Zeichnen Sie auf einer übersichtlichen Zeitachse auf, wann was erreicht werden soll. Komplexe Vorhaben werden dazu in Teilziele („Meilensteine“) zerlegt.

Nicht zuletzt bedarf es ge­eigneter Werkzeuge und Methoden, um ein Ziel zu erreichen. Das ist für jeden Handwerker selbstverständlich – aber nicht für jede Führungskraft. Wie soll Ihre PTA den Korbertrag steigern? Wie sollen Marktanteile gewonnen werden? Welcher Methoden bedienen Sie sich, um ein Bedarfsprofil Ihrer Kunden auf­zustellen und darauf eine Neugestaltung Ihres Frei- und Sichtwahlangebots aufzubauen? Diese Nagelprobe bestehen viele Betriebe nicht, mit der Konsequenz, dass man sich dann einen Berater kommen lässt, auf Standardangebote z.B. von Kooperationen zurückgreift oder sich von der Werbung treiben lässt.

Kommunikation der Ziele

Souverän, mit dem Ist- und einem realistischen Zielzustand vor Augen sowie mit gepackter „Werkzeugkiste“ treten Sie vor Ihre Mitarbeiter. Einige Ziele lassen sich noch im Team diskutieren und „feinjustieren“, ebenso die Methoden. Je „weicher“ und atmosphärischer die Ziele sind und je weiter sie in die persönliche Sphäre der Mit­arbeiter hineinreichen, umso mehr ist die kooperative Ziel­entwicklung sinnvoll. „Harte“ Ziele wie Marktanteile, Erträge oder grundlegende Strategien wie eine weitere Expansion sollten jedoch nicht „weichdiskutiert“ werden.

Je besser Sie vorbereitet sind und selbst wissen, was Sie wollen sowie was realistisch erreichbar ist, umso mehr können Sie bei Ihren Mitarbeitern punkten und sie überzeugen. Wichtig ist, eine Kongruenz der Zielvorstellungen her­zustellen: Mein Vorteil als Chef ist auch euer Vorteil als Mitarbeiter. Dies muss eindeutig herauskommen, sonst wird es mit der Motivation schwierig, Abwehrhaltungen formieren sich, vieles verliert sich schlicht in der Tagesroutine und gerät in Vergessenheit bzw. „versandet“.

Konkrete Zielvereinbarun­gen mit den Mitarbeitern können hierbei sehr sinnvoll sein, doch beachten Sie die Gefahr der Überforderung. Anders als in der Industrie im mittleren Management können viele der „einfacheren“ Mitarbeiter mit solchen Ins­trumenten nur bedingt um­gehen und empfinden sie schnell als Bedrohung oder ungeliebtes Kontrollinstrument. Das drückt die Leistung negativ bzw. führt schlimmstenfalls zu Abwanderung.

Vergessen Sie nicht die Taktik, vor allem in größeren Betrieben: Sie sollten unbedingt die „Führungskräfte“ in Ihrer Apotheke sowie die bekann­ten „Multiplikatoren“, welche die kommunikative Mitte des Teams bilden, überzeugen können. Steht dieser „Mittelbau“ nicht hinter den Ver­einbarungen, wird es schwer. Gegebenenfalls ist es sinnvoll, diese Personen vorab einzeln heranzuziehen und neben individuellen Zielvereinbarungen auch Be­lohnungen in Aussicht zu stellen. Je größer das Vorhaben, umso mehr zählen diese taktischen Erwägungen.

Traditionelle Skeptiker und Meckerer gilt es vorzeitig zu befrieden. Bisweilen hilft es, ihnen ein spezielles Amt an­zuvertrauen, das wichtig erscheint, bei dessen Ausübung aber kein großer Schaden angerichtet werden kann. Diese Strategie widerspricht vielleicht dem autoritären Führungsgedanken in klassischen Kleinbetrieben („Hier bestimme ich!“), erweist sich praktisch aber als wesentlich reibungsärmer und damit zielführender.

Zielverfolgung und -nachkontrolle

Alle Vorgaben müssen stets nachkontrolliert werden im Sinne eines Soll/Ist-Abgleichs. Gut, wenn dazu die Zielgrößen konkret messbar und klar ausformuliert sind! Verfolgen Sie hingegen Ihre Ziele nicht nach, entwerten Sie alles – auch die Leistung Ihrer Mitarbeiter: „Der kümmert sich ja doch nicht mehr darum, also ist es egal...“ Setzen Sie sich daher lieber weniger Ziele, formulieren Sie Strategien einfacher und lassen Sie den einen oder anderen Seitenast erst einmal weg – und fokussieren Sie die Kräfte darauf, dass das Ver­einbarte erreicht werden kann. Überfordern Sie die Menschen dabei nicht. Dinge, die im ersten Durchgang noch nicht angegangen werden konnten, kommen konsequenterweise in der Folgeperiode auf die Agenda. So geht es vielleicht etwas langsamer aber Schritt für Schritt mit einem weit geringeren Rückschlagsrisiko voran.

Dr. Reinhard Herzog,
Apotheker, 72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(22):8-8