DAX

Der Durchschnitt als Signalgeber


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Heute zwei Prozent Plus, morgen drei Prozent Minus – der deutsche Aktienmarkt ist derzeit von hektischen Kursschwankungen geprägt. Entscheidend für den Anlageerfolg ist jedoch vorrangig die richtige Einschätzung des Langfrist-Trends.

Die deutsche Börse befindet sich derzeit in einem Wechselbad aus positiven und negativen Nachrichten. Einerseits sorgen die solide anziehenden Unternehmensgewinne, die verbesserten Exportchancen durch den schwachen Euro und die niedrige Inflationsrate für positive Stimmung, andererseits belasten die Griechenland-Krise, die explosionsartig steigende Staatsverschuldung und nicht zuletzt drohende Zinssteigerungen den Markt. Der Deutsche Aktienindex DAX liefert ein entsprechendes Abbild: Heute Euphorie, morgen tiefster Pessimismus prägen das Bild.

Für Anleger ist es in solchen Phasen nicht leicht, den Überblick zu behalten. Eine solide Hilfe bietet dabei gerade jetzt die Chartanalyse, also die grafische Darstellung des Kursverlaufs. Denn hier gilt die Regel, dass ein Kurstrend solange als intakt anzusehen ist, wie er nicht nachhaltig gebrochen wird. Eines der wichtigsten Instrumente dabei: Der Gleitende 200-Tage-Durchschnitt (GD-200). Er wird aus den Schlusskursen der vorangegangenen 200 Börsentage errechnet und Tag für Tag fortgeschrieben. Daraus ergibt sich eine vergleichsweise träge reagierende Linie, die in den Kurschart eingetragen wird. Als Kaufsignal gilt, wenn der aktuelle Kurs den GD-200 nach oben schneidet oder über dem GD-200 liegt. Als negatives Indiz gilt ein Zurückfallen des aktuellen Kurses unter den GD-200 und eine Notierung, die unter der Durchschnittslinie liegt. Als zusätzliches, besonders starkes Indiz werden Wendepunkte beachtet, also wenn der GD-200 nach einer Aufwärtsphase nach unten dreht (siehe Chart Anfang 2008) bzw. nach oben schwenkt (siehe Chart Mitte 2009).

Mit Spannung blicken Börsianer gerade jetzt wieder auf den GD-200. Anfang Mai wurde die Linie das erste Mal unterschritten, nach einer kurzzeitigen Erholung erfolgte ein weiterer Rückschlag. Übereiltes Handeln ist dennoch nicht geboten: Ein kurzzeitiges Unterschreiten ist – dies zeigt auch die Entwicklung in den Jahren 2003 bis 2007 – durchaus „normal“. Erst ein nachhaltiger Rückgang, verbunden mit einer beginnenden Drehung des GD-200 müßte als Warnsignal bewertet werden. Wirklich kritisch wird die Situation also im Fall eines Rückgangs in den Bereich zwischen 5.200 bis 5.400 Punkte. Gerade momentan sind aber die Chancen einer Stabilisierung – zumindest charttechnisch – recht gut, weshalb Börsianer auch bei hohen Tagesverlusten vorerst einen „kühlen Kopf“ bewahren sollten.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(12):15-15