Beratungsprotokoll

Fleißarbeit mit geringem Nutzwert


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Nicht nur im medizinischen Bereich gibt der Gesetzgeber umfangreiche Dokumentationspflichten vor. Auch Banken und Sparkassen müssen seit Jahresbeginn sogenannte Beratungsprotokolle ausfüllen, die dem Kundenschutz dienen sollen. Der Nutzwert ist jedoch gering.

Während der Finanzkrise haben deutsche Anleger viel Geld verloren. Schuld daran ist jedoch weniger eine beson­dere Spekulationsfreudigkeit der Sparer, sondern in erster Linie der Verkaufsdruck der Kreditinstitute: Selbst wenn ein Kunde ein grundsolides und sicheres Produkt suchte, wurden ihm waghalsige Zertifikat-Konstruktionen „ins Depot gedrückt“. Geht die An­lage schief, stehen die Chancen auf Schadensersatz – dies haben in jüngster Vergangenheit einige Prozesse gezeigt – meist schlecht.

Um dies zu ändern, hat der Gesetzgeber den § 34 Absatz 2a in das Wertpapierhandelsgesetz eingefügt. Mussten bisher lediglich die Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers, seine finanziellen Verhältnisse und die Anlageziele durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen abgefragt werden, so ist jetzt ein Beratungsprotokoll erforderlich. Enthalten muss es u.a. den Anlass der Beratung, Informationen über die persönliche Situation des Kunden, seine Kenntnisse und Erfahrungen, die besprochenen Anlagemöglichkeiten und nicht zuletzt die Gründe für die erteilten Empfehlungen. Das Protokoll muss vom Berater unterschrieben und dem Kunden sofort ausgehändigt wer­den. Selbst die Dauer des Gesprächs ist zu vermerken. Das Protokoll soll als Grundlage für mögliche rechtliche Auseinandersetzungen dienen, wenn es mit der Geldanlage zu Schwierigkeiten kommt.

Kein Anlegerschutz

Was auf den ersten Blick begrüßenswert erscheint, bringt in der Praxis zahlreiche Probleme mit sich. So ist das Beratungsprotokoll nur für Wertpapieranlagen erforderlich. Entscheidet sich der Kunde jedoch z.B. für Festgelder, Sparbriefe oder auch – oftmals besonders riskante – geschlossene Immobilienfonds, wird kein Protokoll erstellt.

Aber auch bei Wertpapieren erscheint es nahezu unmöglich, alle Aspekte lückenlos zu besprechen. Und so neigen die meisten Berater dazu, im Protokoll lediglich anzugeben, dass der Kunde über ausreichend Kenntnisse verfügt. Alternativ wird auf Broschüren und anderes Dokumentationsmaterial verwiesen, das dem Kunden in großem Umfang zur Verfügung gestellt wird. Auch bei der Begründung, warum eine Anlage empfohlen wird, findet man in der Praxis meist Einheitssätze wie „entspricht Risikoprofil und Anlagezielen“, manchmal auch nur „Diversifizierung“. Nicht zuletzt wird sowohl bei der Bewertung der Risikobereitschaft als auch bei der Anlageerfahrung des Kunden oftmals jongliert: Zunächst wird ein Produkt empfohlen und erst dann werden die dazu passenden Angaben im Beratungsprotokoll festgehalten.

Gemäß Gesetzgeber ist das Beratungsprotokoll unverzüglich, in jedem Fall vor Geschäftsabschluss auszuhändigen. Ist dies nicht möglich, z.B. bei einer Telefonberatung, hat der Anleger ein einwöchiges Widerrufsrecht. Die Folge: Eine Telefonberatung wird nicht mehr von jedem Institut durchgeführt. Manche rufen ihre Kunden aber auch zweimal an: einmal zur Beratung, einmal zur – dann beratungslosen – Auftragserteilung, bei der kein Protokoll verlangt wird.

Letztlich hat sich mit dem Beratungsprotokoll die Stellung des Kunden deutlich verschlechtert, da der Finanzdienstleister das Protokoll zum eigenen Vorteil gestalten kann. Experten raten daher auch von der – vom Gesetzgeber nicht vorgeschriebenen, aber oft verlangten – Unterschrift durch den Anleger ab, vergibt er sich damit doch eventuelle Chancen auf Regress.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(12):16-16