Steuer-Spartipp

Vorsteuer: Aufteilung bei Apothekengebäude


Helmut Lehr

Bei der optimalen Finanzierung eines neu errichteten Ge­schäftshauses spielt der Vorsteuerabzug eine bedeutende Rolle. Immerhin sind die „Baukosten“ nahezu ausschließlich mit 19% Umsatzsteuer belastet, die wiederum als Vorsteuer vom Fiskus erstattet wird, soweit mit dem Objekt „steuerpflichtige“ Umsätze erzielt werden.

Beispiel: Apothekerin Abt lässt ein neues Geschäftshaus errichten. Die Baukosten (Festpreis) betragen 900.000 € zzgl. 171.000 € Umsatzsteuer. Im Erdgeschoss (180 qm) wird sie ihre Apotheke betreiben, die beiden Obergeschosse (je 180 qm) sollen an Ärzte vermietet werden, die nahezu ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze haben. Die Miete für die Obergeschosse soll je 2.700 €/Monat betragen. Für das Erdgeschoss könnte bei Fremdnutzung eine Miete von 3.500 €/Monat erzielt werden. Weil die Vermietung an die Ärzte zwingend umsatzsteuerfrei erfolgen muss, kann Frau Abt nur diejenigen Vorsteuerbeträge abziehen, die auf die eigen­genutzte Apotheke entfallen.

Finanzverwaltung: Flächenverhältnis maßgebend

Nach §15 Absatz 4 Satz 3 Umsatzsteuergesetz ist eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der Umsätze nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Bei bebauten Grundstücken vertritt die Finanzverwaltung jedoch regelmäßig die Auffassung, dass eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen sachgerecht und somit „zwingend“ ist. Vor diesem Hintergrund wird das Finanzamt voraussichtlich einen Vorsteuerabzug in Höhe von 57.000 € (171.000 € x 180 qm/540 qm) berücksichtigen.

Umsatzschlüssel möglich

Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Vorschrift des §15 Absatz 4 Satz 3 Umsatzsteuergesetz für gemeinschaftsrechtswidrig1). Es ist von seiner Auffassung derart überzeugt, dass es die „Problematik“ noch nicht einmal dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt hat.

Hinweis: Im Streitfall wurde dem Kläger deshalb eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel zugestanden. Allerdings hat die Finanzverwaltung mittlerweile Revision eingelegt2).

Wie im Beispielsfall die Vorsteueraufteilung nach Umsätzen erfolgen soll/kann, ist der­zeit noch nicht eindeutig geklärt. Die Finanzverwaltung hat sich – noch zu einer frü­heren Rechtslage – bei einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dafür ausgesprochen, die „fiktive ortsübliche Vergleichsmiete“ bei der Berechnung zu berücksichtigen3). Bei Nutzung zu eigenbetriebli­chen Zwecken ist die Position der Finanzverwaltung „offen“.

Eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel könnte daher wie folgt aussehen: Bei Anwendung des Umsatzschlüssels (siehe Tabelle unten links) ergäbe sich eine abzugsfähige Vorsteuer von 67.237 € (171.000 x 39,32%). Dies brächte Frau Abt ein Plus von rund 10.000 € gegenüber einer Vorsteueraufteilung nach Nutzflächen.

Optimierte Gestaltung

Teils wird auch die Auffassung vertreten, dass bei Berechnung der Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel für eigenbetrieblich genutzte Gebäudeteile auf den tatsächlich erzielten Gesamtumsatz abzustellen ist. Die abzugsfähige Vorsteuer betrüge bei ei­nem angenomme-nen jährli­chen Gesamtumsatz der Apotheke von 800.000 € zzgl. der umsatzsteuerfreien Jahresmiete von 64.800 € somit 158.186 € (171.000 € x 800.000 €/864.800 €). Bei einem unterstellten jährli-chen Umsatz von 1.000.000 € würde die abzugsfähige Vorsteuer 160.593 € (171.000 x 1.000.000 €/1.064.800 €) betragen. Die Berechnungen zeigen, dass bei dieser Art der Interpretation des Umsatzschlüssels der Vorsteuerabzug um ein Vielfaches höher wäre.

Hinweis: Man könnte hier zunächst einwenden, dass der tatsächliche Gesamtumsatz der Apotheke nur dann der Vorsteueraufteilung zugrunde gelegt werden kann, wenn auch der tatsächliche (umsatzsteuerfreie) Gesamtumsatz der beiden Arztpraxen gegenübergestellt wird. Dem steht zum einen das Steuergeheimnis entgegen – Frau Abt selbst hat kein Recht darauf, diese Umsatzzahlen zu erfahren und kann eine solche Aufteilung folglich gar nicht durchführen –, zum anderen wird aus der maßgebenden Sicht von Frau Abt tatsächlich nur die jeweilige Jahresmiete als Umsatz mit den beiden Obergeschossen erzielt.

Praxisempfehlungen

Wie die obigen Berechnungen belegen, kann es sich in der Praxis durchaus lohnen, für die optimierte Vorsteueraufteilung (ggf. auch gerichtlich) „zu kämpfen“. Zunächst muss allerdings noch der Bundes­finanzhof entscheiden, ob die mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführte Vorschrift des §15 Absatz 4 Satz 3 Umsatzsteuergesetz tatsächlich gemeinschaftswidrig ist.

Bis dahin sollte bei der Errichtung eines neuen (gemischt genutzten) Objekts der möglichst optimale Vorsteueraufteilungsschlüssel ermittelt und angewendet werden. Die konkrete Berechnung sollte der Finanzverwaltung zeitnah mitgeteilt werden, um „Steuerverkürzungsvorwürfen“ vorzubeugen. Ablehnende Bescheide sind unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahrens offenzuhalten.

Hinweis: Bei der Anschaffung (nicht aber bei der Herstellung) eines gemischt genutzten Objekts lässt die Finanzverwaltung bereits jetzt eine nach Ertragswertgesichtspunkten orientierte Vorsteueraufteilung zu4), die einem Umsatzschlüssel zumindest faktisch recht nahekommt.

1) Vgl. Urteil vom 23. April 2009, Aktenzeichen 16 K 271/06.
2) Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs: V R 19/09.
3) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 24. November 2004, Aktenzeichen IV A 5 – S 7306 – 4/04.
4) Vgl. Abschnitt 217 Absatz 2 Satz 17 Umsatzsteuer-Richtlinien.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2009; 34(24):18-18